Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 14 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 4. März 1972 langfristige Kredite, Darlehen, mußten Fremdkapitalien aufgenommen wer- den, vielleicht in der Zukunft in noch verstärkterem Maße, wenn man sich der ausländischen Konkurrenz stellen und den steigenden Ansprüchen des Gastes Rechnung tragen will. Die Mittel zur Abdeckung der Schul- den müssen, und das ist in allen Bun- desländern gleich, zu einem beachtli- chen Teil über die Ortsaufenthalts- oder Kurtaxe hereingebracht werden. Auf diesem Einnahmefaktor ist die Kontinuität und das Ausmaß der Frem denverkehrsbudgets aufgebaut, von ihm ist es weitestgehend abhängig. Basis dieser Einnahmen ist der noch beste- hende polizeiliche Meldeschein, über den die Dauer des Aufenthalts eines abgabepflichtigen Gastes (Unterkunft- nehmers) genau registriert und die Taxe berechnet werden kann. Dieses System hat sich im Prinzip und in der Praxis gut bewährt. Das werden alle Gemeinden Oesterreichs, die mit dem Fremdenverkehr zu tun haben und auf die vorgenannte Einnahmequelle an- gewiesen sind, bestätigen. Gehen wir nun auf die Schwerpunk- te der Novelle zum Meldegesetz ein, damit aufgezeigt werden kann, daß das Wollen und Können, das die Theo- rie und die Praxis weit auseinander- klaffen, zu weit um einen volkswirt- schaftlichen Nutzen erkennen zu kön- nen. Die Meldepflicht soll nach den Vor- stellungen des neu zu fassenden Ge- setzes vom Unterkunftgeber (Vermie- ter) auf den Unterkunftnehmer (Mie- ter bzw. Gast) übergehen. Dies würde in der Praxis nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als daß in Zukunft die Touristen aus aller Welt, sie be- streiten in Oesterreich mehr als 90 % der Nächtigungen zumindest theore- tisch das österreichische Meldegesetz kennen müßten, widrigenfalls sie sich bei Nichteinhaltung der Bestimmun- gen strafbar machen würden. Meldet sich also ein Amerikaner, Südafrika- ner, Japaner oder Holländer nicht rechtzeitig an und ab (hier gibt es eine Menge Möglichkeiten bzw. Aus- nahmen), dann ist der Unterkunft- geber gesetzlich verpflichtet, diesen strafbaren Tatbestand der Behörde zu melden. Auf deutsch heißt das, daß der Gastgeber seinen Gast anzeigen müßte. Ueber dieses Kriterium hinaus aber führt die Verlagerung der Ver- antwortung der Meldepflicht dazu, daß dann fremde Meldepflichtige, wie ein praktizierender Jurist feststellte, in einem allfälligen Strafverfahren ent- schuldbare Unkenntnis einer Verwal- tungsvorschrift nach § 5 (2) VStG ein- wenden werden. Zum anderen entstün- den Schwierigkeiten mit der Zustel- lung von Strafverfügungen bzw. Straf- erkenntnissen im Ausland, da dadurch die Souveränität anderer Staaten be- rührt werden würde. Wieviele der be- troffenen Gäste und es würden zwei- fellos viele sein, sehr viele sein, unser gastliches Land ob eines derartigen Er- lebnisses noch ein zweitesmal besu- chen würden, ließe sich unschwer ab- schätzen. Bald würde unser Land in den Ruf einer ganz besonderen Frem- denverkehrsgesinnung kommen. Interessanterweise lag die Verant- wortung für die Einhaltung der Melde pflicht schon einmal beim Unterkunft- nehmer, siehe § (1) des Meldegesetzes 1945. Es ist anzunehmen, daß das Meldegesetz 1954 in der jetzt geltenden Fassung die Verantwortung vom Un- terkunftnehmer auf den Unterkunft- geber aus guten wohl überlegten Grün- den überantwortet hat. Was die Meldepflicht selbst betrifft, sind nach dem gleichen Entwurf u. a. folgende Personen nicht meldepflich- tig: Personen, denen in einer Woh- nung (der Begriff Wohnung ist nicht präzise definiert) nicht länger als drei Tage Unterkunft (auch entgeltlich) ge- währt