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Samstag, 3. März 1973 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Von der Bürgerinitiative für eine umweltgerechte Umfahrung Kitzbühels Im überfüllten Kolpingsaal fand am vergangenen Freitag, 23. Feber 1973, die Bürgerversammlung statt, zu der die ‚Bürgerinitiative für eine umwelt- gerechte Umfahrung Kitzbühels" einbe- rufen hatte. Als Vorsitzender der Ver- sammlung hieß Rechtsanwalt Dr. Her- bert G 1 a s e r eingangs den Bürger- meister, seine Stellvertreter und die anwesenden Mitglieder des Stadt- und Gemeinderates willkommen. lt. einem Einleitungsreferat zeigte Dr. Glaser die Beweggründe für die „Bürgerinitiative" auf. Einfache Bür- ger seien über die Trassenführung der Westumfahrung nach einem Referat des Planers, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Paul Petrovic, derart erschrok- ken, daß sie beschlossen, gegen dieses Projekt aufzutreten. Die „Bürgerinitia- tive" richte sich nicht gegen eine Per- son oder eine Institution. Bisher sind Hunderte Unterschriften eingetroffen, so daß man annehmen kann, daß es sich um ein wahres und echtes Anlie- gen der Bevölkerung handelt. Im Bautenministerium seien, so führ- te Dr. Glaser weiter aus, derzeit drei Tunnellösungen als Varianten im Sta- dium der generellen Planung, die bis September 1973 abgeschlossen sein wird. Die Detailplanung wird acht Mo- nate dauern. Dr. Glaser verwies wei- ters darauf, daß die sogenannte Pe- trovic-Tra.sse den Verkehr nach St. Jo- hann bzw. ins Brixental nicht löst, auch erweise sich der seinerzeit von al- len unterstützte Feibertauerntunnel als „Fluch"! Nach dem Referat von Dr. Glaser wurde die Resolution von der Bürger- initiative verlesen. (Den Hauptteil die- ser Resolution bringen wir an einer anderen Stelle dieser Zeitung.) Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Paul Petrovic, Ordinarius für Straßenbau an der Technischen Hochschule Wien, der u. a. die Wachau-Bundesstraße, die Westeinfahrt der Autobahn nach Wien und weitere Autobahnabschnitte in Oesterreich geplant hat, begründete in seinem Hauptreferat die Ablehnung seiner Trasse. Er bezeichnete die 1934 generell, 1968 detailliert vorgelegte Prjektierung weder als Fehlplanung noch als Pioniertat. Er legte die dama- lige Situation klar, die eine 7,5 krn breite Verbindung vorn Brixental (ge- plante Schnellstraße) bis zur Faß Thurn-Bundesstraße erforderte, weil die Bundesstraßen zuerst mitten in Kitzbühel aufeinandergestoßen waren. Das Bundesstraßengesetz 1971 wertete die Brixentalstraße ab und legte eine neue Linie einer Schnellstraße von Going über Reith und Kitzbühel zum Paß Thurn fest. Die sogenannte Petrovic-Trasse läßt sich nicht zu einer Schnellstraße um- funktionieren. Ein Ueberdenken der Situation schien geboten. Prof. Petrovic schlägt nun einen 1,5 Kilometer langen Tunnel bergwärts in Richtung Hahnenkamm vor. Er kä- me auf etwa 150 bis 200 Millionen S zu stehen. Etwa gleichhoch beziffert er die Kosten für die Petrovic-Trasse, die eine relativ hohe Grundahlösesurn- me (50 Millionen Schilling) enthält. Prof. Petrovic erklärt neuerdings (wie bereits bei der öffentlichen Gemeinde- ratsitzung vom 15. Feber 1973), daß er als „Hobby" auf eigene Kosten ein vollkommenes Projekt zur Diskussion ausarbeiten werde, und zwar inner- halb der nächsten drei Monate. Neben einem Tunnel für die eigent- liche Umfahrung schlägt Prof. Petro- vic nunmehr auch eine Untertunnelung des Lebenbergs vor. Mit einer 500 bis 600 m langen Querverbindung könne der Uebereckverkr abgeleitet wer- den (Brixental—St. Johann und umge- kehrt), aber auch der Verkehr von der Paß-Thurn-Bundesstraße (Felbertau- ernverkehr) direkt auf die Schnellstra- ße geleitet werden. Diese Linie führt von E c k i ng (Knotenpunkt für S 42, B 170 und Ortsumfahrung mit Ein- schleusung nach Kitzbühel und Straße zum Schwarzsee) und soll nach An- sicht von Prof. Petrovic zwischen De- wina-Kreuzung (Wienerkreuzung) und der Sportalmstrickerei-Fabrik - also in einem kaum abgegrenzten Bereich auf die Bundesstraße 170 stoßen. Eine Auflassung der Bundesbahn- Trasse durch Verlegung der Bundes- bahn, die um Kitzbühel eine enge Schleife zieht, sei weder zu erreichen noch von großem Vorteil. Entschieden wandte sich Prof. Petrovic gegen die Möglichkeit einer „autogerechten" Stadt. Eine solche gibt es praktisch nicht. Er plädierte für eine Lösung der innerstädtischen Verkehrsprobleme durch die Errichtung ortsnaher Groß- parkplätze bei Einrichtung eines öf- fentlichen Verkehrssystems im Stadt- bereich, eventuell zum „Null-Tarif". Die anschließende Diskussion leitete Dipl.-Ing. Ernst (Hochfilzen). Es gingen an die 25 Stellungnahmen ein, die ein buntes Bild gaben. Die Mehr- zahl der Debattenredner lehnte die vorliegende Petrovic-Trasse ab, die aber auch von keinem Befürworter als ideal verteidigt wurde. Schon der zweite Debattenredner zeigte die Pro- blematik des Vorganges auf, als er die Befürchtun:g äußerte, die neue Le- benbergtunnelung werde den Abbruch seines Hauses (das er von den Groß- eltern vererbt bekommen hatte) her- beiführen. Gegen die nun allseits bekannte Pe- trovic-Trasse wurde ein Rohkonzept ausgetauscht, über das man frühestens in drei Monaten debattieren sollte. Ein echter Vergleich der Trassen wird auch dann nicht einer „Bürgerversamm- lung" obliegen, sondern den Verkehrs- experten. Von der Petrovic-Trasse ist bekannt, daß sie 115.000 qm Grund und zehn Gebäude, davon drei gemauerte, op- fern würde. In der Debatte sprach Prof. Petro- vic von einem „Horror vor der Pla- nungsdauer" in Kitzbühel. Er wandte ein, daß für derartige Projekte häufig anderthalb Jahre genügten, gab aber nicht an, warum er für das Kitzbühe- ler Projekt (eben die Petrovic-Trasse) fünf Jahre gebraucht hat und dieses auch dann nicht umgehend verwirk- licht wurde. Sektionschef Dipl.-Ing. Dr. Otto Raschauer (Bautenministerium) erklärte der „Bürgerinitiative" in Inns- bruck, durch eine Umplanung der Tras se sei nur eine Phasenverschiebung von anderthalb bis zwei Jahren zu er- warten. Die Finanzierung sah der Sek- tionschef als nicht schwierig an. Die Führung des Uebereckverkehrs und die Einbindung des Felbert:auern- verkehrs durch das Hausertal sei zu lang und gefährde Naturschutzinter- essen am Schwarzsee, erklärte Profes- sor Petrovic weiters. Bgm. Reisch meinte, was Sektions- chef Raschauer in Aussicht gestellt ha- be, sei neu und wäre höchst erfeulich. Der Gemeinderat lasse sich gerne be- raten und alle würden sich freuen, von der u n i d e a 1 e n Lösung, als welche die Petrovic-Trasse vorn Ge- meinderat angesehen wurde, aber um der Lösung der Verkehrsprobleme wil- len doch erkämpft worden ist, wegzu- kommen. Entschieden wandte sicl der Bürgermeister gegen den versteckten Vorwurf, die Gemeinde betreibe Ge- heimniskrämerei. Seit 1932 liege eine Straßenführung in der vorgesehenen Weise im Rohkonzept vor, 1952 war diese Trasse im Verbauungspian voll eingezeichnet, seit 1958 diese Trasse öffentlich bekannt. Zweifel meldete der Bürgermeister hinsichtlich der Finanzierung der neu- en Konzeption an, wogegen die geneh- migte Petrovic-Trasse finanziell gesi- chert sei. Bgm. Reisch appellierte wei- ters an die Einigkeit der Kitzbüheler und an die Sachlichkeit. Der Gemeinde- rat ist für Untersuchungen und ist auch bereit, sich von einer Idee zu lö- sen. Abschließend schlug er vor, daß Gemeinderat u n d „Bürgerinitiative" gemeinsam beim Bautenminister vor- sprechen. Straßenreferent Stadtrat Peter 5 i e- b e r e r zeigte auf, wie man jahrelang noch nach Vorliegen des Detailprojek- tes nicht vorangekommen sei, er be- dauerte, daß der Planverfasser, der im April 1972 noch zum Projekt gestan- den ist, von seiner neuen Konzeption nicht umgehend den Gemeinderat, der - wie bekannt - gegen Innsbruck und Wien um eine vordringliche Lö-
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