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Samstag, 14. Juli 1973 Kitzbüheler Anzeiger - Seite 11 Verschwisterung St. Johann - Redford feierlich begangen Nützliche Partnerschaft - klare Worte als Grundlage einer unverschleierten Freundschaft - Prüfung auf die Tiefe der Verbindung. (2. Fortsetzung) Den Vormittag des 27. Mai verbrach- ten die St. Johanner mit den Quartier- gebern in den Kirchen und bei kurzen Ausflügen in der Umgebung. Am Stand des Fremdenverkehrsverbandes arbeite- te zur Entlastung der Mannschaft ein freiwilliger Servicedienst. In der Eisarena begann bald wieder das Programm anläßlich der Verschwi- steru:ig. Es war regnerisch, doch bald brach die Sonne durch. Ab 14 Uhr spiel- te eine österreichische Musik und zau- berte Stimmung in die Arena. Nach dem Schulchor der Redford Union High School spielten Rheinländer, eine deut- sche Kapelle aus Redford, bei der auch eine Volkstanzgruppe mitwirkte. Ein Höhepunkt war die Show der Radfahrer auf dem Einrad, alle klatschten begei- stert Applaus zu den zirzensischen Dar- bietungen von Schülern. Als die St. Johanner angekündigt wur- den, kehrte Ruhe in den Saal. Lieder, Tänze und Jodler folgten in buntem Reigen, Abschluß und Höhepunkt war wieder der Holzhackertanz. Die begei- sterten Zuschauer sammelten Holzspäne als Souvenirs; alle verfügbaren Erinne- rungsstücke wurden getauscht. Die offiziellen Abschiedsworte gingen im Jubel der Begeisterung fast unter. Und doch war den Teilnehmern an dem Fest aus St. Johann nicht nur froh ums Herz. Sie waren als Gäste nach Redford gekommen und hatten Freunde gefun- den, von denen sie nun wieder Abschied nehmen mußten. Als Gastgeschenk er- hielten alle St. Johanner einen wertvol- len US-Silberdollar, dazu Abzeichen, Plaketten, eine US-Fahne und persön- liche Erinnerungsstücke. Unter Voran- tritt der Musik marschierte die Delega- tion aus St. Johann durch das Spalier klatschender und jubelnder Menschen aus der Arena. Der letzte Gruß war das Lied „Wohl ist die Welt so groß und weit . . ." Ueber das große Fest in Redford be- richteten alle Zeitungen. In der deutsch- sprachigen „Detroiter Abendpost" stand unter der Ueberschrift „Ein Hauch von Tirol in den Straßen von Redford" u. a. zu lesen: Der Stadtbezirk Redford im Westen Detroits hat an diesem Wochen- ende allen Grund, ein großes Fest zu feiern: Er beherbergt Gäste aus seiner Schwesterstadt St. Johann in Tirol und sie sollen in Amerika zumindest ebenso herzlich aufgenommen und bewirtet werden wie seit nun schon drei Jahren in den Sommerferien die Schüler von Redford in Oesterreich, die das in einem malerischen Alpental gelegene Städt- chen entdeckt und in ganz besonderem Maß schätzen gelernt haben, Die Gäste aus der bchwesterstadt, voran Bgm. Ma- riacner, und dazu eine vierzigKoplige Sing- und 'ianzgruppe, sind bereits am 1Jonnersagaoenc1 aui dem iVietropoli-. tan Airporr erwartet worden. Aach die- ser 1ierLuchen Eegrü1ung ist an diesem samstag ein esLzug mit 4 geschimucI- ten Wagen, rünt iapeUen und rund ZO Uruppen der eigenuichie Auitakt des Vo1isiestes. An die 30 Buden werden aulgestellt, sie bieten Wein an und Bier, Würstchen und andere geeignete Unterlagen für einen fröhlichen Um- trunk, daneben Andenken und deutsche Erzeugnisse, und auch für die Belusti- gung der Kinder durch verschiedene Spiele ist gesorgt. Mehr als 20 lokale Vereine haben bei den Vorbereitun- gen für dieses Fest mitgewirkt. Daß von den deutschsprachigen Gruppen in Detroit der Verein der Oesterreicher mit einer besonders großen Abordnung teilnimmt, versteht sich beinahe von selbst, denn natürlich fühlt er sich mit seinen Landsleuten aus Tirol besonders verbunden." In dem Bericht wird weiters auf zwei Wettbewerbe verwiesen, deren Gewin- ner im Verlauf des Festes bekanntge- geben wurden. Einmal waren die Schü- ler Redfords aufgerufen, Embleme zu entwerfen, die das Partnerschaftsver- hältnis zwischen Redford und St. Jo- hann in gefälliger Form spiegeln sollen, zum anderen waren die jungen Studen- ten