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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 19. Jänner 1974 dem Winterurlaub neue Impulse zu verleihen. Konsequenz: Die Eisenbahn war be- reits einmal ein hervorragender Part- ner des Tourismus. Leider hat sie sich vom Flugzeug und von der Straße als Transportbehelfe den Markt aus der Hand nehmen lassen. Einfallslos und inaktiv beweinte man den Rückgang des Passagiergeschäftes. Daß die Erhö- hung der Tarife kein geeignetes Mittel zur Kompensation des Einnahmeausfal- les sein kann, wurde im Colloqulurn be- stätigt. Für die Kurzstrecke, aber noch besser für die Mittelstrecke (bis ca. tau- send Kilometer) könnte der Zug wieder ein hervorragendes und überdies um- weltfreundliches Transportmittel wer- den. Schnelle Direktverbindungen und eine zeitgemäße Ausstattung der Reise- züge mit ausreichendem Speiseraum und Schlafräumen, mit Gesellschafts- räumen, Fernsehen und Kino (auch in Flugzeugen ist es auf kleinstem Raum möglich), mit Tanzbar etc, könnten ei- nen beachtlichen Prozentsatz der Rei- senden wieder auf die Schiene bringen. Die Äerzteschaft ist noch viel zu we- nig e nig dafür gewonnen, den Winterurlaub, welcher absolut nicht mit einem aktiven Sporturlaub identisch sein muß, als Er- holungs- und Gesundheitsaufenthalt zu empfehlen. Diese Tatsache ist eine Unterlassungssünde, welche möglichst rasch aufgeholt werden muß. Nachdem der Zweiturlaub in der Industriegesell- schaft bereits großteils verwirklicht werden kann, wären über die Medizin neue breite Schichten für einen Winter- urlaub zu gewinnen. Im Rahmen des Colloquiums war es auch interessant, zu hören, daß die' fran- zösischen Orte über 1700 und 1800 m errichtet wurden, weil unter dieser Seehöhe in den französischen Alpen überhaupt keine Schneesicherheit gege- ben ege ben ist. Aus dieser Not hat die franzö- sische Werbung allerdings geschickt ei- ne Tugend gemacht und die hohen Orte als die einzige schneesichere Winter- sportmöglichkeit hingestellt. Dagegen ist österreichischerseits der Beweis zu führen, daß im zentralen und östlichen Teil der Alpen auf Grund des atlanti- schen Einflusses in wesentlich niedrige- ren Lagen die Schneesicherheit gegeben ist. - Ein besonderer Vorteil in der niedri- geren Seehöhe, z. B. unter 1000m, liegt auch in dem Umstand, daß viel breitere Altersschichten für einen Winterurlaub angesprochen werden können. Der Er- holungsfaktor ist mehr ins Treffen zu führen, Zu einer ausgezeichneten Werbung gehört ein ausgezeichnetes Service am Gast. Ein wesentlicher Teil eines guten Services ist die Sorge um die Sicherheit des Wintersportgastes. Ich meine da- mit vor allem einen präzisen Lawinen- dienst, einen wahrheitsgetreuen Wetter- dienst und einen schlagkräftigen Pisten- rettungs- und Bergrettungsdienst. Die Sicherheit ist dem Wintersportgast sehr viel wert und eine innerliche Be- ruhigung, die bei der Wahl des Winter- sportlandes für seinen Urlaub eine aus- schlaggebende Rolle spielt. Dr. Otto Schimp vom Amt der Tiro- ler Landesregierung konnte als Fach- mann anläßlich des ersten internatio- nalen Colloquiums wichtige Aufschlüsse über die obigen Punkte, insbesondere der Sicherung von Skigebieten gegen Lawinen, gewinnen. Die örtliche Sicher- heit liegt in Frankreich im Verantwor- tungsbereich des Bürgermeisters. Die Pistensicherung, Absperrung und Mar- kierung sowie der Warndienst sind ähn- lich den in Oesterreich, geltenden Usan- cen geregelt. Für die künstliche Lawi- nenauslösung wird in einigen exponier- ten Orten nach neuen Wegen gesucht. Z. B. durch das Vergraben von auslös- baren Sprengladungen vor der Winter- saison. Betreffend der Finanzierung beteiligt sich das Departement an die- ser wichtigen Aufgabe entscheidend. - Der Pistenrettungsdienst ist in den gro- ßen Orten auch amtlich organisiert. Vorteile der Wintersportorte zweiter und dritter Generation. Ob der aufgezeigten Nachteile der französischen Reißbrettorte darf man nicht darüber hinweggehen, daß auch große Vorteile damit verbunden sind. Diese liegen vor allem in