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Der Jubiläumszug in Kitzbühel. Rechts die Fahnen der Stadtmusik, der Schüt- zenkompanie, des Trachtenvereins, des Kaiserjägerbundes und der Heimkehrer- kameradschaft. Samstag, 20. September 1975 Kitzbüheler Anzeiger Seite 21 Nas tost 9662 ,0 Die Fahrt mit dem Jubiläumszug Geschätzte zwanzigtausend Menschen erlebten am vergangenen Samstag die Fahrt des „Jubiläums-Dampfzug--s" von Wörgl nach Saalfelden. Entweder als Fahrgäste oder entlang der Strecke - es war ein Triumphzug der alten Loko- motive und der vier angekoppelten Waggons. Da wurde fotographiert, ge- filmt, gewunken und gejubelt. Vor hundert Jahren - genauer am 31. Juli 1875 - verkehrte der erste Zug auf der sogenannten „Giselabahn". - Dabei trug die Bahnlinie offiziell nie den Namen der Tochter Kaiser Franz Josephs „Gisela", sondern wurde zu- nächst als Salzburg-Tiroler-Bahn der „Kaiserin-Elisabeth-Bahn" angeschlos- sen. 1915 kam das zweite Gleis dazu und im Laufe der Jahrzehnte erlebten die Orte entlang der Bahnlinie einen kräftigen Aufschwung. Grund genug also, das Bahnjubiläum zu feiern! In den letzten Wochen traf sich des öfteren im Kitzbüheler Rat- haus ein kleiner Kreis, um ein Pro- gramm auszuarbeiten und die nötigen Vorarbeiten zu leisten: Hofrat Dr. Edu- ard Widmoser vom Tiroler Landesarchiv und sein Assistent Dr. Werner Köfler, Dr. Karl •Majorkovic von der Bundes- bahndirektion, Fremdenverkehrsdirek- tor Dr. Ziepi, Martin Wörgötter und der Verfasser dieses Artikels. Schon vorher hatten der Bundesbahndirektor von Ti- rol, Hofrat Dr. Adolf Rauch, Bürger- meister Hans Brettauer und FVV-Obm. KR Wolfgang Hagsteiner ihren „Segen" zu dem Vorhaben gegeben. Nun galt es, auch die Bürgermeister und Fremdenverkehrsverbands-Obmän- ner der an der Bahnlinie gelegenen Ortschaften für die Sache zu begeistern. Die Antwort war überall positiv und so wurde die Jubiläumsfahrt für Samstag, 13. September fixiert. Doch vorher gab es viel zu arbeiten: Plakate entwerfen und drucken, den Fahrplan gestalten - was sich als be- sonders schwierig erwies, da auf den normalen Bahnverkehr Rücksicht ge- nommen werden mußte und auch dazu führte, daß nicht in allen Bahnstatio- nen haltgemacht wurde -‚ Einladun- gen gestalten und verschicken, Rück- sprache mit der Presse und dem Rund- funk bzw. Fernsehen und noch vieles andere mehr. Nun, am Samstag war das Ergebnis zu sehen - alles verlief wie am Schnürchen und sogar das Wetter machte mit. Auf nach Wörgl Um acht Uhr verließ eine große Kitz- büheler Delegation in einem Autobus die Stadt in Richtung Wörgl. Es waren unter meiner Führung zwanzig in hi- storischen Gewändern gekleidete Da- men und Herren. Christl Horn hatte eigens vom größten österreichischen Ko- stümverleih, „Lambert Hofer" in Wien, Uniformen und Kleider kommen lassen. Den fehlenden Rest stauerte Resi Vittur bei, die mit Tochter Brunni Schiechtl ebenfalls wertvolle Vorarbeit leistete. Das Bläserquartett der Stadtmusik mit Andrä Feiler, Fritz Binder, Hans Ga- steiger und Anton Litterer fand sich ebenso ein wie Engelbert Opperer von der Tiroler Tageszeitung und Fotograf Markus Korn als erste Pressebericht- erstatter. Auf ging's nach Wörgl, wo schon eine große Menschenmenge den historischen Zug umlagerte. Glanzstück war die über 100 Jahre alte Dampfloko- motive aus dem Eisenbahnmuseum, die gemächlich ein Rauchwölklein von sich stieß. Großes Hallo und Händeschüt- teln unter den Ehrengästen: die Landes- räte Christian Huber und Fili, der Be- zirkshauptmann von Kufstein Dr. Phi- lip, OeBB-Direktor Hofrat Dr. Rauch, Vizepräsident Dipl.