Archiv Viewer
Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Seite 26 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 10. Jänner 1976 Acht Tiroler auf Werbereise in Fernost Am 7. Oktober 1975 starteten acht Ti- roler vorn Flughafen München-Riern auf eine lange Reise nach Tokio und Singa- pur, um in Fernost für Tirol und Öster- reich zu werben: Franz S c h o b e r, Leiter der Volkstanz- gruppe „Edelweiß" aus Westendorf; Josef Z a s s, Schuhplattler und immer gutgelaunter Clown, Westendorf; Hellmuth W'urzrainer, virtuoser Musi- kant auf dem „Hölzernen Giachter" und Schuhplattler, Hopfgarten; Martin A n d r e t t e r, Zitherspieler und musikalische Stütze des „Unterneh- mens", Westendorf; Gernot S c h 1 u i f e r, international an- erkannter Graveur Glas, Kitzbühel; Hans Jörg Reinalter, Holz-und Steinbildhauer, Neustift, Stubaital; Erika P r i n d 1, Jodlerin aus Brixen im Thale, und V. Bonney Barnick, Schuhplattler, Con- ferencier und Tourmanager, ehemals Westendorf. Nach einem herrlichen, aber langen Flug über die Nordpolroute - Alaska landeten wir am 8. Oktober abends um 19 Uhr auf dem Flughafen Tokio- Haneda. Der nette Empfang durch Mit- glieder der österreichischen Handels- delegation läßt uns die ungewohnte Um- gebung dieses für uns fremden Erdteils vergessen. Einquartierung im Diamond- Hotel direkt neben den kaiserlichen Gärten und Lagebesprechung für den nächsten Tag: im Kaufhaus Tobu De- partment Stores fand vorn 9. bis 22. Ok- tober eine Austrian Fair, eine österrei- chische Verkaufsmesse, statt. Nach der feierlichen Eröffnung bemühen sich die Mitglieder der Gruppe in ihren „Fach- gebieten" dem japanischen Publikum österreichische und Tiroler Folklore in Tanz und Gesang und österreichisches Kunsthandwerk vorzustellen. Schon bald merkten wir, daß auch der traditionelle Japaner durch unsere Mu- sik, unsere Fröhlichkeit, unsere Tänze begeistert werden kann. Nach zwei Fern- sehauftritten im 4. und 5. Programm ist das Eis endgültig gebrochen. Eine Sen- dung ist eine zehnminutige Liveshow über das Tiroler Brauchtum, die zweite ein 30-Minuten-Programm als Gegen- überstellung japanischer Volkskunst und Tradition und österreichischem Kunst- handwerk und Brauchtum. Bonney Bar- nick hatte endlich Gelegenheit, vor dem Mikrofon all das über Oesterreich und Tirol zu sagen, was im Kaufhaus auf- grund von Sprachschwierigkeiten oft nicht ausführlich dargestellt werden konnte. An den folgenden Tagen drängten sich Tausende von Zuschauern um TOBU und wollten über uns Bescheid wissen, wie wir leben, wie Oesterreich am be- sten zu erreichen ist, welche Möglich- keiten des Tourismus es gibt usw. Er- staunlich viele Leute sprachen relativ gut Deutsch, mit Englisch kommt man fast überhaupt nicht weiter. Großartig, aber auch schon fast erdrük- kend, die größte Stadt der Welt mit ih- ren turbulenten und faszinierenden Ein- kaufsvierteln, wie die weltbekannte Ghinza, das Geschäftsviertel Ikebukure, das Unterhaltungsviertel Akasaka. Der Verkehr ist wohl mit keiner europäi- schen Stadt zu vergleichen. Autobah- nen in drei und vier Etagen überein- ander, ein riesiges, exakt funktionieren- des Metronetz, mitten durch die Stadt die Menorail, eine Einschienenbahn vom Flughafen in die Stadt. Etwas Schwierigkeiten bereiteten uns die japanischen Eßsitten: viel Fisch, öfter roh als gebacken oder gebraten, Gemüsearten, die wir nicht kannten, Meerestiere, die uns unbekannt waren. Als mein Freund mich bei japanischen Jodlern, den Oesterreichern vielleicht bekannt durch die Sendung „Wer drei- mal lügt", nach sieben Fischgängen dar- auf hinwies: „Dös muaßt essen, dös is guat - Steirerkraut", biß ich herzhaft hinein und mußte zu meinen Schrecken feststellen, daß auch dieses Fisch ist - in