Archiv Viewer
Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Samstag, 10. Mai 1975 Kitzbüheler Anzeiger Seite 7 Festliche Wappenverleihung in Oberndorf Das aprilhafte Wetter hielt die Obern- dorfer am Sonntag, 25. April nicht davon ab, anläßlich der Wappenverleihung durch die Tiroler Landesregierung ein Dorffest auf dem Platz vor der neuen Schule zu veranstalten. Vereine, Kör- perschaften und Ehrengäste zogen vom Feuerwehrzeughaus ein. Auffallend war die starke Teilnahme der Schuljugend, die mit Fahnen ausgerückt war, der Frauen im Kassettl und der Feuerwehr. Um den Altar gruppierten sich die Mu- sikkapelle unter der Leitung von Michael Lichtmannegger, die Feuerwehr unter Kommandant OBM Alois Nothdurfter, die Kaiserjäger und die Heimekrerkame- radschaft unter dem Kommando von Johann Hof er. Bürgermeister Franz Böck begrüßte die Ehrengäste, namentlich die Ehren- bürger Präsident Komm.-Rat Obermo- ser und Alt-Bgm. Josef Hauser, Landes- rat Dipl.-Ing. Dr. Partl, die Abgeordne- ten Komm.-Rat Huber und Bürgermei- ster Brettauer, die Bürgermeister der Nachbargemeinden St. Johann und Reith Mariacher und Jöchl, Bgm. Oek.-Rat Reitstätter als Vertreter der Delegierten- versammlung des Tiroler Gemeindever- bandes, Dr. Höfle in Vertretung des ver- hinderten Bezirkshauptmanns, Landes- archivdirektor Hofrat Dr. Widmoser, Pfarrer Dollmann, Vorstandsmitglied Trixl in Vertretung der Gemeinde' Going und Gend.-Bez.-Insp. Kometer. Bürger- meister Höck verwies darauf, daß sich Oberndorf die Berechtigung erworben hat, ein Wappen zu führen, es werde sich auch in Zukunft der Verleihung würdig erweisen. Der Bürgermeister, ge- dachte aller, die in mehr als einem Jahr- tausend Oberndorfer Geschichte den Bo- den für die blühende Gemeinde berei- teten. - Der von Pfarrer Dolimann gefeierte Gottesdienst war nicht der Auftakt zur anschließenden Feier, sondern Mittel- punkt des gesamten Geschehens, wie in seiner Ansprache Landesrat Dr. Partl betonte. In der Predigt rief Pfarrer Doll- mann dazu auf, das Erbe aus der Ver- gangenheit auch als Begnadung zu se- hen. Weltliches Brauchtum ist nur ein Ersatz für eine im Religiösen begründete und verhaftete Volkskultur. Zur Seele der Heimat gehören Glaube und Reli- gion. Sie gilt es nicht nur zu bewahren, sondern durch eine neue Generation mit der Glut des Herzens in das neue Dorf zu tragen. Nach der Segnung der Fahne zeigte Landesarchivdirektor Hofrat Dr.Widmo- ser in ein paar Strichen äußerst einpräg- sam einige Seiten aus der Geschichte des Dorfes auf. Im Jahre 1073 wurde erst- mals eine Oertlichkeit im Gemeindebe- reich urkundlich erfaßt, nämlich Wie- senschwang, damals Wisinschwank ge- schrieben. - Der Name bezeichnet das Grasland des Wisi, der ein Sohn des Wi- so war, unter dessen Führung die Sied- lergenossenschaft gestanden war. Vor genau 755 Jahren wurde (1220) erstmals Oberndorf bezeichnet. Es muß- te im Viertel ein Mitterndorf und ein Niederndorf gegeben haben. Während das eine leicht namentlich nachzuweisen ist, dürfte Niederndorf das heutige Kirchdorf sein. Mittelpunkt der Sied- lungsgruppe war Loiching mit dem er- sten Gotteshaus des Leukentales, das dem hl. Johannes geweiht war. Dem Viertel St. Johann im. Landgericht Kitz- bühel wurden die Werchate Fuchsham, Hüttling, St. Johann, Steg, Wiesen- schwang und Oberndorf zugerechnet. - Werchat ist eine zur gemeinsamen Ar- beit zusammengeschlossene Dorfgemein- schaft, die zusammen werkt. Sowohl in Wiesenschwang als auch in Oberndorf gab es je zwei gewählte Dorfmeister und eine Dorfordnung. Die Wiesenschwan- ger Dorfordnung ist bekannt, die Obern- dorfer ging verloren. Schon im vergan- genen Jahrhundert war Oberndorf eine politische Gemeinde, 1850 wurde sie mit St. Johann vereinigt. 