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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 26. Jänner 1974 Vor 20 Jahren starb der Kitzbüheler Dramatiker Raimund Berger Am 21. Jänner 1954 erfüllte sich eines der eigenartigsten Künstlerschicksale in- nerhalb der neueren österreichischen Li- teraturgeschichte: Raimund Berger starb im Alter von 37 Jahren - zu einem Zeit- punkt, als sich seine künstlerische Ent- wicklung eben abzuklären begann, auf einer Entwicklungsstufe, die zu den schönsten Hoffnungen berechtigte. So er- scheint die Reifung Raimund Bergers auf wenige Jahre dicht zusammengedrängt. Er, der bekanntlich durch einen tragi- schen Skiunfall und damit verbundener Lähmung körperlich sehr behindert war und der schließlich, nach mehreren Nie- renoperationen, an Urämie starb, galt als die große dramatische Hoffnung der Nachkriegszeit. Als Raimund Berger 1949 eine Studio- aufführung eines seiner dramatischen Erstlinge, der Kindertragödie „Papier- blumenfrühling", erlebte, war in seiner Entwicklung eine Weiche gestellt, die ihn spontan in die richtigen Geleise, das heißt in ein entsprechendes dramatisch- technisches und theaterpraktisches Ver- ständnis brachte. Er, der durch seine Be- hinderung bis zu diesem Zeitpunkt kaum Kontakt mit dem Theater gehabt hatte, wird durch die ihm ermöglichte Selbst- kontrolle in der Bühnenrealisation eines eigenen Stücks unmittelbar mit der Thea- terpraxis konfrontiert. Obwohl schon mit seinen Erstlingen - etwa dem Stück „Der verwundete Engel" (Uraufführung 1951) - offenbar geworden war, daß er ein ausgesprochenes Theatertalent be- sitzt, ist es doch ein ganz entscheidend anderer Weg, den er mit seinen näch- sten Stücken - den Komödien „Zeitge- nossen" und „Da Reich der Melonen" be- schreitet. Waren seine bisherigen Ver- suche irgendwie papieren gewesen und bestenfalls als Lesedramen brauchbar, stellte er nun Handlungen und Figuren auf die Bühne, die „lebten", die also büh- nentechnisch voll realisierbar waren. (,‚Zeitgenossen" wurde ebenfalls 1951 aufgeführt.) Nichts mehr zu spüren von enger Schablone, nichts mehr von blo- ßem Stationend rama, sond rn bezie- hungsreiches Ausspielen von Charakte- ren. Kein Wunder, daß die Kritik voll des Lobes war. Der gefürchtete Theaterkriti- ker Hans Weigei (Wien) war es, der von einer „seltenen Begabung zum Verferti- gen von Theaterstücken" sprach. (Weigel ist es auch, der noch heute keine Ge- legeinkeit versäumt, den Namen Raimund Berger besonders hervorzuheben.) Und Otto Breicha, Herausgeber der Stücke, spricht davon, daß Berger „der rare Fall eines instinktiven Dramatikers" sei. Bergers nächstes Werk, die Vers- komödie „Jupiter und Jo" (Der Schelm von Limburg) - 1952 im Wiener Volks- theater uraufgeführt, zeigt noch deutli- cher die Reifung. Alles wirkt nun wie aus einem Guß, wird vor allem Bergers For- derung nach einem „Theater des Leben- digen" gerecht und auch seiner Ansicht, „daß es der Charakter ist, der das Schick- sal schafft, es meistert oder an ihm zer- bricht." Verborgene Tragik, hintergründi- ge Skepsis - alles das, was für Raimund Berger so typisch ist - kommt nun zum Tragen. Es zeigt sich aber auch, daß die frühen Vorbilder, die von Kleist über Büchner zu Brecht führen und weiter zu Giraudoux, ja selbst bis zu lonesco wei- sen, abgestreift sind und Berger „er selbst" wird. Schließlich wird auch klar, daß er sich gegen jede ideologische oder bloß denkspielerische Konstruktion stellt. Deshalb wohl wirken seine Charaktere so lebendig, scheint alles sosehr aus dem Leben gegriffen. In diesem Sinne ist Berger Realist par excellence. Im höch- sten Maße eigenartig, daß sein eigenes körperliches Gebrechen - sein Schick- sal also - wie ausgeklammert blieb. Er, der so viel zu erdulden hatte, schreibt nicht „Dialoge des Weltschmerzes", son- dern vornehmlich Komödien. Auch in die- sem Sinne erscheint uns Berger ganz ungewöhnlich. Was ihm im realen Leben versperrt bleibt, schafft er sich mit sei- nem Theater auf seiner