Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 22. März 1975 Tollwut und Wundstarrkrampf Themen eines gelungenen Fortbil- dungsabends der Aerzte und Veterinär- mediziner von Tirol-Unterland am 21. Jänner 1975 im Rehabilitationszentrum Bad Häring. Da in letzter Zeit im Gebiet Tirol, Salzburg und Bayern sich die Meldun- gen über tollwuterkrankte Wildtiere ge- häuft haben und bereits mehrfach die Möglichkeit von Infektionen beim Men- schen zur Diskussion stand, war es zwei- fellos ein guter Gedanke, dieses Thema im Rahmen eines Fortbildungsabends der Aerzte von Tirol - Kitzbühel und Kufstein - zu behandeln. Für diesen Zweck bot sich der Vortragssaal des vor kurzem eröffneten Rehabilitationszen- trums Bad Häring bei Kufstein als ange- messener und ansprechender Rahmen an. Wichtig erschien hier die Aussprache mit den Veterinärmedizinern dieses Ge- biets, da gerade sie mit diesem Problem- kreis aus spezieller Sicht befaßt sind. Zu einem Fachvortrag wurde Herr Doz. Dr. med. Reinhardt (Immuno AG Wien) eingeladen. Als Einleitung zur Demonstration der Verhaltensweise tollwütiger Wild- und Haustiere wurde von Herrn Dr. med. vet. Much Kitzbühel - ein ungemein instruktiver Farbtonfilm vorgeführt. So z. B. war sehr eindrucksvoll zu sehen, wie tollwütige Füchse die Scheu vor dem Menschen verlieren, wie Haustiere unter schweren Lähmungserscheinungen mit Speichelfluß und plötzlichem Zusam- menstürzen reagieren und wie der Krankheitsnachweis beim Tier mit Hilfe moderner Laboratoriumsmethoden (Im- munfluoreszenzmikroskopie von Ge- hirnschnitten) heute mit großer Schnel- ligkeit und Sicherheit durchgeführt wer- den kann. Im anschließenden Vortrag von Doz. Dr. Reinhardt - der von den veterinär- medizinischen Aspekten ausgehend - den Uebertragungsmodus der Krank- heit auf den Menschen, die Epidemiolo- gie der Tollwut und die Möglichkeiten der heute aktuellen Vorbeugung zum Gegenstand hatte, wurde besonders auf die Problematik des praktischen Arztes Rücksicht genommen. Die Tollwut (Lyssa) ist eine Infek- tionskrankheit, deren Vorkommen ent- sprechend den Statistiken der Weltge- sundheitsorganisation in etwa 90 Län- dern der Erde gesichert ist. Man schätzt, daß jährlich 3000 bis 6000 Menschen an dieser Seuche (Zoonose) sterben. Der Erreger - 1881 von Pasteur entdeckt - ist ein Virus, das im Wildtierreservoir zirkuliert und von dort auf Menschen, sei es durch Bißverletzungen oder durch Einbringung von virushältigem Material in Wunden, übertragen wer- den kann. Es wurde daher auf die Notwendig- keit der sofortigen Meldung von Ver- dachtsfällen an die zuständigen Behör- den (Amtstierarzt, Gendarmerie) hinge- wiesen, ferner auf die Vorsichtsmaßnah- men bei der Bergung verdächtiger Tier- kadaver. Dem praktischen Arzt kommt bei der Vorbeugung gegen die Toilwutinfek- tion beim Menschen eine bedeutungs- volle Aufgabe zu. Da der Toliwuterreger empfindlich gegen Wärmeeinwirkung und Alkalien ist, können durch Spülun- gen mit heißer Seifen- oder verdünnter Formaldehydlösung bereits wirkungs- volle Schritte der Erstversorgung ge- macht werden. Die Anwendung eines neuentwickel- ten Anti-Rabies-Immunglobulins stellt eine weitere vorbeugende Maßnahme dar. Es handelt sich um ein spezifisches Toliwut-Immunglobulin menschlichen Ursprungs, welches das bisher übliche, jedoch mit unangenehmen Nebenwir- kungen verbundene tierische Tollwut- serum ersetzt. Das Präparat kann um und unter das Wundbett injiziert oder als Trockenpulver in die Wunde einge- streut werden, wird reaktionslos vertra- gen und stellt eine wirksame Blockade gegen die Virusinfektion dar. Unabhängig davon soll vom behan- delnden Arzt die Vorgeschichte der Tier- verletzung