Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 11. November 1972 das im Jahre 1909) würde eine derarti- ge Sammlung doch nur ein beschränk- tes einseitiges Bild des tirolischen Volkslebens geben. Der Fremde und der Einheimische wird aber in dem Museum ein Gesamtbild des Tiroler Volkes suchen." Hofrat Dr. Josef Ringler schrieb dar- über 50 Jahre später: „Wie ein auf- merksamer und verständiger Besu- cher des Volkskunstmuseums sieht, ist ein Großteil der Forderungen Radin- gers durch die gegenwärtige Ausstel- lung erfüllt worden. Wenn nicht alle Gedanken und Pläne, vor allem der einer Geräteabteilung, verwirklicht werden konnten, so lag dies schließlich an dem Platze und den historischen Begebenheiten des Objekts, in dem nun endlich die Sammlungen nach lan- ger Irrfahrt und vielen Widrigkeiten ihr dauerndes Heim gefunden haben." Bis heute hat sich aus eben diesen Gründen, nämlich in erster Linie aus Platzmangel, nichts geändert. Tirol hat auch heute noch keine einigermaßen vollständige bäuerliche Gerätesamm- lung. hat keine echte Dokumentation über das alltägliche bäuerliche Leben und Wirtschaften. Erst nach dem Krieg erfolgte ein Aufruf zur Sammlung bäuerlicher Geräte in den landwirt- schaftlichen Lehranstalten, in den Be- zirks- und Heimatmuseen; ein Aufruf, der immerhin einigen Erfolg hatte. Fragen wir uns aber doch, warum erst in jüngster Zeit Anstrengungen in die- ser Richtung gemacht wurden? Wohl war es schon dann zu Ende des 19. Jahrhunderts klargeworden, daß auch in Tirol händisch erzeugte Gebrauchsartikel von Serienware abge- löst werden, daß die bäuerlichen Le- bensformen einem raschen Wandel un- terworfen sind, aber noch war nicht zu erwarten, daß die Motorisierung auch auf den Berghöfen einsetzen würde, daß das Kuh-, Ochsen- oder Pferde- gespann so rasch von der Bildfläche verschwinden würde. Der wirtschaftliche Aufschwung, den unser Land seit den fünfziger Jahren erlebt, hat auch Gott sei Dank die bäuerliche Bevölkerung erfaßt. Jeder Hof hat einen Traktor, jedes Bauern- haus seine Fremdenbetten. Das hat zur Folge, daß die Flur be- reinigt wird, daß die alten Feldwege mit den zwei Rillen und dem Gras da- zwischen geschotterten und begradig- ten Wirtschaftswegen weichen, das hat zur Folge, daß man sich nach mehre- ren Modernisierungsversuchen des al- ten Bauernhauses doch endlich ent- schließt, ein neues Bauernhaus zu bau- en, und dann das alte abzureißen. Für den Motormäher zu steile Wiesen über- läßt man wieder dem Wald, die höch- sten Höfe werden aufgelassen oder an ihrer Stelle Hotels errichtet. Industrie- zonen machen sich auf fruchtbarem Talboden breit. Siedlungs- und Wo- chenendhäuser durchsetzen auch die steilen Hänge unserer Hochgebirgs- täler. Das Bild alter bäuerlicher Kul- turlandschaft ist kaum noch unverletzt anzutreffen. Es wäre müßig, Ihnen Bilder solcher Art veränderter Landschaften, Siedlun- gen und Höfe zu zeigen. Sie haben ja die Beispiele jederzeit vor Augen. Aber nur zu leicht vergessen wir, wie es frü- her war, nur zu leicht übersehen wir die Leistungen unserer Vorfahren. Das Gesicht unserer Tiroler Landschaft wurde vom Bauern geprägt, Sie schreiben im Prospekt: „Die In- itiatoren wollen keineswegs eine Mas- sierung von Exponaten lediglich um der ausgestellten Gegenstände willen. Es soll vielmehr gelingen, den ganzen Bauernhof (Hinterobernau) so zu re- staurieren, daß der Besucher den glaubhaften Eindruck erhält, das bäu- erliche Tagwerk könnte In der näch- sten Minute wieder aufgenommen werden." Zu diesem Zitat - ich nehme an, daß Sie immer noch diese Form der Präsentation vor Augen haben - ist doch einiges zu sagen. Es ist unbestrit- ten, daß die alte Form von Museen, die darin bestand, nahezu alles zu sam- meln und auch fast alles zu zeigen, überholt ist. Es ist sicher richtig, die wichtigsten Räume des Hauses, näm- lich