der ungehin- derten Planung. Alle Transportmittel können so angelegt werden, wie sie am zweckmäßigsten sind. Auch in der Aus- dehnung der mechanischen Aufstiegs- hilfen sowie in der Anlage von Unter- künften kommt es zu keinen Kompro- missen und kann fast immer die Maxi- mallösung durchgezogen werden. ZUSAMMENFASSUNG und VORSCHLAGE Die zahlreichen Expertenvorträge, die in die Tiefe gehenden Diskussionen und zahlreichen Einzelgespräche ergaben für Frau Direktor Schmid, Dr. Schimp und mich die Folgerung, daß die Anwe- senheit und Teilnahme einer offiziellen österreichischen Delegation von großem Wert war und dieses internationale Colloquium eine Fortsetzung erfahren soll. Ich erlaube mir daher, einige Feststel- lungen und Vorschläge zum Abschluß meines Berichtes zu unterbreiten. Oesterreich als Winterurlaubland liegt mit seiner Fremdenverkehrsentwicklung und mit seiner Fremdenverkehrspolitik gut. Zahlreiche Probleme, mit denen sich andere Länder, insbesondere das Gastgeberland Frankreich, konfrontiert sehen, sind bei uns bereits zufrieden- stellend gelöst. Tatsache ist, daß Oester- reich nicht den Weg der Reißbrett-und Retortenzentren gehen muß, sondern im historisch gewachsenen Dorf und Städtchen des ländlichen Raumes auch in Zukunft seine große Chance sehen darf. Die zweifellos persönliche Note, welche unsere von einer einheimischen Bevölkerung getragenen Orte ausstrah- len, sollte in Zukunft noch mehr in den Vordergrund gestellt werden. - Der Mensch sucht in seinem Urlaub immer mehr der Anonymität zu entfliehen und dem Menschen zu begegnen. Dies kann er zweifellos in Oesterreich besser als irgendwo anders. Auf diesen Umstand wird sich nicht nur die Landespolitik, sondern vor allem auch die Politik der Bundesregierung, konzentrieren müs- sen. Eine solche Politik verstehe ich in Richtung einer maßvollen Steuerbela- stung der Fremdenverkehrswirtschaft, da ansonsten der österreichische Frem- denverkehr, trotz seiner Vorteile und Vorzüge, aus Preisgründen der Konkur- renzfähigkeit verlustig gehen könnte. Hinsichtlich der österreichischen Frem- denverkehrswerbung nah außen wird eine wesentlich höhere Dotation durch Bund, Länder und Kammer zur erfolg- reichen Erfüllung der immer diffizile- ren Aufgaben notwendig werden. Die Werbeschlacht um den Gast wird in Zukunft nicht allein von der Menge des bedruckten Papiers abhängen, son- dern vom vermehrten Einsatz des Men- schen. Ich möchte daher meinen Vor- schlag, den ich, anläßlich der Außenstel- lenleiterbesprechung in Innsbruck im Herbst 1973 machte, neuerlich wieder- holen. Dieser sieht vor, daß man, mit den wichtigsten Außenstellen begin- nend, den Direktoren je eine geschulte junge Kraft (Ausbildung Handelsschule, Handelsakademie, Ho'te'lfachschule) zur Verfügung stellt. Eine derartige Kraft müßte als permanenter Reisender und Vertreter in Belangen öst.errei&iischer Fremdenverkehr gedacht sein und im jeweiligen Dienstbereich die kleinen Reisebüros, große Firmen, Clubs, Ver- eine, Veranstalter etc, mit spezifischen Angeboten und Informationen ständig versorgen. Die eklatanten Vorteile aus einem solchen Schritt wären die inten- sivere Bearbeitung des Marktes, welche dem Außenstellenleiter allein unmöglich ist, sowie die Heranziehung eines geeig- neten Nachwuchskaders für die öster- reichische Fremdenverkehrswerbung. Nebst der Werbung nach außen soll- te auch die Werbung nach innen inten- siviert werden. Ich meine damit die in- tensivere Werbung um den Oesterrei- cher für das österreichische Ferienland. Eine große Unterstützung in dieser Richtung könnte der Oesterreichische Rundfunk bzw. das Oesterreichische Fernsehen sein. - Verhandlungen mit dem Fernsehen betreffend eine inländi- sche Fremdenverkehrssendung wären aufzunehmen. Sie hätte nicht die Auf- gabe, einen Preis- und Konkurrenz- kampf zu entfachen, sondern dem Öster- reicher sein Österreich, das er großteils nur unzulänglich kennt, als Urlaubs-, Sport-, Kultur- und Erholungsland nä- herzubringen. Es gibt kaum ein Land in
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