Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 30. Juni 1973 Kitzbüheler Anzeiger Seite 11 Die vergangenen 10 Jahre waren im österreichischen Fremdenverkehr durch einen einzigartigen Aufschwung zu unge- ahnten Nächtigungshöhen gekennzeich- net. Diese Explosion der Zahlen mußte geradezu zum Zahlenspiel verleiten. Ob der Faszination an den permanent stei- genden Kurven der Gästemillionen und Devisenmilliarden begann man Gesetz- mäßigkeiten der Wirtschaft zu überge- hen und zu übersehen. Die sich breit- machende Philosophie von einer irrealen Dauerhochkonjuktur führte dazu, daß nicht nur die technologischen Größen- ordnungen aus den Nähten platzten, son- dern auch betriebswirtschaftliche Dog- men ignoriert wurden. Die Betten schos- sen aus dem Boden. Oesterreich verfügt bereits über 1 Million Gästebetten. Im- mer mehr ungeschulte Menschen bzw. branchenfremde Unternehmer begannen sich im Metier des Fremdenverkehrs bzw. der Gastronomie zu versuchen, in der naiven Ueberzeugung, daß sich, wie groß und wo immer auch ein Beherbergungs- betrieb errichtet werde, sich ein solcher aufgrund eines scheinbar unbegrenzten Bedarfs von selbst füllen müsse. Mecha- nische Aufstiegshilfen wurden in Gegen- den aus dem Boden gestampft, die seit Menschengedenken von einem wirklichen Dreimonat-Winter gütigst verschont ge- blieben waren. Kostenfragen und Stand- ortprobleme schien es nicht mehr zu ge- ben. Während sich die Bautätigkeit auf dem Sektor der Tourist-Industrie insbesondere in den letzten Jahren überschlug, mußte auf der anderen Seite eine Abkühlung der Saisonen registriert werden. Und schon begann sich die Diskrepanz zwi- schen Kapazität und Auslastung, zwischen Investition und Amortisation weit aufzu- tun. Manche Ursachen des Absinkens der Saisonintensität sind bekannt Abgesehen von unangenehmen Witte- rungserscheinungen macht der Fremden- verkehrswirtschaft vor allem die Einfüh- rung des zweifellos überhöhten Mehr- wertsteuersatzes schwer zu schaffen. Die Kosten—Preis—Frage ist zu einem ech- ten Problem geworden, welche durch im gleichen Zeitraum entstandene Währungs instabilitäten noch verschärft wird. Der Substanzverlust des US-Dollars und des englischen Pfund-Sterlings und die da- mit verbundene Abwertung der Währun- gen unserer größten Konkurrenzländer Italien und Spanien, gepaart mit einer Aufwertung des österreichischen Schil- lings bringt die österreichische Fremden- verkehrswirtschaft in eine fatale Konkur- renzsituation. Dazu kommt noch der un- geheure Steuerdruck, der nicht dazu an- getan ist, dem Unternehmer aus der Ko- sten—Preisschere herauszuhelfen. Zu den innerösterreichischen Proble- men, deren Lösung nur wir selbst anstre- ben können, kommen noch die Konkur- renzmomente von außen. Seit dem An- bruch des Jumbo-Jet-Zeitalters steht dem heißumworbenen, wenn nicht umkämpf- ten europäischen Touristen, der in Oster- reich den Großteil des Nächtigungs- und Devisenaufkommens bestreitet, die ganze Welt offen. Diese Oeffnung ist weder durch die Frage der Zeit noch durch die Frage der Kosten gedämpft. Die Ueber- schallgeschwindigkeit der Transportmit- tel und das All-In-Package, auf Basis der totalen Auslastung der Flugzeuge kalku- liert, machen den Ueberseeurlaub pro- blemlos. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Gefahr für unsere Sommersaisonen, sondern auch für unsere Wintersaisonen, denn Winterurlaub ist nicht mehr iden- tisch mit Skiurlaub, ja nicht einmal mehr mit Schneeurlaub. Winterurlaub kann Südsee, kann Urlaub unter Palmen be- deuten. Zusammenfassend ergibt sich daraus der Umstand, daß wir in Zukunft einer Verlangsamung des touristischen Wachstums ins Auge sehen werden müs- sen. Der zukünftige Erfolg im Fremdenver- kehr in unserem Lande wird demnach nicht so sehr eine Frage der Aufnahme- fähigkeit, sondern ein Problem der Qua- lität sein. Komfort und Serviceleistung zu heben wird daher oberstes Gebot für die Zukunft werden. Dazu bedarf es al- lerdings nicht nur der Initiative und des wohl nachweisbar vorhandenen Arbeits- willens des Unternehmers, sondern auch einer aufgeschlosseneren Haltung des Staates dem Fremdenverkehr