Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 19. Oktober 1974 Kitzbüheler Anzeiger Seite 15 Was Kitzbühel nicht tun soll! Auf meiner Schweizer Reise besuch- te ich unter anderem die weltbekann- ten Orte Montana und Crans, gelegen auf einem 1600 bis 1700m hohen Pla- teau und einer Ausdehnung von einer guten Gehstunde mit hocheleganten Neubauten mit eleganten Läden und Boutiquen, wie man sie nur in London und Paris sieht. Diese Orte sind aller- dings von unzähligen Appartements und Eigentumswohnungen verschandelt wor- den. Auch Hochbauten sind entstanden und verunzieren die sonst so schöne Landschaft. Die Schweizer schimpfen und entrüsten sich, haben aber keine gesetzliche Handhabe, um den nur Ge- schäfte machenden Gesellschaften, die keine Rücksicht auf Umweltverschmut- zung nehmen, den Bau von solchen Gei- sterburgen zu verbieten! Bei uns be- steht wohl ein Gesetz, aber trotz alle- dem wird noch weiterhin spekuliert und manipuliert! Montana und Crans haben für den Winter Aufstiegshilfen bis 3000 m, aber nur Südhänge. Dafür sind ihre Golf- plätze weitbekannt und werden wegen ihrer herrlichen Lage und einmaligen grandiosen Blick auf die Walliser Eis- riesen, gekrönt vom Montblanc vom internationalen Publikum bevorzugt. - Das Wallis mit dem Hauptort Sion ist besonders reizvoll, mit seinen Weinber- gen, Schlössern und Burgen erinnert es sehr an Meran und sein Fondant wird von Weinkennern besonders geschätzt. Nicht nur alle Hänge bis ca. tausend Metern, auch der Talgrund ist übersät mit Rebstöcken und Obstbäumen. - Selbst jeder Schotterhaufen ist mit Wein bepflanzt! Und da denke ich an die Schottergrube in Oberndorf, die als eine Narbe in dem sanften Hügelgelän- de von Bichlach wirkt. Wenn man dort schon keinen Weinbau betreiben kann, so wäre es doch höchste Zeit, die abge- bauten Schotterhänge zu begrünen. Im Tale gegenüber von Montana er- reicht man durch tiefe Schluchten und schwindelige Abstürze das Zinaltal mit dem herrlichen Abschluß, den das über 4000 m hohe, stolze, eisgepanzerte Zinal Rothorn bietet. In diesem herrlichen romantischen Hochtal ist alles belassen wie vor hunderten Jahren. Selbst die schon längst nicht mehr benutzten Heu- stadeln müssen erhalten bleiben und stehen unter Denkmalschutz. Und da erhebt sich die Frage, ob den Fremden nicht das ursprüngliche, althergebrachte mehr gefällt als die hypermodernen Orte wie Montana! Man kann nicht genug darauf ach- ten, Kitzbühel zu erhalten wie es ist. Ich weiß in dein Alpen keinen bekann- ten Fremdenplatz, der ein so mittelalter- liches Städtchen besitzt und den Groß- städtern einen solch besonderen Anreiz bieten kann. So wollen wir unser Stadtl als kostbares Juwel pflegen! Und da planen junge Wirrköpfe, Häuser der Innenstadt niederzureißen und mit ei- ner Brücke das über der Ache liegende Villenviertel mit der Innenstadt zu ver- binden. Das kann und darf nur Utopie sein! Und noch etwas ist charakteristisch für die Schweiz. Man ist dort auf den Fremdenverkehr total eingestellt. Die Regierung und maßgebende Kreise un- terstützen nach besten Kräften und mit viel Verständnis das Hotel- und Gast- gewerbe! Weiters ist symptomatisch, daß die Schweizer im Lande bleiben und das Geld als Patrioten in der Hei- mat ausgeben, während man bei uns durch intensivste Reklame versucht, die Oesterreich, so sagt auch der Eng- länder, ist als Urlaubsland teuer gewor- den! Trotzdem hält es für den Winter- urlaub noch immer die Favoritenrolle. Warum dies? Neun von zehn Befragten gaben spontan dieselbe Antwort: „Es ist die einmalige Atmosphäre. Wir, füh- len uns in Oesterreich irgendwie gebor- gen, man könnte fast sagen zu Hause." Meinungsäußerungen wie diese tun wohl und man verflucht in solchen Au- genblicken jene Mitbürger, die zwar auch vom Fremdenverkehr leben, mit den Gästen aber manchmal umgehen, als ob es unerwünschte „Eindringlinge" wären. Erfolgsentscheidende Antworten soll- te man auswerten. Um sie besser be- greifen zu können,, muß man sie analy- sieren. Was versteht der Engländer un- ter dem Ausdruck österreichische At- mosphäre? Er findet sie im Kontakt mit der Bevölkerung, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, in der Musik, im Baustil besonders in Tirol, typische Einrichtungen wie Bier- haus, Weinstube, Kaffee-Konditorei ge- hören ebenso dazu wie das Brauchtum und kulturelle Veranstaltungen. Auf derWunschliste der Jugend stehen preis- günstige Tanzunterhaltungen naturge- mäß im Vordergrund. Der Skiurlauber tanzt aus der Reihe bei den „ Ferienmachern". Der Skifah- rer ist meistens, was den Skilauf be- trifft, ein „Süchtiger" und wird daher wenn es sein muß - eher auf den Sommerurlauber verzichten. Läßt er sich beraten, so gilt die' erste Frage nicht der Sonnenschejndauer, sonddrn er will wis- sen, wie hoch der Ort liegt und ob in diesem Zusammenhang die Schineelage gesichert ist. In der Wahl werden im allgemeinen kleinere Orte den größeren vorgezogen. Im Skidorf findet man noch eher Kontakte mit der Bevölkerung und ist noch Gast und keine Nummer. Au- ßerdem sind sie preisgünstiger. Wenn auch nicht alle. Oesterreicher zu Reisen in die entfern- testen Länder der weiten Weit zu, ver- anlassen! Die Schillingaufwertungen haben auch nicht zum Verbleiben der Oesterreicher im Inland beigetragen. Zum Schluß sind wir neugierig, von unserer Regierung zu erfahren, ob man für die Fremdenverkehrswirtschaft nicht mehr Interesse und Unterstützung ent- gegenbringt und scheinbar auf steigen- de Deviseneinnahmen keinen zu großen Wert legt, im Gegensatz zu den östli- chen und westlichen Ländern, bemüht ist, den Fremdenverkehr zu intensivie- ren! Es besteht nur die Hoffnung, daß sich die Einsicht durchringt und für die Belange des Fremdenverkehrs wieder- um mehr Verständnis entgegengebracht wird. E. K. Kitzbühel war seit Jahrzehnten das vielgeliebte Winterkleinod der Englän- der. Meinen heutigen Bericht über mein Heimatstädtchen schreibe ich mit ge- mischten Gefühlen. Mir ist dabei gar nicht „jubelig" zumute. Man spricht zwar über Kitzbühel, aber man denkt dabei an einen versnobten Wintersport- ort, in dem sich die „oberen Zehntau- send" bewegen. Um in Kitz einen Ur- laub machen zu können, müßte man eben Bankier, Filmstar oder Oe'lmagnat sein. Oder ein Miß-Sternchen. Auch das ist schon bekannt. Seit Jahren und nicht nur in England verfolgt uns dieses ungute Image, das zahlreiche Urlauber abhält, Kitzbühel zu öesuchen. Sicher wird es auch einige geben, die gerade deshalb nach Kitzbü- hel kommen, aber ihre Zahl steht si- cher in keinem Vergleich zu jener, die aus diesem Grunde fernbleiben. - In Oesterreich gibt es genug Plätze', die ebenso teuer, wenn nicht teurer wie Kitz sind. Zum Beispiel St. Anton, Zürs, Lech, Obergurgl, um nur einige' zu nen- nen. Trotzdem wurden sie in keinem der Gespräche als versnobt bezeichnet. Wir müssen vereint versuchen, dieses Image loszuwerden. Ein Ort mit viel Unterhaltungsmöglichkeiten muß nicht versnobt sein. Freilich sollte man auch bei Veranstaltungen besser selektieren. Ob zum Beispiel in der Woche des Hah- nenkammrennens eine Miß-Wahl not- wendig und für das Image von Kitzbü- hel günstig ist, sei dahingestellt. Winterurlaub - Schneelage. Wie schon erwähnt, spielt bei der Ur'- laubsplanung die Schneelage, eine we- sentliche Rolle. Es ist sinnlos, den Be- suchern dieses Büros zu erklären, daß die Schneelage Kitzbühels trotz der ge- ringen Höhe ausgezeichnet ist. Es glaubt nämlich niemand. Um diese Ungläubi- gen zu überzeugen, bräuchte man hand- feste Beweise, etwa in der Form einer England im Blickpunkt des österreichischen Fremdenverkehrs Ein Bericht aus London von Karl K o 11 e r - II. Teil
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