Streifen geschnitten und in einer Art Sojasauce serviert. An einem herrlichen Tag unternahmen wir einen Ausflug 150 Kilometer nördlich von Tokio nach Nikko zu den Kegon-Wasserfällen und zu der größten japanischen Tempelan- lage. Die Gebirge, sehr ähnlich unseren Bergen, ein See, ähnlich unserem Achen- see, mit Tausenden von Ausflüglern. To- kio hatten wir inzwischen kennenge- lernt und als wir Abschied nahmen, be- merkten wir, daß wir eigentlich sehr viele stille Freunde gewonnen hatten. Bei der letzten Vorstellung ist uns allen etwas wehmütig zumute. Sayonara Ja- pan - vielleicht sehen wir uns wieder. Abflug von Tokio und weiter über Hongkong, die englische Kronkolonie - ein gewagtes Landemanöver auf einem der gefährlichsten Flughäfen der Welt, Weiterflug über Bangkok nach Singa- pur.. Wir steigen aus - 32 Grad um 19 Uhr, Wir merkten, daß wir nur 100 Kilo- meter vom Aeq;uator entfernt sind. Im Singapoor:e Hilton waren wir unterge- bracht, hier fanden auch vom 23. bis 31. Oktober das Edelweiß-Festival statt. Im 2. Stock des Hauses trat die Gruppe täglich zweimal auf, Gernot Schluifer 7711 1. Tiroler Bcüernmuseum' Hinterobernau in Kitzbühel und Hansjörg Reinalter stellten ihre Ex- ponate im Foyer des Hauses auf. 9e0-Betten-Hotel - vollausgebucht, die Gäste Amerikaner, Australier, Neu- seeländer - riesige Reklame für unser Festival, und vor allem - keine Sprach- schwierigkeiten mehr. Unsere Abende im Harbour Grill Restaurant wurden zu wahren österreichischen Abenden. Man aß Kaiserschmarrn und Zwetschken- röster, Erika jodelte, daß es eine wahre Pracht wahr, die Schuhplattler wurden durch die Begeisterung der Gäste mit- gerissen und machten nie erreichte Hoclisprünge, Martin und Hellrnuth bril- lierten mit ihren Instrumenten. Nach zwei Tagen hatten wir eine phantasti- sche Presse: „The new nation" und die „Straits Times" brachten drei Artikel über „die wilden Tiroler, die ihre Hosen mit den Händen schlagen". Radio und TV Singapur senden auf allen Wellen und Kanälen ein Liveinterview in Eng- lisch, Chinesisch und Tamil, Radio Sin- gapur zusätzlich zwei Interviews mit Boney Barnick, der sich endlich in sei- nem Element fühlte, in der Sendung „In Town - in der Stadt" und „Art's Circle - Kunstkreis". Am 24. Oktober feierten wir zusam- men mit Angehörigen des österreichi- schen Konsulat auf einem Empfang mit den Freunden Oesterreichs den Staats- feiertag. Als wir einige unserer Tänze und Lieder brachten, stiehlt sich so man- che Träne ins Auge eines Zuhörers, der schcn lange von der Heimat entfernt ist. Wir merken, daß wir in Singapur Europa näher sind, obwohl dies auch nur relativ ist. De Stadt selbst ist ein Paradies - Stadtstaat auf einer Halbinsel, tropische Vegetation mit Palmen und Bananen- stauden, Kokosnüssen und Hunderten von verschiedenen Orchideen. Vigel, in einer nie gesehenen Pracht, flog n wie Schmetterlinge durch die Luft, nachmittags überraschten uns tropische Unwetter - es regnete kübel- weise, dann kam die Sonne wieder her- vor und das Thermometer stand wieder auf 35 Grad. Der Hafen von Sin- gapur ist der größte Asiens. Schiffe und vor allem Oeltanker aus aller Welt, la- gen auf der weiten Reede vor Pentosa Island. Eine Stadt, die einem gefallen mußte. Als wir uns nach einem langen Rück- flug über Neu Delhi und Rom endlich am lughafen in München verabschiede- ten, wußten wir, wir hatten eine groß- artige Reise gemacht, wir hatten viele neue Eindrücke und vor allem Freunde gewonnen, und hatten nach den Aussa- gen aller Beteiligten der offiziellen Stel- len, Oesterreich und Tirol gut vertreten. Der Gruß „Auf Wiedersehen in Oester- reich" ist wohl vielen eine Aufforderung, vielleicht einmal in unser schönes Land zu commen.
< Page 26 | Page 28 >
< Page 26 | Page 28 >