gegenüber, die sich nicht in der gebührenden ver- balen Anerkennung der Leistungen die- ser Wirtschaftsbranche für die österrei- chische Volkswirtschaft, als Devisenbrin- ger Nr. 1, gewaltiger Investor im Inland und als mitverantwortlicher Faktor für die Hochkonjuktur und Vollbeschäftigung, er- schöpfen darf, sondern in der wirtschafts- politischen Weichenstellung ihren Aus- fluß finden muß. Maßnahmen setzen wird unausbleiblich werden. Eine solche erscheint mir in erster Li- nie die Untersuchung der steuerlichen Belastung (Alkoholsteuer) unserer Unter- nehmer sowie eine vergleichende Be- trachtung der Fremdkapitalkosten in Oesterreich und im benachbarten Aus- land. In beiden Belangen liegt unser Land im europäischen Spitzenfeld. Diese Spitze müßte gebrochen werden, damit wir gegenüber unseren Konkurrenzlän- dern wettbewerbsfähiger werden. Die Möglichkeit der Eigenkapitalbildung, al- lein zur Ueberbrückung eintretender Sai- sonlöcher, müßte erweitert werden. Das Absenken der Steuerlast würde auch da- zu führen, daß die Unternehmerschaft in die Lage versetzt wird, seine Dienstlei- stung (Anlage plus Service) nicht um je- den Preis zur Verfügung stellen zu müs- sen. Daß die Eigenkapitalbildung über- dies eine gesunde konjunkturdämpfende Maßnahme darstellt, die, so unmodern sie erscheinen mag, ihre Wirkung noch nie verfehlte, ist erwiesen. Die Investitionsfreudigkeit braucht des- halb nicht gestoppt werden. Sie soll je- doch nicht ungezügelt und wild vor sich gehen können. Dies trifft nicht nur für den privaten Sektor zu, sondern auch für die Gestion der öffentlichen Hand. Durch den Verzicht auf Prestigeprojekte und einer spezifischeren Untersuchung und Ueberprüfung von Vorhaben, die aus der öffentlichen Hand teilweise oder ganz finanziert werden, könnten zahlreiche Fehlinvestitionen vermieden werden. Dort wo bei einer genauen Begutachtung der Sachlage sich nicht einmal eine Umweg- rentabilität errechnen läßt, muß die Kraft für einen Verzicht aufgebracht werden. Orte auf einer Seehöhe von 500 m z. B. können mit bestem Willen zu keinem klassischen Wintersportzentrum entwik- kelt und Ferienplätze auf 1800 m See- höhe, selbst unter Zuhilfenahme aller technischen Möglichkeiten, zu keinem echten Sommerferienziel gemacht wer- den. Seitens der Unternehmerschaft bzw. der zuständigen öffentlichen Gremien muß sich der Wille zur Kategorisierung unserer Betriebe auf der international gültigen Ebene rasch durchsetzen. In der Welt des Tourismus wird im großen Ge- schäft fast nur noch mit Großräumen und den darin als standardisiertes Anbot vor- liegenden Unterkunfts- und Verpflegungs- möglichkeiten gerechnet. Dies bedeutet keinesfalls, daß unser typischer und sehr gefragter Charakter in der individuellen Unternehmungsführung verleugnet wer- den soll oder muß, aber der Gast will einfach genau wissen, was er für sein Geld erwarten darf. Das verlangt der In- dividualgast und der Reisebürogast. Oesterreich wird sich ansonsten im Ver- kauf immer schwerer tun und gegenüber Ländern mit internationalen Qualitäts- normen ins Hintertreffen kommen. Die Stornierung von Charterkontingenten kann einzelne Betriebe hart treffen, die Umgehung von Großräumen aufgrund ei- nes unqualifizierten Anbots aber kann für ein ganzes Land ins Auge gehen. Auf dem Weg zum qualitativeren Frem- denverkehr ist die Schulung, die Ausbil- dung auf allen Ebenen des Dienstlei- stungsgewerbes zu einem Gebot der Stunde geworden. Hier darf noch viel an öffentlichen Mitteln investiert werden. Die gute Ausbildung der Jugend, die nach wie vor und gerne bereit ist, sich brauch- bares Wissen zum eigenen Vorteil anzu- eignen, wird sich für und in unserer Volks- wirtschaft bezahlt machen. Hand in Hand mit einer breiteren und intensiveren Aus- bildung kann dann auch die Einführung eines echten Befähigungsnachweises ge- hen. Der Nachweis der Befähigung, ei- nen Beruf wirklich zu beherrschen, war noch nie eine Schande, im Gegenteil, noch immer eine Auszeichnung, eine qua- Der Fremdenverkehrszukunft ins Auge sehen! Von FVV-Direktor Dkfm. Dr. Josef Ziepi
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