1927 wurde Obern- dorf wieder selbständig und kann in 2 Jahren das „Goldene" feiern. Untrennbar mit der Entwicklung des Ortes verbunden ist der Röhrerbühel (Rerobichl), der „Bichl im Röhricht". - Dort fanden vor 436 Jahren - nach der Sage „bezöchte"-Bauern bei der Heim- kehr, von der Kirchweihe eine Erzader. 1540 wurde dem Bauern Michl Rainer ein Neuschurf zuerkannt. Bald setzte ein wahrer Goldrausch ein. In kurzer Zeit wurden 600 Schachtbaue begonnen, man mußte neue Techniken anwenden, weil man mit der Stollenbaumethode keinen Erfolg sah. Die Kitzbüheler Bergwerks- ordnung mußte geändert werden, um den neuen Methoden angepaßt zu sein. Acht Schächte wurden entscheidend in die Tiefe getrieben. Der älteste war der St.- Michael-Fundschacht südlich vom Berg- schmied, der tiefste der Heiliggeist- oder Nothburgaschacht. Es wurden gewaltige Tiefen erreicht, Insgesamt waren die 8 Schächte 5532 m tief. Der Heiliggeist- Scaacht erreichte seine volle Tiefe von 886 m in 55 Jahren. Dies erforderte im Durchschnitt 16 m pro Jahr in reiner Handarbeit mit Schlägel und Eisen, durch Abmeißeln des Gesteins. Bis 1874 war der Oberndorfer Schacht der tiefste der Welt. Erst in Pribram in Böhmen gab es - in einer anderen Zeit und mit anderen technischen Mitteln - einen tieferen Schacht. In der Blütezeit des Röhrerbichler Berg- baues waren 1500 Mann beschäftigt, al- lerdings nur 300 unter Tag. Diese bauten insgesamt etwa 100 Tonnen Silber und 200.000 Tonnen Kupfer ab. (Die Ge- schichte dieses Bergbaues ist ausführlich in Band II des Kitzbüheler Stadtbuches beschrieben. Die Redaktion.) Das Gemeindewappen würdigt die im- ponierenden Tatsachen der Bergbauge- schichte von Oberndorf. Hofrat Dr. Wid- moser dankte den Verantwortlichen in der Gemeinde, daß von Anfang an dar- über Einigkeit herrschte, diese Epoche der Ortsgeschichte im Wappensymbol darzustellen (Bild). Es sind der goldene Bergstab des Hutmannes, mit dem das Gestein nach dem Erz abgeklopft wurde, und der seinerzeit tiefste Schacht der Welt. Nach der mit großem Beifall auf- genommenen Ansprache des Landes- archivdirektors, der sich als glänzender Kenner der engeren Heimat bestätigte, sprach Landesrat Dr. Partl. Er nannte das Fest eine Kundgebung echter Ge- meinschaft und bestätigte Pfarrer Doll- mann, daß er die Einheit zwischen Reli- gion und Leben überzeugend dargestellt habe. Der Gemeindereferent ging auf die Geschichte des Dorfes ein und dank- te den Namenlosen und Vergessenen, die in den verschiedenen Berufen, als Väter und Mütter, als Priester und Lehrer tä- tig waren. Ausführlich würdigte Landes- rat Partl die Leistungen von Oberndorf in der Gegenwart, wobei er namentlich die Bürgermeister Hauser und Höck, der eine durch 15 Jahre im Amt, der andere bisher genau 13 Jahre tätig, nannte. In der Gemeinde sei ein „Zug" drinnen, was durch die Bauwerke und die ört- liche Geschlossenheit bewiesen werde. Als Gemeindereferent der Landesregie- rung dankte Landesrat Dr. Partl dem Bürgermeister Franz Höck für die Zu- sammenarbeit und den Erfolg. Nach an- erkennenden Worten für die kulturellen Einrichtungen und die Gemeinschafts- piüege überreichte Dr. Partl den Wap- penbrief, der von Landeshauptmann, Oekonomierat Wallnöfer, allen Mitglie- dern der Landesregierung und von Lan- desamtsdirektor Hofrat Dr. Kathrein gezeichnet und gesiegelt ist. Unter den Klängen der Landeshymne wurde die neue Fahne zum erstenmal aufgezogen. Das Oberndorfer Wappen ist schlicht und klar. Es zeigt auf goldenem Fah- nentuch links in roter Farbe das Symbol für den Heiliggeistschacht, in der Mitte dominierend auf schwarzem Grund den
< Page 6 | Page 8 >
< Page 6 | Page 8 >