Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 1. November 1975 Kitzbüheler Anzeiger Seite 5 gen nur zu einem kleinen Teil erfüllt, ohne Erfolg, er war seiner Zeit zu weit die Bauern fürchterlich bestraft. vorausgeeilt. daß vielen Leuten die Last der Selbst- bestimmung, der Selbstentscheidung zu schwer ist, ja daß man sich lieber der Despotie ausliefert, wenn man sie als zeitgemäße Form der Freiheit anpreist. Freiheit und Demokratie sind zwei Begriffe, die gerade in unserem Lande Tirol Gewicht haben. Das Märchen von der 700jährigen Demokratie stimmt si- cherlich nicht, aber ohne Zweifel hat- ten unsere Vorfahren jahrhundertelang Vorrechte und Freiheiten wie kaum ein anderes Land in Europa. Doch weder 1918-19 nach dem ersten Weltkrieg noch nach dem zweiten Welt- krieg wurde auf Wünsche der Tiroler Rücksicht genommen, als es um die Zu- kunft ihres Landes ging. Anders war es 300 Jahre früher, obwohl damals Be- griffe und Schlagworte wie Demokra- :ie und Selbstbestimmungsrecht derVöt- :er noch unbekannt waren. Wichtige Entscheidungen über die weitere Zukunft des Landes, Entschei- dungen von europäischer Bedeutung, wurden nicht allein von dynastischen Interessen bestimmt, sondern von den führenden Männern des Landes mitge- tragen. Sichtbarer Beweis hierfür sind die Siegel der vierzehn Räte und Land- herren, die neben dem Siegel Ihrer Für- stin Marg. Maultasch auf der Urkunde vom 26. Jänner 1363 hängen, mit der Ti- rol an Rudolf IV. von Habsburg und damit an Oesterreich übergeben wurde. Als gegen Friedrich IV., genannt Friedl mit der leeren Tasche, 1414 der Reichs- acht und Kirchenbann verhängt wurde, waren es die Bürger der Tiroler Städte und die Landbevölkerung, die fest zu ihrem Landesfürsten standen und seine Herrschaft sicherten. Als diese Freiheiten eingeschränkt wurden, durch radikale religiöse Eife- rer, durch absolutisch regierende Lan- desfürsten, durch Besetzung fremder Truppen haben die Tiroler sich immer zur Wehr gesetzt. Zwei Namen möchte ich heute, an- läßlich dieses Festabends stellvertretend für die vielen Männer und Frauen, die sich für ihr Land große Verdienste er- wDrben haben, nennen. Sie sollen für Sie, die jungen Bürger unseres Landes, als leuchtendes Vorbild dienen: Michael Gaismair, der Führer des Ti- roter Bauernkrieges und Sozialrevolu- tionär, und Andreas Hofer, der Führer des Tiroler Freiheitskrieges. Gaismair war ein Freiheits-. und Ge- rechtigkeitsfanatiker. Unter seine Füh- rung wurden die Meraner Artikel, wel- che die Grundlage für eine neue Lan- desordnung bilden sollten, beschlossen. Bereits vor 450 Jahren verlangte man Gleichheit aller vor dem Gesetz, mehr Gerechtigkeit durch Aufzeichnung ei- nes Gesetzbuches, Wahl der Richter und deren fixe Besoldung, um sie von Straf- geldern und Gebühren unabhängig zu machen, Abschaffung vieler Adelsvor- rechte und Abschaffung der weltlichen Macht der Kirche. Der Bauernaufstand wurde niedergeschlagen, die Forderun- Wollte Gaismair zuerst im Wege von Verhandlungen mit dem Landesfürsten Verbesserungen und Erleichterungen für seine Landsleute erreichen, so wur- de er durch die Nichteinhaltung aller Versprechungen, durch die Grausam- keiten der Verfolgungen zu einem Re- volutionär, dessen Programm zur dama- ligen Zeit sicherlich utopisch war. Forderungen wie Einsetzung einer di- rekt vom Volke gewählten Regierung, Verstaatlichung des Bergbaues zur Be- streitung öffentlicher Ausgaben, waren in seiner neuen Landesordnung enthal- ten. Außerdem verkündete er soziale Maßnahmen, die damals unverständ- lich, heute selbstverständlich sind öf- fentliche Spitäler, Altersheime, Armen- häuser. Die Einführung eines eigenen Sozialreferenten in der Regierung, der für die Armen und Schwachen in der Gesellschaft zu sorgen hatte, und der die Aufgabe gehabt hätte, die dazu not- wendigen Einrichtungen zu kontrollie- ren (heute genannt Ombudsmann). Er hat für diese Ideen gekämpft, jedoch Erntedankfest in Kitzbühel Das Erntedankfest am 12. Oktober 1975 in Kitzbühel wurde mit einer Dankprozession, ausgehend von der St.