gebeten, in einem Aufsatz Antwort auf die Frage zu suchen „Wie kann die Jugend die internationalen Beziehun- gen durch das Schwester-Städte--Pro- gramm wirkungsvoll fördern. Die Au- toren der sechs besten Aufsätze hatten eine doppelte Gewinnchance. - Ihre schriftlich fixierten Ueberlegungen wer- den in einem nationalen Wettbewerb eingebracht, den der Städtverbindungs- ausschuß der USA ausgeschrieben hat. In einem mit der Ueberschrift „Nütz- liche Partnerschaft" gekennzeichneten Bericht schreibt die Detroiter Abendpost Ueberlegungen zur Städtepartnerschaft, die es wert sind, auch bei uns überdacht zu werden. Sie geben Auskunft über den tieferen Sinn derartiger Abmachun- gen zweier Orte. Es heißt: „Daß Redford und St. Johann zueinander gefunden haben, läßt sich mit freundschaftlichen Gefühlen allein nicht erklären. So wie Liebe keine Garantie für eine dauerhaf- te Ehe ist, reicht auch gegenseitiges Wohlgefallen keineswegs für eine be- ständige e ständige Partnerschaft. Handfeste Inter- essen, die einander ergänzen, müssen auf beiden Seiten hinzukommen. Im Falle dieser Städtefreundschaft schim- mert zumindest ein Funke solchen In- teresses aus der Vorgeschichte dieser Verbindung (wir berichteten ausführ- lich darüber). Der Deutschlehrer der Redford Union High School, Manfred Heuser, wollte seinen Schülern die Mög- lichkeit bieten, sich bei einer Europa- reise besser mit der von ihm unterrich- teten Sprache vertraut zu machen. Of- fenkundig um diese unschätzbare prak- tische Erprobung zu institutionalisieren und noch weiteren Schülern diese Chan- ce zu geben, nahm er vier goldene Schlüssel des Detroiter Stadtbezirks mit, von denen einer ihm St. Johann er- schloß. Daß dieses Tiroler Städtchen die jun- gen Amerikaner von Anfang an und seither Jahr für Jahr mit offenen Ar- men aufnahm, lag siher nicht allein an deren hübschen Nasen oder dem Ent- zücken über jenen goldenen Schlüssel, der ja auch in Berlin und Bonn hinter- lassen wurde. Zumindest ein weniger philantropischeS Motiv legt die Tatsache bloß, daß Mag. Peter Wailner, mit dem Heuser die 5h esterstadt verbindung bereits beim ersten Besuch vor drei Jah- ren anvisierte, zugleich der Fremden- verkehrsdirektor St. Johanns ist. Es wä- re der falsche Mann in diesem Amt, hätte er bei jenem Gespräch nicht auch daran gedacht, daß ihm ein engeres Verhältnis zu einer amerikanischen Stadt den einen oder anderen Touristen beschweren könnte. Solche Interessen sind nicht nur legi- tim und natürlich, sondern sogar not- wendig, sind Voraussetzungen für ge- sunde und feste Beziehung. Sie hinter Freundschaftsbeteuerungen zu verber- gen, mag feine Lebensart sein. Besser jedoch sind Freunde dran, die sich ei- nander offen und unbekümmert die Meinung sagen können. Man weiß dann, woran man ist, kann sich darauf ein- stellen. Solche unverschleierte Freund- schaft hat mehr Bestand. Bei den Feiern an diesem Wochen- ende sollte das nicht vergessen werden. Es wäre der Sache nur dienlich, freimü- tig darüber zu sprechen, noch mehr handfeste Interessen zu suchen und so konkrete Vereinbarungen zu treffen wie beispielsweise einen längerfristigen Austausch von Lehrern und Schülern oder ein Programm für engere touristi- sche Kontakte. Es kommt darauf an, größtmöglichen Nutzen aus dieser glück- lichen Verbindung zu ziehen. Denn ein- ander zu helfen, ist Sinn und Ver- pflichtung wirklicher Partnerschaft." In diesem Sinn wird man auch in St. Johann die Partnerschaft mit Redford pflegen und ausbauen. Nach den unver- geßlichen Feiern hat der Alltag wieder begonnen. Inzwischen sind neuerdings Studentengruppen aus Redford in St. Johann eingetroffen, es sind sich Freun- de begegnet. Im nächsten Jahr wird ei- ne große Feier in St. Johann die weitere Vertiefung der Partnerschaft bringen, die einen kleinen, aber nicht unbedeu- tenden Beitrag zur Freundschaft zwi- schen Menschen verschiedener Länder und Lebensauffassungen bringen wird. Hans Wirtenberger
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