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Seite 4 K.1tbüser Anzeiger Samstag, 19. Mai 1973 beziehen. Denken wir auch daran, daß im Rückkoppelungsprozeß auch jeder einzel- ne wieder die mehr oder weniger hohen Gebühren zu spüren bekommt. Denken wir aber auch vielleicht ab und zu, wir, die wir den Müllkübel füllen, müßten ihn selbst entladen und abführen. Vielleicht sollen wir auch viele andere Dinge des täglichen Lebens aus dieser Warte be- Am 1. Mai 1973 tralen sich die Ger- beriamilien Carl Ritsch, l-iopfgarten, ±ranz Ritsch, Mittersill und Michael Ritsch, St. Johann, mit ihren Verwand- ten im Stammhaus in St. Johann. An- laß war die Gründung der Gerberei Ritsch in St. Johann vor 100 Jahren. Laut Kaufvertrag vom 14. April 1873 kaufte der Werkmeister Johann Ritsch von seinem Chef Sebastian Tscholl das Ledereranwesen samt Lederergerecht- same, Lohstampf und Landwirtschaft um den Kaufpreis von 4.500 Gulden. Johann Ritsch kam aus Südtirol, wo er auf dem 1.900 m hohen Lanerhof in Lüsen bei Brixen am 19. Mai 1838 ge- boren wurde. Nach dem Besuch der Volksschule in Lüsen, die zwei Gehstun- den von zuhause entfernt war, erlernte er in St. Martin in Thrun den Beruf seines Großvaters, das uralte Lederer- handwerk. Nach seiner Freisprechung als Gerbergeselle ging er nach damali- gem Brauchtum auf die „Walz". Er er- weiterte seine Kenntnisse in Bozen, Brixen und in Steinach am Brenner. Mit der Absicht, die Lederfabriken in Böhmen und Mähren kennenzulernen, kam er nach St. Johann und kehrte dort beim Bruckwirt ein. Diese Einkehr hatte zur Folge, daß er mit dem hiesigen Gerbermeister Sebastian Tscholl be- kannt wurde, der ihn auf der Stelle auf- nahm. Johann Ritsch verzichtete auf ei- ne weitere Wanderschaft und wurde gar bald Werkmeister bei Tscholl. Dieser faßte Vertrauen zu dem treuen und tüchtigen Gesellen und bot ihm den Be- trieb zum Kauf an. Die wenigen Er- sparnisse reichten aber nur für eine Angabe. Er bewarb sich also bei dem damals reichen St. Johanner Josef Kurz um einen Kredit. Doch dieser hänselte ihn nur und sagte: „Was willst denn Du Hergelaufener, wer wird denn Dir a Geld leihen?" Bedrückt erzählte er dies seinem Nachbarn, dem Studinger Veit, der den tüchtigen Werkmeister gut leiden moch- te. „Hans, Du bist a umtoand's Mandi und Dir leih ich's!" Voll Selbstvertrauen nahm er, da- mals 35jährig, das Angebot von Seba- stian Tscholl an und errichtete am 14. April 1873 die „Gerberei Johann Ritsch" Sein immenser Arbeitswille, begleitet von einem friedlichen wirtschaftlichen Aufschwung durch den Bau der Gisela- trachten, ich denke - es wäre leichter. Wenn tausend einen Handgriff durch- führen (den Mülldeckel zumachen) braucht es dann der eine nicht tausendmal zu tun. In diesem Falle kann wohl nicht von ei- ner Rationalisierung durch Arbeitsteilung die Rede sein. bahn (1872 - 1875) ermöglichten ihm und seiner Frau Maria, geb. Lichtmann- egger, Tochter zu Vorderpietzau in Fieberbrunn, mit der er am 23. Novem- ber 1874 die Ehe schloß,einen ansehn- lichen Besitz zu erwerben, um seinen fünf Kindern eine Lebensgrundlage zu schaffen. So wurde er Mitbegründer der Gerberei Thomas Ritsch, Hopfgar- ten, der Gerberei Josef Ritsch, Mitter- sill und der Gerberei Michael Ritsch zu Vorderschönau in St. Johann. (Die Stammgerberei in der Lederergasse wurde 1951 stillgelegt). An die 50 Ehrengäste und Verwandte folgten der Einladung des Gastgebers Michael Ritsch. Hochwürden Dekan Alois Dialer, Alt-Innungsmeister Luis Krismer und der heute 96jährige Gidi Hinterholzer von der Magerhennmühle, ein Schul- und Jugendfreund von Ritsch-Vater. Mit einer hl. Messe für den Gründer, seiner Gattin und den verstorbenen Nachkommen wurde die Jubiläumsfeier in der