Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 18 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 6, Juli 1974 75 Jahre Berufsschule in Kitzbühel In der vergangenen Woche feierte die Kaufmännische Berufsschule Kitzbühel den 75jährigen Bestand einer Fortbil- dungs- bzw. Berufsschule in Kitzbühel. Am Donnerstagnachmittag wurde in den Räumen der Berufsschule eine Aus- stellung eröffnet, die in mühevoller Ar- beit zusammengestellt worden war. Bei der Eröffnung konnte Berufsschuldirek- tor Leo Tschurtschenthaler den Landes- schulinspektor Gottfried Knab, die Di- rektoren mehrerer Pflichtschulen im Be- reich Kitzbühel sowie mehrere Lehr- herrn und Eltern begrüßen. En Schul- chor unter der Leitung von Oberlehrer Hugo Bonatti umrahmte die Feier. In seiner Ansprache beglückwünschte der Landesschulinspektor Lehrer und Schüler zu den erbrachten Leistungen und zu dem Fleiß, mit dem die Aus- stellung vorbereitet und gestaltet wur- de. Der besondere Dank galt Direktor Tschurtschenthaler. der im Zusammen- hang mit der 75-Jahr-Feier die Haupt- last der Arbeit trug. Direktor Tschurtschenthaler dankte im besonderen Oberlehrer Hermann Gruber für die Planung und Leitung der Vorarbeit, ein herzliches Danke sag- te er dem erfahrenen Helfer und künst- lerischen Berater Oberlehrer Walter Krabichler. der wesentliche Unterstüt- zung gewährte. Ein weiterer Dank galt Oberlehrer Hugo Bonatti. Nach der festlichen Eröffnung besich- tigten die Ehrengäste die Ausstellung. Im ersten Raum war an Schautafeln, die z. T. von den Schülern mitgestaltet waren, die Beruf stheorje abzulesen, aber es wurde auch ein Einblick in die Hefte und Skripten sowie in die Vor- bereitung der Lehrer gegeben. In der Halle waren Pokale von Lan- dessiegern, Beruf sschul - Bunde:sskimei- sterinnen. erfolgreichen Redewettbe- werbsteilnehmern und Lehrabschluj3- prüfungen zu sehen. An einer Weltkar- te waren Grußkarten und Briefe von Schülern aus aller Welt zu sehen, die davon Zeugnis geben, daf die Schüle- rinnen und Schüler mit „ihrer" Berufs- schule verbunden bleiben. Eine weitere Schautafel zeigte Ergebnisse von Be- fragungen ehemaliger Schüler und ei- nen Teil der Festschrift auf. In einer Vitrine waren Schaustücke, so der er- ste Katalog mit dem Namen des einzi- gen noch lebenden Schülers aus dem Gründungsjahr 1899-1900, Schlossermei- ster Hans Graswander, und ein Zeug- nis mit der Unterschrift von Franz Wal- de, zu sehen. Die Ausstellungskojen wa- ren teilweise von Schülerhand ausge- stattet, sie erwiesen sich als Blickfänge. Im ersten Stock der Berufsschule konn- te ein modernes Lehrbüro mit den Ein- richtungen für Maschinschreiben und Stenotypie vorgeführt werden. - Der weite Weg von den ersten Schreibma- schinen - ausgestellt war eine Vorläu- ferin der Kugelkopfmaschine aus dem Besitz von Vizebürgermeister Tagwer- ker - bis zu den Diktiergeräten kenn- zeichnet auch die Entwicklungsgeschich- te der Schule. Die Ausstellung in der Kaufmänni- schen Berufsschule blieb über das Wo- ciienende zugänglich, der Besuch war sehr gut. - Durch Führungen wurden von den Lehrern der Schule bestmög- liche Information geboten. Auch zahl- reiche Schulklassen aus dem Bezirk, vor allem von Hauptschulen und Polytech- nischen Lehrgängen, besuchten die In- formationsschau. Nach dem Festakt, der im Saal der Handelskammer abgewik- kelt wurde, kamen die Festgäste prak- tisch geschlossen zur Ausstellung. In einer würdigen Feier gedachte die Kaufmännische Berufsschule des Grün- ders der Fortbildungsschule, Direktor Franz Walde und der verstorbenen Di- rektoren Engelbert Lechner und Franz Gantner. An der Kranzniederlegung an den Gräbern der unvergessenen Direk- toren nahmen LSchI Knab, die früheren Direktoren Reg.