-Ing. Kienpointner, Landesarchivdirektor Hofrat Widmoser, die Landtagsabgeordneten Paul Land- mann und Prof. Kantner sowie zahlrei- che andere Persönlichkeiten des öffent- lichen Lebens. Dazu noch eine ganze Reihe Reporter, der ORF mit Siegfried Wagner und Kameramann Lechieitner und der bekannte Dokumentarfilmer Benesch aus Innsbruck. Die Eisenbah- nermusik Wörgl intonierte noch einen schneidigen Marsch, ehe der Bürgermei- ster von Wörgl, Strobl, das Zeichen zur Abfahrt gab. Los geht die Fahrt Schon auf den ersten Kilometern wur- de der festlich geschmückte Zug ständig gefilmt und fotographiert. So sollte es bis nach Saalfelden bleiben. Zehn Gro- schen für jedes Foto und man hätte für längere Zeit ausgesorgt. Da gab es so- gar Enthusiasten, die den Zug von Wörgl bis nach Saalfelden mit dem Auto ver- folgten. Bei schönen Motiven aus dem Wagen sprangen, den Auslöser drück- ten und wieder weiterfuhren. Ein rot- haariger Fotograf war mir besonders aufgefallen: ab der Windau prangte auf dem Hinterteil seiner Hose ein großes Loch. Er muß es sich in der Eile bei einem Stacheldraht eingerissen haben. In Saalfelden stand er aber trotzdem noch am Bahnsteig und hatte wohl sein hundertstes Bild geschossen; das nennt man wahre Begeisterung. In den Tunnels der Windau machten wir die ersten Erfahrungen mit der Dampflok. Alle, die aus dem Fenster schauten, waren plötzlich mit schwar- zen Sommersprossen im Gesicht über- sät. In Hopfgarten dampfte die Maschi- ne mit lautem Pfiff in die Station. Eine riesige Menschenmenge hatte sich ein- gefunden. Darunter sehr viele Schul- kinder, da Bezirksschulinspektor Bod- ner den Besuch als „Anschauungsunter- richt" der Lehrerschaft empfohlen hat- te. Wann wird man auf der Strecke wohl wieder eine Dampflok sehen? Bürgermeister Karl Huber hielt eine kurze, nette Begrüßungsansprache und bestieg zusammen mit dem FVV-Obm. Anton Pletzer den Zug. Die Musik spiel- te einen Marsch, die Schützen salutier- ten und die Fahnenabordnungen grüß- ten. Weiter ging die Fahrt nach Kirch- berg. Auch hier dasselbe Bild. Eine rie- sige Menschenmenge, Böllerschüsse, Sa- lut durch die Schützen und eine fast vollzählig angetretene Bundesmusikka- pelle. Bürgermeister Ing. Herbert Pauf- 1er und FVV-Obmann Hans Zwerger bestiegen ebenfalls den Zug. Vorbei am Schwarzsee und der herrlichen Kulisse des „Kaisers" ging es nach Kitzbühel. Jener Stadt, wo Bürgermeister Josef Pirchl anno 1872 erfolgreich für die Führung der Bahnlinie durch das Bri- xental gekämpft hatte. Der Empfang in Kitzbühel war über- wältigend! War eigentlich schon einmal eine solch große Menschenmenge am Bahnhof? Freundliche Gesichter, Win- ken, Fotos, Händeschütteln - ein Rie-
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