Dekanatskirche eingeleitet. Es folgte der Besuch der Familiengrab- stätte und anschließend ein Imbiß im Hause des Gastgebers Michael Ritsch mit einer Betriebsbesichtigung. Wer diesen Betrieb früher kannte, mußte staunen, was der heutige Betriebsin- haber daraus machen konnte. Mit sei- ner aktiv im Betrieb tätigen Gattin Magdalena, welche ihm 6 Söhne und 3 Töchter schenkte, von denen vier im Betrieb tätig sind, baute er einen mo- dernen Gerbereibetrieb auf, richtete ein schönes Detailgeschäft für Lederwa- ren, Leder- und Pelzbekleidung ein und erbaute ein großes Wohnhaus. Nach dem Rundgang durch den Betrieb be- ehrte die Bundesmusikkapelle St. Jo- hann die Gäste anläßlich des Maiblasens mit einem Ständchen. Im Stammhaus der Familie Ritsch in der Lederergasse bot Dr. Edgar Elbogen klassische Haus- musik und seine Gattin Maria, geb. Ritsch, servierte ein Buffet. Höhepunkt des Festes bildete das ge- meinsame Festmahl im Hotel Brücken- wirt, in dessen altem Gasthaus der Gründer erstmals eingekehrt ist. Es war damals auch das Stammlokal der Gerber. Die Familie Lackner erntete auch für Küche und Keller volle An- erkennung. Für die gediegene Dekora- tion sorgten Michael Ritsch jun. und seine Frau Rosi. Ein von Kunstmaler Peter Thaler auf gegerbtem Kalbfell ge- maltes Familienwappen schmüte die Stirnwand der Festtafel. Bei der Begrüßungsansprache hob Michael Ritsch den Werdegang des Be- triebes hervor und gedachte insbeson- dere der großen Leistungen des Groß- vaters, dessen Wahlspruch es war, „Mehr zu sein als zu scheinen". Sein Cousin Kommerzialrat Carl Ritsch, Bundesinnungsmeister der öster- reichischen Gerber, Dekan Alois Dialer und Franz Ritsch, Landesinnungsmei- ster von Salzburg, folgten in markan- ten Ansprachen. Alt-Innungsmei- ster Luis Krismer konnte als Gründer des Fachverbandes der Tiroler und Vor- arlberger Ledererzeuger vor 50 Jahren manch interessantes Vorkommnis zum Besten geben. Luis Krismer über- reichte Kommerzialrat Carl Ritsch im Namen aller Innungsmitglieder der Gerber von Tirol und Salzburg eine schöne „Winterkrippe", ein Werk von Bundeskrippenbaumeister Bildhauer Sepp Mathoi aus Wenns. Damit sollte sichtbar der Dank für drei Jahrzehnte lange selbstlose und erfolgreiche Arbeit für den Berufsstand im Sinne einer freien Wirtschaft ausgesprochen wer- den. Diese Ehrung wurde von den An- wesenden mit herzlichem Beifall quit- tiert. Eine gemeinsame Auffahrt zum Hotel -Restaurant „Schöne Aussicht" been- dete die Jubiläumsfeier. Auf der „Schö- nen Aussicht" gab es noch einmal ein Ständchen durch die Bundesmusikka- pelle St. Johann. Neue Pflanzenschutz-Bestim- mungen Seit kurzem sind in Tirol neben den schon bisher gänzlich geschützten Pflanzen Edelweiß, Edelraute, Frauen- schuh, Innsbrucker Küchenschelle und den Seerosen auch Türkenbund, Feuer- lilie und Schneerose vollkommen ge- schützt. Dieser strengere Schutz als bis- her war notwendig, da die genannten Blumen in den letzten Jahren sehr stark dezimiert wurden. Es ist verboten, die genannten Pflanzen zu pflücken, auszugraben oder mutwillig zu beschä- digen. Unbeschadet dieser Schutzbestim- mungen gilt, daß in den Naturschutz- gebieten in der Regel jede Entnahme von Blumen verboten ist. Darüber hinaus ist das Kohlröschen im Wetter- stein-, Mieminger- und Karwendelge- birge (Gebiet zwischen Fernpaß und Ehrwald bis Achensee) vollkommen geschützt. Im Gebiet des Kitzbüheler Horns sind außer den oben genannten Blumen noch folgende vollkommen ge- schützt: das Kohlröschen, die Große oder langöhrige Mehlprimel, das Platenigl, die Frühjahrsküchenschelle und alle Alpenanemonen. Hundert Jahre Gerberei Ritsch Ein schönes Familienfest in St. Johann
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