ideellen Bühne. Es ist wie die gütige zweite Hand des Schicksals, daß er praktisch immer die volle Zustimmung der Kritik erfuhr. Zu- mindest dies war ihm beschieden! Krö- nung seiner Erfolge war freilich die Ver. leihung des Oesterreichischen Staats- preises (1951). - Bergers letztes und reifstes Werk „Die Ballade vom nackten Mann" erlebte seine Uraufführung 1952 im Rundfunk, als Bühnenaufführung 1953 in Bonn, dann (1954) in Wien - wenige Tage vor seinem Tod. Raimund Bergers Wollen als Künst- ler und Dramatiker läßt sich am besten durch seine eigenen Worte wiedergeben. Befragt, was dem Theater in seiner Krise wieder auf die Beine helfen könnte, ant wortete er: „Die den neuen Aufschwung bringende Tat des Künstlers liegt in der Abkehr vom Spekulativen und in der Ent- scheidung für das blutvoll Lebendige. Das bedeutet ein ebenso vorbehaltloses Bekenntnis zum Allzumenschlichen, zu Verwirrungen und Schwächen, zur Zer- rüttung einer Persönlichkeit und ihren Versagen, wie ein Bekenntnis zu unserer Sehnsucht nach Vollkommenheit und ur- serem Glauben an eine höhere Wel:. Schließlich findet jedes Kunstwerk da- durch seine wirkliche Bedeutung, daß ihm gewissermaßen eine zweite höhere Aussage innewohnt. Hier besteht eine starke Bindung der Kunst zum Kultischen bzw. Religiösen." Seit einigen Jahren ist es um das Werk Raimund Bergers sehr still geworden.Neue dramatische Maßstäbe (Peter Handkes Sprechstücke, Wolfgang Bauers Dialekt- stücke usw.) wollen das Bewährte ver- drängen. Aber gewiß greift man eines Tages auf Raimund Bergers Werk zu- rück, weil in seinen Stücken etwas wie ein „Jungbrunnen des Theaters" zu spü- ren ist - eben das, was er selbst als das „Theater des Lebendigen" bezeich- net hat. Er war kein Modedramatikr, und darin liegt seine Chance. Hugo Bonatti Deutsche Bauernmesse der Mitterhögl-Sänger Zu einem innigen Gottesdienst gestal- tete sich die für die lebenden und ver- storbenen Krippenfreunde gefeierte Krippenmesse am Dreikönigsabend. Die Mitterhögl-Sänger brachten die Deutsche Bauernmesse in der Quartett- besetzrng (Andre Feiler, Josef Feiler, Helmut Dienz und Josef Mitterer) zur Aufführung; die Zitherbegleitung be- sorgte Hans Hechenberger. Trotzdem die Kirche überfüllt war, herrschte atem- lose Stille. Alle waren begeistert von dem reinen, dem Volksliedcharakter entspre- chenden schlichten Vortrag der Lieder. Die volkstümlichen Harfenweisen (Har- fe: Annelies Brandstätter) ordneten sich harmonisch als passende Zwischenmu- sik dem Meßgeschehen ein. Die wohltuende Stille während der gan- zen Messe war gleichsam ein Wider- schein der Andacht und Ergriffen ieit der heimischen und als Gäste hier wollenden Meßbesucher. Die „Bauernmesse" war als Krippenmesse besonders passend, da ja Anette Thoma aus den ihr bestens bekannten Hirtenlidern des Alpenraumes die passenden Weisen aussuchte und sie mit einem der Meßliturgie entspre- chenden Wortschatz versah. Die „Deut- sche Bauernmesse" entstand 1933. Sie war für die „Riedringer Sänger" ge- schaffen worden. Niemand ahnte damals, daß die schlichte Messe ihren Weg neh- men sollte zu kleinen, stillen Meßfeiern in weit entfernte Dorfkirchen und Berg- kapellen, beim Engelamt, in der Heili- gen Nacht. Aber sie wurde auch weit fortgeholt in Klöster und Krankenhäuser, in Lager und Gefängnisse, zur Fürsten- hochzeit wie zur Kriegstrauung. So war auch die Aufführung in der Pfarrkirche Kitzbühel allen Teilnehmern der Krippen- messe ein tiefes Erlebnis. So braucht nicht extra erwähnt zu werden, daß das weihnachtliche Turmblasen vom Turm der Frauenkirche durch das Quartett der Stadtmusik wiederum unter der Lei- tung von Andre Feiler - im Anshluß an die hl. Messe einen willkommenen Ab- schluß des besinnlichen Abends bildete. Den Mitterhögl-Sängern und den Turm- bläser sowie dem Krippenverein Kitz- bühel als Veranstalter herzlichen Dank! Feuernotruf Tel. 12 2 nur für Kitzbühel Rettunn (Rotes Kreuz) Tel. 144 Notruf Gendarmerie Tel. 133
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