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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 27. Jänner 1972 Von der Abschlußfeier des Lehrlingswettbewerbes Am 20. Jänner 1973 fand im Sport- hotel Tirolerhof in Kitzbühel die Ab- schlußfeier der Bezirksstelle der Han- delskammer Kitzbühel für den freiwil- ligen Lehrlingswettbewerb 1972, ver- bunden mit der Freisprechfeier von Gesellen und Gehilfen, statt. BU:ndes- innungsmeister KR Ing. Karl B e r - g e r konnte bei der Begrüßung eine große Zahl von Lehrlingen mit ihren Meistern begrüßen. Als Ehrengäste waren erschienen: Bez.-Hptm. Hofrat Dr. Hans v. Trentinaglia, der Leiter der Bezirkssteile Kitzbühel der Tiro- ler Handelskammer LAhg. Komm.-Rat Christian Huber, die Bürgermeister Andreas Mariacher (St. Johann) und Arthur Larcher (Jochberg), Bezirks- obmann-Stellv. der Bezirks-Landwirt- schaftskammer NR a. D. Paul Land- mann, der Leiter des Arbeitsamtes Kitzbühel Amtsrat Leopold Reisner, der Leiter der Berufsschule L. Tschurt- schenthaler und OSR Karl Grißmann sowie Funktionäre der Bezirksstelle. In markanten Worten würdigte Ing. Berger kurz die Leistungen der Lehr- linge unseres Bezirks, die im Land Ti- rol einen hervorragenden Platz einneh- men, Die Festansprache hielt LAbg. Korn. merzlairat Christian Huber. Er führte aus: „Der Traditionstag für diese Feier war bisher der Marienfesttag, 8. De- zember. Wegen der Uebersiedlung der Bezirksstelle in das neue Amtsgebäu- de ist die Verschiebung notwendig ge- worden. In Zukunft wird die Feier wieder am 8. Dezember stattfinden. Die zunehmende Steigerung der Zahl von Lehrlingen in der gewerblichen Wirtschaft ist erfreulich. In Oester- reich standen am 31. Dezember 1971 142.284 Lehrlinge in 53.000 Betrieben in Ausbildung. Von dieser Zahl entfie- len 10.482 Lehrlinge auf 4272 Tiroler Lehrbetriebe. - Mit Ende November 1972 ist die Zahl der Tiroler Lehrlinge auf über 1000 angestiegen. Im Jahre 1969 waren es nur 9310. Hervorzuheben ist hier der Anteil der neueingetretenen Lehrlinge aus der Gesamtzahl der Entlaßschüler al- ler Volks-, Haupt- und Sonderschulen. Von den 5554 Tiroler Entlaßsch"iern 1971 haben 3738 (über ein Drittel) ein Lehrverhältnis angetreten. Dies ist der beste Beweis dafür, daß Lernen im Rahmen eines Lehrverhältnisses in ei- nem Lehrbetrieb auch heute noch at- traktiv ist. Die Zahl der Lehrlinge im Bezirk Kitzbühel vom 31. Dezember 1971: Ge- werbe: 659 Handwerkslehrlinge, Han- del: 274 Kaufmännische, Industrie: 48 Facharbeiterlehrlinge und Fremdenver- kehr: 143 Koch-, Kellner- und Gast- gewerbeassistenten-Lehrlinge. Dies er- gibt eine Gesamtzahl von 1114 Lehrlin- gen; sie stehen in 515 Betrieben in Aus- bildung. Auch die steigende Zahl der freiwil- ligen Teilnehmer am Lehrlingswettbe- werb der Tiroler Handelskammer ist sehr erireulich. Sie liegt bei gut 50 0/0. Beim Lehrlingswettbewerb 1972 konn- te der Bezirk Kitzbühel 213 Preisträ- ger hervorbringen und zwar: 14 Lan- dessieger, davon 3 zum zweitenmal; 40 Goldene, 45 Silberne und 114 Bron- zene. Dies bedeutet, daß etwa jeder dritte Wettbewerbsteilnehmer ein Lei- stungsabzeichen erringen konnte. Da- für meinen herzlichen Glückwunsch! Ihr, mcne lieben Teilnehmer und Preisträger, habt auf diese Art mit Fleiß, Können und Leistungen prote- siert ein Protest der schönen Art, durch Leistungen aufzufallen. Ihr habt Euch freiwillig und aus Ueberzeugung und sicherlich auch in Wertschätzung Eures Berufes diesem Wettkampf auf dem Gebiet des Lernens gestellt und habt durch Eure Erfolge bewiesen, das Beste zu geben. Ihr habt zu dem ersten Ja, einen Beruf zu erlernen, ein zweites Ja und zwar ein sehr wertvolles dadurch ge- geben, daß Ihr Euch bereiterklärt habt, weit über das normale Erforder- nis hinaus zu lernen, und dafür ge- bührt Euch unser besonderer Dank. Unsere Wirtschaft kann sich nur dann weiterentwickeln, wenn Ihr lau- fend, Jahr für Jahr, junge talentierte Menschen zugeführt werden. Sieht