Stube, Küche, Schlafkammer, den Hausgang, die Speis, aber auch die Tenne und den Stadel sozusagen belebt zu zeigen. So ein Bauernhof ist durch- aus in der Lage, alljährlich Scharen von Ausländern, von harmlosen Touri- sten anzulocken und zu begeistern, al- so werbewirksam für den Fremden- verkehr zu sein. Die Neugierde wird es auch sein, die die Kitzbüheler ein- mal in ihrem Leben in dieses Bauern- haus führt. Das würde aber bedeuten, daß das Museum gerade jene Aufgabe nicht erfüllt, die ein Bauernhaus in besonderem Maß zu erfüllen hätte, nämlich die der Erwachsenenbildung der Einheimischen. Ich habe nicht um- sonst so ausführlich über die bäuer- liche Kulturlandschaft gesprochen, die ja den Reiz unseres Landes ausmacht, Die Erwachsenen aber sind es, die die Verantwortung für diese Landschaft tragen müssen. Ein Bauernmuseum hätte demnach nicht nur zu zeigen, wie im Haus ge- wirtschaftet und gelebt wurde, son- dern auch mit welchen Mitteln und Möglichkeiten sich unsere bäuerlichen Vorfahren ihre Umwelt nutzbar ge- macht haben. Den stolzen Lenkern von Traktoren, Schubraupen und Löf- felbaggern muß gezeigt werden, mit welch einfachen Mitteln man früher einen Wald rodete, einen Fluß ver- archte, einen Grund aushob und ein Haus aufbaute; mit Werkzeugen, mit denen man die Natur nicht vergewalti- gen konnte. Indem wir unseren Mit- menschen vorführen, wie mühsam ge- arbeitet und dennoch Großartiges ge- leistet wurde, werden wir in ihnen Brixntoiarisch von Herbert Jordan Aus dem 1972 erschienenen Büchlein „Brixntoiarisch - uichigspitzt - auf- gschniedn und dalogn". (Erhältlich im heimischen Buchhandel). SOZIOLOGISCHES Zum Sepp sagt da Simmal scho wieda amoi, daß er halt endlich bald heiritn soL „Bist denn ganz narrisch? Gar fit dru denkn! 1 heiradt nit, kust ma no so vü schenkn! Weil so oft wia i denk, daß i lödig no bin, kimmt mir dei Frau, die Agath in Sinn." „Ja Sepp', sagt da Simmal, ‚i hu gar nia gwißt, daß d' so valiabt in mei Agatha bist." „Na Simmal, aba denk 1 afs Heiritn dru, fUrcht 1, 1 kunnt a sölche dawischn wia du." nicht nur die Ehrfurcht vor der Arbeit unserer Vorfahren wecken, wir werden auch ihr Verantwortungsgefühl anspre- chen und sie unbewußt anleiten, mit ihrer Umgebung behutsamer umzuge- hen. Das trifft alle Wirtschaftszweige, Landwirtschaft, Industrie und Frern- denverkehrswirtschaft. Nun aber steht die Frage offen, wie man diesen Themenkreis den Besu- chern vorführen kann, wie man diese Fragen so präsentieren kann, daß der Besucher nicht sofort gelangweilt wei- tergeht. Ich glaube, wir müssen hier unter- scheiden zwischen den Einheimischen und den Fremden. Während der Som- mer- und Wintersaison dürfte das Mu- seum in der oben von Ihnen skizzier- ten Weise durchaus attraktiv, ja viel- leicht sogar lukrativ sein, zumindest soweit, daß die Kosten des Betriebes gedeckt werden können. Gerade aber im Herbst, wenn das Land wieder still ist, wenn die Einheimischen aufatmen können, dann sollte das Museum be- sonders Aktivität entwickeln, etwa der- art, daß Wechselausstellungen gezeigt werden mit jeweils fest umrissenen Themenkreisen. In solchen Ausstellun- gen könnten die entsprechenden Ge- räte in verschiedenen Variationen und mit Photos bei der Handhabung ge- zeigt werden. Ja es könnten Filme über diese oder jene bäuerliche Arbeit vor- geführt und der eine oder andere Vor- trag gehalten werden. Die Vorträge sollten dabei nicht in Vergangenem stecken bleiben, sie sollten immer auch den Blick auf die Gegenwart und - soweit möglich - auch in die Zu- kunft richten. Ich könnte mir vorstel- len, daß bei geeigneter Werbung auch Zuhörer zu solchen Veranstaltungen kämen. Wir haben bisher zwei Aufgaben ei- nes Museums dieser Art kurz skizziert: Das Museum als Bereicherung für den Reisegast und das Museum als Bil-
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