möglichst genau geprüft wer- den, die Sicherstellung des verdächtigen Tieres in Zusammenarbeit mit dem Amtstierarzt und dem Sanitätsdienst veranlaßt und unverzüglich das nächst- gelegene im jeweiligen Bundesland vor- gesehene Beratungs- und Impfzentrum für Toliwutbekämpfung verständigt werden. Dort wird dann über die wei- teren Vorbeugungsmaßnahmen, etwa eine Impfung mit Tollwutimpfstoff in oder ohne Kombination mit Anti-Ra- bies-Immunglobulin entschieden. Ein ebenso aktuelles Thema stellt die Prophylaxe des Wundstarrkrampfes dar, weil, wie die Statistik zeigt, nur ein Teilt der Bevölkerung in der Kindheit oder in späteren Jahren eine vollständige Grund- immunisierung gegen Tetanus erhalten hat und weil auch die Zahl von tetanus- gefährdeten Verletzungen gerade in Ge- bieten mit vorwiegender Land- und Forstwirtschaft relativ groß ist. Da es andererseits nicht voraussehbar ist, ob eine Wunde tetanusgefährdet ist oder nicht, beinhaltet praktisch jede Verlet- zung ein unkalkulierbares Tetanusrisiko. Die Natur des Tetanuserregers, eines sporenbildenden Erdkeimes, der unter Luftabschluß ein neurotoxisches Toxin bildet, bedingt, daß selbst bei Bagatelle- verletzungen, besonders wenn Kontakt mit Erde oder Tierkot vorliegt, Infek- tionen auftreten können. Die beste Vorbeugung stellt zweifel- los die schon erwähnte Grundimmuni- sierung dar, eine dreiteilige Injektions- serie, die in jedem Lebensalter durch- geführt werden kann und durchaus pro- blemlos ist. Sie bietet einen nahezu ab- soluten Schutz für fünf, wahrscheinlich zehn Jahre. Falls eine Verletzung bei einem nicht geschützten Patienten unter Bedingungen auftritt, die eine Tetanus- gefährdung wahrscheinlich macht, kann ein ebenso sicherer sofort wirksamer Schutz durch Injektion von Tetanus - Immunglobulin (human) erfolgen. Be- sonders in Kombination mit Tetanus- vakzine (Simultanimpfung) darf heute die Injektion von Tetanus-Immunglobu- lin als die Standardmethode der Tetanus- prophylaxe angesehen werden. Dies gilt auch für Patienten, die geschützt wer- den sollen und bei denen eine Impf- dokumentation nicht vorliegt. Im Falle von übergewichtigen Patien- ten oder besonders gelagerten Fällen (z. B. nicht vollständig entfernbarer Fremdkörper) können aus Sicherheits- gründen höhere Dosen von Tetanus-Im- munglobulin human angewendet wer- den. Der Schutz, der durch dieses Verfah- ren dem Verletzten geboten wird, ist nahezu 100 0/oig. Versager dieser Prophy- laxe sind in sehr seltenen Fällen be- schrieben worden, wenn die Wundver- sorgung bzw. die damit verbundene Prophylaxe verspätet erfolgt (überalterte Wunden). Hier kann nicht ausgeschlos- sen werden, daß sich der Patient bereits in einem nicht erkennbaren Zustand fortschreitender Infektion ohne klini- sche Zeichen befindet. In diesen Fällen sind u. U. noch höhere Dosen empfeh- lenswert. Abschließend ging der Vortragende kurz auf die Möglichkeiten der moder- nen Tetanusbehandlung ein. Es kam zur Sprache, daß die heute hochentwickelten Verfahren der Intensivtherapie zu aus- gezeichneten Resultaten geführt haben. Die Kombination mit intravenös an- wendbarem Tetanus-Immunglobulin, das im Verlauf des letzten Jahres zuneh- mend eingesetzt worden ist, hat Ergeb- nis erbracht, die zu weiteren Hoffnun- gen auf dem Gebiet der mit einer hohen Sterblichkeit belasteten Tetanuserkran- kung berechtigt. In der anschließenden Diskussion, die sich trotz der vorgeschrittenen Stunde entwickelte, kam die Fachkenntnis und praktische Erfahrung der beteiligten Aerzte, aber auch das lebhafte Inter- esse an den behandelten Themen und der Problematik zum Ausdruck.
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