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Samstag, 3. Februar 1973 Kitzbüheler Anzeiger Seite 13 Die Glasveranda vor dem Hotel Guido Reisch in der Vorderstadt - aus der Sicht des Ge- meinderates der Stadt Kitzbühel. Der Gemeinderat hat in der Sitzung vom 18. Jänner 1973 die beiden Vize- bürgermeister mit Beschluß beauf- tragt, der Oeffentlichkeit eine Darstel- hng der Angelegenheit „Glasveranda vor dem Hotel Guido Reisch" aus der Sicht und den Aspekten des Gemein- derates zu geben. Die Unterfertigten kminen daher diesem Beschluß des Gemeinderates nach, obzwar öffentli- che Aeußerungen während eines schwe- benden Verfahrens in der Regel un- üblich und problematisch sind: Mit Pachtvertrag vom 10. Feber 1956 (Gemeinderatsbeschluß vom 31. März 1955) verpachtete die Stadtgemeinde Kitzbühel Herrn Guido Reisch das heu- tige Terrassengelände (Gp. 574/1 - Teil) bis zum 31. Dezember 1985 zum Zwecke der Benützung als Gastgarten bzw. Terrasse für seinen gastgewerb- lichen Betrieb. Der jährliche Pacht- schilling war auch auf den Umstand abgestimmt, daß Guido Reisch der Stadtgemeinde zwei sogenannte Kraut- gärten auf dem heutigen Moorbad- gelände entgeltlich ins Eigentum über- tragen hatte. Zwei Bestimmungen die- ses Vertrages sind für die heutige Si- tuati:on von Bedeutung: Punkt V besagt: „Der freie Durch- gang über die gepachtete Terrasse für Passanten muß gewährleistet bleiben" und Punkt VI: „Schließlich verpflich- tet sich der Pächter, über Verlangen der Gemeinde Teile des Pachtgrundes schon vor Ablauf des Bestandsverhält- nisses zurückzustellen, soweit die Ver- pächterin dieselben zur Erweiterung der angrenzenden Straßen benötigt urd in Anspruch nimmt." Die Terrasse wurde dann noch mit Zustimmung des Gemeinderates um 20 cm erweitert, die Baugenehmigung erteilte die Bezirkshauptrnannschaft Kitzbühel mit Bescheid vom 22. März 1957, Zi. 11-336-7. Von der Glasveranda war damals noch keine Rede, wohl aber bestanden über einem Teil der Terrasse Sonnenpiachen. Gegen die eplanten Veränderungen der Sonnen- ;D olachen und die Anbringung von Stütz- stangen und Laufschienen anstelle der K:appscheren erhob das Denkmalamt lt. Schreiben vom 28. März 1957 kei- nen Einwand. Wie aus den Akten des Bauamtes er- siDhtiich ist, hat Guido Reisch Pläne für die Glasveranda, die mit 31. März l57 datiert sind, zur Genehmigung eingereicht. Diese Pläne wurden be- reits in der Bauausschußsitzung vom 1. April 1957, also einen Tag später, behandelt und gut geheißen. Im Pro- tc-koll über die Bauausschußsitzang heißt es: „Hotel Guido Reisch, Spiegel- glasscheiben für Terrassenumbau. Ge- genständliches Ansuchen wird vom Bauausschuß als Bauanzeige ohne Ein- wand zur Kenntnis genommen." Mit Schreiben vom 13. Juli 1957 wur- de Herrn Guido Reisch durch den Bür- germeister mitgeteilt, daß gegen den Einbau der Spiegelglasscheiben, sprich Glasveranda-Errichtung, keine Beden- ken bestehen. Bgm. Dr. Buschman, Baureferent Vzbgm. Kahlbacher und der Bauausschuß waren also der Rechtsauffassung, daß es sich bei der Errichtung der Glasveranda aus be- weglichen Teilen um eine „bauliche Ab- änderung geringerer Art" nach § 45 der Bauordnung handle und eine so- genannte Bauanzeige genüge, also kei- ne Bauverhandlung nötig sei und auch kein Baubescheid erlassen werden müsse. Mit dem Schreiben vom 13. Ju- li 1957 war somit die baubehördliche Zustimmung bzw. Genehmigung nach § 45 Abs. 3 der TLBO erteilt worden. Damit war allerdings nicht auch die Zustimmung des Grundeigentümers verbunden. Diese konnte als Vertreter des öffentlichen Gutes nur der Ge- meinderat geben - im Vertrag vom 10. Feber 1956 über die Ueberlassung des Terrassengrundstückes und auch im Bescheid der Bezirkshauptmann- Schaft Kitzbühel vom 22. März 1957 war ja von der Glasveranda keine Rede. Im März 1958 beschwerte sich der