man sich im Bezirk Kitzbühel um, so kann beobachtet werden, wie sich erfreulicherweise die Betriebe entwickeln und welche Vielgestaltig- keit sie aufweisen. Das, meine Damen und Herren, kam aber nicht Von selbst; es erforderte den gesunden Unternehmergeist. - Dieser ist die Grundlage, daß für unsere Jugend die Zukunft gesichert wird. Eure Lei- stungen erwirken auch auf unserer Seite Verpflichtungen. Eis ist erfreu- lich, wenn ich feststellen kann, daß die Tiroler Handelskammer sowie un- sere Bezirksstelle die Förderung und Mithilfe bei der Lehrlingsausbildung als eine der wichtigsten Aufgaben ge- stellt hat. Das Wirtschaftsförderungs- institut stellt die notwendigen Geld- mittel zur Verfügung, um die vielfalti- sten Lern- und Weiterbildungsmöglich- keiten zu garantieren. Auch das Land Tirol fördert das Streben unserer Jugend durch den Bau neuer und moderner Berufsschu- len mit bedeutenden Mitteln. Die Aus- bildung unserer jungen Menschen in Schule und Beruf ist aber nicht nur ein wirtschaftliches Anliegen, sondern eine soziologische und volkswirtschaft- liche Frage von größter Bedeutung. Wir wissen, daß die Bildungsstätten unserer Jugend viel Geld erfordern, wir wissen aber auch, daß dieses Geld - hier am besten angelegt ist und in Zukunft hohe Zinsen tragen wird. Unter jungen Menschen hört man oft die Frage diskutieren, ob heute eine Lehre noch zeitgemäß ist, ob sie Sinn hat oder gar eine Notwendigkeit erkennbar wäre. - Unsere Antwort ist ein überzeugendes Ja. Im großen Europäischen Wirtschafts- raum - bekanntlich gehört Oester- reich seit 1. Jänner 1973 der EWG an - werden der Wettbewerb noch här- ter und die Anforderungen an den ein- zelnen noch größer sein. Nur eine gute umfassende Berufsausbildung kann zum Erfolg führen. Wir wissen aber auch, daß gerade unser gediegenes Ti- roler Handwerk mit seiner vielschich- tigen Struktur hier große Chancen hat. Wir leben in einem Zeitalter der Technisierung und der Automation. Im Mittelpunkt aber steht der Mensch mit seinem Wissen und Können, sei- ner Geschicklichkeit und seiner Intel- ligenz. Beispiel: gibt ein Programmie- rer dem Computer falsches Material ein, ist die umfangreichste Technik wertlos' Wir leben aber auch im Zeit- alter des Zustromes zu höheren Schu- len. Ich möchte aber klar ausdrücken, daß in der praktizierenden Wirtschaft eine Lehre mit guter Berufsausbil- dung einer mittleren Reife gleichzu- setzen ist! In letzter Zeit gab es von verschie- denen Seiten polemische Angriffe ge- gen die duaie Berufsausbildung. Es sollte der Eindruck entstehen, als müßte der Lehrling untergeordnete Ar- beiten verrichten. Wir treten dieser Polemik entschieden entgegen. Ein- mal, weil sie nicht zutreffend ist, zum anderenmal spielt sie bei der Berufs- wahl eine Rolle negativer Auslese. Im Zeitalter der Bildungsexplosion ist die Schule im Vormarsch. Bildung hat einen positiven Beiklang. Nur wird hier der Lehrling zu wenig in Zusam- menhang gebracht. Gerade das duale Bildungs- und Ausbildungssystem bringt den jungen Menschen beides: Bildung und Ausbildung. War früher der Akademiker ein Kö- nig, der Mittelschüler ein Graf, so ist heute der Lehrling in der Volkswirt- schaft ebenfalls ein Graf. Ihr, meine lieben jungen Freunde, werdet später einmal das Ansehen unserer Wirt- schaft, aber auch unseres Staates be- stimmen. Ihr werdet die Träger wirt- schaftlicher und öffentlicher Funktio- nen sein, wobei die Leistungen des ein- zelnen von Bedeutung sind. Der Wett- bewerb und die daraus resultierende Wettbewerbswirtschaft ist die Wirt- schaftsform aller freien Länder und der einzige Garant der Freiheit. Frei- heit ist das kostbarste Gut, ihre Wert- schätzung aber erst dann ersichtlich, würde das Gegenteil eintreten. Für die- se unsere Freiheit einzutreten, müssen wir jederzeit bereit sein. Das Geheimnis einer freien Wirt- schaft ist Wissen, Können und Fleiß!
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