- Katharinen-Kirche, über die Vorder- stadt zur Stadtpfarrkirche eingeleitet. Eine Prozession durch die Vorderstadt ist für jeden Teilnehmer, wie auch für jeden Menschen, an welchen die Pro- zession vorüberzieht, ein Erlebnis. Den Dankgottesdienst in der St.-ih- dreas-Kirche zelebrierte Stadtpfarrer Geistl. Rat Johann Danninger. Der Kirchenchor, unter der Leitung von An- dreas Feller, führte dazu die „Missa in G-Dur" von Max Filke für gemischten Chor, Orgel und Orchester auf. - Am Schluß erklang das Erntedanklled „Wir pflügen und wir streuen". Andreas Hofer, der Passeier Schüt- zenhauptmann und Sandwirt, ist sicher- lich allen bekannt. Als Befreier der bayerischen Fremdherrschaft, als drei- maliger Sieger über die französische Besatzungsmacht sind er und seine Mit- kämpfer ein Beispiel von Einsatzbe- reitschaft und Tapferkeit. Er war kein politisch gebildeter, vorwärtsstrebender Revolutionär, er war ein Mann mit gro- ßen militärischen Führungsqualitäten, ein Mann, der dank seiner Persönlich- keit, seiner Redlichkeit, verbunden mit Hausverstand und Bauernwitz, zum Führer der Tiroler gewählt wurde und der sein Bestes für sein Land gab. Von diesem Ausflug in die Vergan- genheit möchte ich zurückkommen auf die zweite und dritte Aussage zu Beginn meiner Ausführungen. Auf die zwei Worte Verpflichtung und Verantwor- tung! Mit den Rechten werden Ihnen auch Pflichten aufgebürdet. Neben der vol- len zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit bzw. Geschäftsfähigkeit erhalten Sie das aktive Wahlrecht für die Wahl zum Gemeinderat, zum Landtag und zum Nationalrat. Dies it nicht nur ein Recht, sondern es sollte auch eine Verpflichtung sein! Politik ist ein Wort mit einem schalen Beigeschmack.Viele glauben, durch Des- interesse, durch ein Uebergehen sich von ihrer Verantwortung der Willens- bildung drücken zu können. Was nützt schon meine Stimme, als einzelner kann ich doch gegen die Allmacht der Macht- apparate nichts erreichen Diese Gedan- kengänge sind gefährlich, gefährlich deshalb, weil Politik auf jeden Fall ge- macht wird, ganz gleich, ob es Sie in- teressiert, ob Sie mitmachen oder nicht. Sie können politische Entscheidungen nicht aufhalten, aber Sie als freie Bür- ger dieses Landes können mitbestim- men, wer diese politischen Entschei- dungen fällt. Sie werden in den nächsten Jahren entscheiden, wie es weitergehen soll. Wir leben in einer hochinteressanten Zeit. In einer leistungsbewußten Zeit, in der Sie mehr Möglichkeiten als je zuvor haben, Ihr Leben zu gestalten. Der Erfolgszwang, der Zeitdruck, die Tech- nisierung haben es jedoch mit sich ge-. bracht, daß wir immer weniger ge- meinsam zusammenleben, daß wir im- mer weniger Verbindung zueinander haben, daß wir als Einzelpersonen uns auseinanderleben. Das Verbindende, die Volksgemeinschaft ist fremd geworden. Der Eigennutz wurde stark aufgewer- tet, der Gemeinnutz als ein Schlagwort abgetan. Lösen Sie sich nicht los von Ihren Verpflichtungen,. Arbeiten Sie mit zur Förderung, zur Verschönerung unserer Heimat. Interessieren Sie sich für die Probleme und Aufgaben Ihrer Heimat- stadt, besuchen Sie Gemeinderatssit- zungen. Arbeiten Sie mit in Vereinen
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