Verein für Heimatschutz und Heimat- pflege in Innsbruck bei der Stadtge- meinde Kitzbühel über die Glasveran- da auf der Terrasse beim Hotel Guido Reisch, behauptete, sie sei ohne Bau- genehmigung errichtet worden, ver- wies auf die Bei:spielfolgen und ver- langte von der Stadtgemeinde deren Entfernung zu verfügen. - Auch das Denkmalamt schrieb am 10. März 1958 an den Gemeinderat der Stadt Kitzbü- hel, teilte mit, daß für die Errichtung der Glasveranda keine Zustimmung erteilt worden sei, verwies auf die Bei- spielsfolgen, sprach von Verschande- lung des Stadtbildes und bat schließ- lich, diese Angelegenheit zu bereinigen (wörtlich). Der damalige Gemeinderat befaßte sich in der Sitzung vom 13. Juni 1958 in einer langen Debatte mit dieser An- gelegenheit und mit dem Brief des Denkmalamtes. Bürgermeister Busch- man stellte fest, daß die Verglasung auf Grund einer Bauanzeige einstim- mig im Bauausschuß genehmigt wor- den sei und daß er die Bedenken des Denkmalamtes bezüglich der Nach- ahmung dieser verglasten Terrasse nicht teilen könne. Es gab Befürwor- ter und harte Kritiker. So verwahrte sich Stadtrat Sieberer wiederholt ge- gen die Art der Genehmigung in Form der Zustimmung zu einer Bauanzeige im Bauausschuß und betonte, daß für die Genehmigung der Gemeinderat zu- ständig gewesen wäre, wobei er wohi die Zustimmung des Grundeigentü- mers meinte und damit sicherlich recht hatte. Schließlich aber faßte der Ge- meinderat drei Beschlüsse: Die Gemeinde besteht für die Zwi- schenzeit und die Sommerzeit auf Of- fenhaltung des freien Durchganges (lt. Terrassenvertrag); im Winter und an kalten Tagen wird auf das Recht des öffentlichen Durchganges über die Terrasse ver zichtet und die Schließung der Ter- rasse bis auf Widerruf gestattet; dem Denkmalamt wird mitgeteilt, daß der Gemeinderat keine Verschan- delung des Landschaftsbildes in diesem Bau erblicken konnte, die Terrasse baurechtlich durch die Bezirkshaupt- mannschaft verhandelt und die nach- trägliche Verglasung aus beweglichen und jederzeit entfernbaren Glasteilen in Form einer Bauanzeige vorn Bau- ausschuß zur Kenntnis genommen worden war. Eine Nachahmung wird nicht vor- kommen, da die Gemeinde als Grund- besitzerin der Innenstadt hiezu keine Erlaubnis geben wird. Die Terrasse durch Glaswände abzuschließen, wur- de Herrn Reisch nur bis auf Widerruf gestattet. Mit Schreiben vom 20. Juni 1958 wurde Herrn Guido Reisch von der Ge- meinderatsdebatte über den Einsoruch des Denkmalamtes berichtet und dann wörtlich mite-etejit: ‚.Der Gemeinderat beschloß iedoch, Pi 1 rechtlich an der ab a-eschlossenen Terrasse nichts zu ändern, verlangt je- doch - daß für die Zwischenseison und in. der Sommersaison der freie öffent- liche Durchgang über die Terrasse durch Offenhalten der Türen ewehrt bleibt. Außerdem ist dieser öffentliche Durchang als solcher durch Tafeln zu bezeichnen Jrn Winter und an kalten verzie}-itef, der (emeindpref, auf das Recht des öffentlichen Dureh:en. °es über die Terrasse irnd e- estattet ihre Sehließijn bis auf Widerruf." Soweit die lTnrp-eschichte. rekonstru - Jert aus den, vorhandenen Akten, denn die beiden Unterfertjelen waren da- mals nicht im Gemeinderat, Die Glasveranda auf der Terrasse vor dem Hotel Gvrdo Reisch mee' in den letzten 15 Jahren manchen Frem- deneiisten und auch Einheimischen als Gastlokal aefallen haben, aber sehr viele Einheimische und auch Fremden- aäste sehen in ihr eine schwere Beein- trächtie-ung des historischen Stadtbil- des und dieser Meinung ist auch der iiberwiee-ende Teil des Gemeinderates. Vielleicht wird sie auch von manchem als Attraktion für den Fremdenver- kehr betrachtet, doch kommen die Fremden in erster Linie nicht allein weeten unserer attraktiven Lokale, son- dern wegen unserer schönen Land-
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