-Rat Kaler und OSR Grissmann sowie der Lehrkörper der derzeitigen Schule sowie Angehörige der Verstorbenen teil. - Bericht über den Festakt folgt! Feuernotruf Tel. 122 nur für Ktzbühe Notruf Gendarmere TeL 133 Von der Gewerblichen Fortbildungsschule zur Berufsschule Von Hans Wirtenberger - 1. Fortsetzung Aus dem Jahre 1837 ist ein Zeugnis erhalten, das als Beweis des vorhandenen Bemühens um fachliche Fortbildung dienen kann. Es lautet.. Zeugnis. Daß Lorenz Puk, Lerner der Bierbrauerey bey Herren Johann Daimer, Bürger und Bierbrauer allda, anstatt des für Lehrjungen vorgeschriebenen Besuches der Feyertagsschule, vom Unterzeichneten in den betreffenden Wiederholungsgegenständen zu gelegentlichen Stunden den nöthigen Unter- richt erhalten wird, wird ihm hiermit bestätigt. Kitzbühel, den 16. July 1837, Lorenz Puk, Kooperator." Die Namensgleichheit ist zufällig. Der fortbildende Wiederholungsunterricht war 1816 durch Dekret der Studien-Hofkommission angeordnet worden. In Kitzbühel wurden keine Klassen eingerichtet, da dazu wohl die Zahl der Schüler zu gering war. Der Unterricht war aber Voraussetzung für die Freisprechung als Lehrling. Zünften, die ohne Wiederholungs- und Christenlehrzeugnis freisprachen, wurde eine Strafe von 30 Reichstalern angedroht. (Die österreichische Berufsschule, Ursprung und Werden, Heft 361-366 der Beiträge zur pädagogischen Psychologie). In der Zunfttruhe der „Siebenerlei Handwerker im Heimatmuseum Kitzbühel finden sich mehrere Zeugnisse, die zwischen 1795 und 1850 ausgestellt wurden (Freundlicher Hinweis von Kustos Martin Wörgötter). In der erwähnten Feiertagsschule waren in Kitzbühel ein Jahrzehnt vor der Gründung einer Fortbildungsschule 33 Buben und 53 Mädchen. Den Anstoß für die Fortbildungsschule gab Schulleiter Franz Walde, der seit 1892 in Kitz- bühel an der Volksschule tätig war. Bürgermeister Carl Cathrein war von der Idee nicht begeistert, weil er fürchtete, die Steuern erhöhen zu müssen, um die Schule zu finanzieren. Walde suchte daher die Hilfe der Wirtschaft. Er gab einem Tischlermeister einen Bogen Papier, mit dem er zu den Gewerbetreibenden ging, um ihre Zusage mit Unterschrift zu bestätigen, was allgemein als sehr wünschenswert befunden wurde. Somit konnte sich der Bürgermeister nicht mehr weigern, dem Gemeinderat das Gesuch vorzulegen (F. Walde, „Episoden aus Ortsschulrat, Gemeinderat, Heimatschutz und Verschönerungsverein", Manus- kript). Am 15. November 1898 wurde der Bürgermeister durch den Gemeinderat beauftragt, die zur Schaffung einer gewerblichen Fortbildungsschule nötigen Schritte einzuleiten. Im Jahre 1899 besuchte Walde den 5-monatigen Zeichenkurs für Fachlehrer an der Staats- gewerbeschule in Innsbruck. Mit Stolz vermerkte Walde „Im Herbst des nächsten Jahres sollte eine gewerbliche Fortbildungsschule errichtet werden. Die Anregung hierzu wurde vom Schulleiter gegeben, welcher nach längerem Bemühen endlich die für Kitzbühel so notwendige Einrichtung erzwingen konnte". (Schulchronik der Volksschule). Die Schule wurde am 1. Oktober 1899 eröffnet. Unterrichtet wurde - ausschließlich von Walde - elementares Freihandzeichnen, Geometrie und Geometrisches Zeichnen, Fachzeich- nen für mechanisch-technische Gewerbe, Geschäftsaufsätze und Gewerbliches Rechnen. Unterrichtszeiten waren: Sonntag von '2 10 Uhr bis 1/2 12 Uhr, Montag, Dienstag und Donners- tag jeweils von 5 bis 7 Uhr abends. Im ersten Schuljahr waren 51 Schüler eingeschrieben. Ihr Alter lag zwischen 14 und 32 Jahre. Sie lernten in sechs- bis siebensitzigen Schulbänken. Von den 51 Schülern waren 33 Lehrlinge. Zahlenmäßig an der Spitze lagen die Maurer (9) vor den Schneidern (5), den Schlossern (4) und den Zuckerbäckern (3). Zwei Lehrlinge waren Zimmerer, ebenfalls 2 Binder, je einen Schüler stellten folgende Lehrberufe: Weiß- gerber, Rotgerber, Metzger, Fotograf, Tischler, Schweizer und Goldschmiede. Lediglich ein Schüler war Handlungslehrling. Das echte Interesse für eine Fortbildungsschule bewiesen folgende Schüler: 1 Müllermeister, 1 Müller-Geschäftsführer, 3 Bahnarbeiter, 3 Bergarbeiter, je 1 Maurergehilfe, Schuhmachergehilfe und je 2 Wagner-, Schlosser- und Bäckergehilfen. Auch ein Schreiber vom Notariat und ein Bergamtskanzlist besuchten im ersten Jahr die Schule. „Die am 30. April 1900 zur Ausstellung gelangten Zeichnungen wurden von den Genossen- schaftsvorständen und den Herren Bürgermeister und Ortsschulaufseher besichtigt und dieselben sprachen sich über die Leistungen sehr lobend aus. Im kommenden Schuljahr wird der II. Curs eröffnet werden" (Franz Walde in der Volksschulchronik). (Fortsetzung folgt)
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