wird. Personen, denen in einer Wohnung nicht länger als drei Wochen unentgeltlich Unterkunft gewährt wird. Personen, die in Kinder-, Schüler-, Stu- dentenheimen, Jugendheimen oder Ju- gendherbergen, Sport- und Erholungs- heimen untergebracht sind, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollen- det haben. Es muß auf Grund dieser Liste der von der Meldepflicht befreiten Perso- nen (die Aufzählung beinhaltet noch nicht alle Ausnahmen, sondern nur die Schwerpunkte) die Frage gestellt werden, wer dann überhaupt noch meldepflichtig ist? Eine meldepflichti- ge Kategorie von Menschen ist leicht feststellbar. Es wären dies jene Gäste, die in den konzessionierten Beherber- g-ungsbetrieben abzusteigen pflegen. Ohne das Prinzip der Zweckmäßigkeit in Frage stellen zu wollen, scheint hier doch die Gleichheit vor dem Gesetz nicht mehr gewährt zu sein. Zwei deutsche Staatsbürger (sagen wir Brü- der) reisen nach Oesterreich zur glei- chen Zeit und nehmen in einem Fe- rienort X Quartier. Der eine wohnt unentgeltlich zwei Wochen bei Freun- den in deren Wohnung, der andere entgeltlich in einem Hotel. Während sich der im Hotel Abgestiegene bei Nichtanmeldung spätestens in 24 Stun- den strafbar machen würde, wäre der Privatwohnende von den gesetzlichen Bestimmungen nicht im geringsten tangiert, deshalb, weil er Logie und Verpflegung nicht zu zahlen braucht? Schließlich sollte der Meldeschein in der bestehenden Form fallengelassen werden. Ersetzt würde er durch ein Meldebuch in Journalform werden, in das sich der Unterkunftnehmer auf perforierten Abschnitten (abtrennbare Zettel mit Durchschreibetechnik) selbst einzutragen hätte. Wann könnte sich nach dieser Formel der letzte von 100 gleichzeitig angekommenen Gästen (was in größeren Hotels nicht selten der Fall ist) eintragen und wo würde Gästefrequenzen Kitzbühel 1972 1971 Feber 4786 5786 Feber 4795 5958 Feber 4674 6028 Feber 4,132 6105 Feber 3893 6111 Feber 3957 St. Johann Feber 2587 2661 Feber 2565 2717 Feber 2394 2721 Feber 2349 2621 Feber 2930 2453 Feber 3136 2989 Feber 3241 3171 Feber 3174 3201 Feber 2971 3147 Feber 2785 2964 Feber 2535 2910 Feber 2585 - Kirchberg Feber 3802 3834 Feber 3826 3896 Feber 3806 3934 Feber 3,102 3802 Feber 3334 3912 Feber 3303 er sich bei der Abmeldung in einem derartigen Buch wiederfinden,wenn al- lein diese 100 Personen verschiedene Abreisedaten hätten? Ueberdies wäre es nach dieser Methode praktisch je- dem Gast möglich, die Anwesenheit, Aufenthaltsdauer ect. von anderen Per- snen zu überprüfen, was die Diskre- tion des Hauses durchbrechen würde. So sähe nebst zahlreichen Details das neue Gesetz aus. Kommen wir noch auf die Konsequenzen zu spre- chen. Sie würden sich in einem emp- findlichen, wenn nicht katastrophalen Melderückgang und in einem analogen Einnahmeausfall deklarieren. Die Ant- wort, womit die Kurtaxelöcher ge- stopft werden sollten, müßte einmal dem Vater Staat überlassen werden. Sie würde ganz eindeutig ausfallen. Es mag sein, daß sich Einzelperso- nen, aber vielleicht auch die eine oder andere Interessensgruppe über sich abzeichnende Vorteile freuen könnten. Gesamtösterreichisch und im Rahmen unserer Volkswirtschaft aber könnte die Urform der Novelle nicht gesehen werden. Sie würde am Ziel, Oester- reich als klassisches Fremdenverkehrs- land, und daß wir ein solches haben, s;eht außer Zweifel, weiter nach vorne zu bringen, vorbeigehen. Sie würde uns nicht stärken, sondern schwächen. Sie würde anderen nützen und uns schaden. Nützen vor allem unserer Konkurrenz - und das ist sicher nicht Sinn und Zweck, noch Absicht unserer Gesetzgebung.
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