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Seite 12 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 4. Dezember 1976 heller Jauchzer erschallt, dem ein höh- nisches markerschütterndes Gelächter antwortet. Beim grausigen Gatten. Auf dem al- ten Weg in die Wildschönau kommt man an einem Gatter vorbei, der den sonder- baren Namen „Grauseng Gatten" führt, weil sich dort immer grausige Dinge zugetragen haben. So soll ein Metzger als er vorbeiging, den ganzen Gatter voll Kälberschweife gesehen haben. Ober- halb dieses Gatters soll man häufig hüp- fende Lichter sehen. Die Wildschönauer Schmiede. Vor kur- zer Zeit noch hatten die Schmiede in der Wildschönau den Brauch, Samstag abends beim Feierabend drei leere Strei- che auf den Ambos zu schlagen. Da- durch sollten sich die Kettenglieder fe- stigen, mit welchen der „Luzifer" an den Felsen geschmiedet ist. Der Auffacher Hagmair. In Auffach gab's einen bekannten Hagmair, der alte Melchhammer genannt. Dem passierte es, als er einst vom „Fensterin" heim- kehrte, daß er einen lauten „Jauchzer" ihm entgegenschallen hörte. Bekanntlich ist der Jauchzer, besonders zur Nacht- zeit, ein bekanntes Zeichen von Mut und Kampfeslust. Der Meichhammer er- widerte im Bewußtsein seiner Unbesieg- barkeit wohlgemut den Jauchzer. Die beiden kommen zusammen, der Kampf beginnt. Gleicher Kraft und Gewandt- heit scheinen die Gegner zu sein. Doch fühlt der Meichhammer mählich ein den Tisch konnte einhauen, bis jeder ei- zeine der zahlreichen Esser einfach nicht mehr konnte, so etwas hatte viel zu be- deuten. Schon beim Essen dachte ich mir, es muß ein besonderer Abend sein, da es sonst oft sehr sparsam zuging und Schmalhans Küchenmeister war. Nach dem Essen mußte noch im Stall nachge- sehen werden, ob dort wohl alles in Ord- nung ist. Schon saßen wir Kinder in der warmen Stube auf der Ofenbank, das Holzfeuer knisterte und verbreitete nicht nur Wärme, sondern auch einen ange- nehmen Harzgeruch. Wir harrten der Dinge, die da kommen sollten. Schließ- lich nahm die geheimnisvolle Sache ih- ren Anfang. Mit Kettengerassel und gro- ßem Gepolster, welches wir schon lange vorher hören konnten, kam ein riesiger Krampus in die alte Stube herein. Wir Kinder drückten uns noch enger zusam- men als wir sowieso schon waren, an- schließend kam ein für unsere Begriffe wunderbar schön gekleideter Engel, der stolz in der Stube auf und ab ging, also mußte er vom Himmel sein. Es kam schließlich der Hl. Nikolaus, eine höchst ehrwürdige Gestalt, mit Bischofsm:ütze angetan und einen goldenen Stab in der Hand tragend. Da wir Kinder, weil sich der Ganggenl immer wieder uns nähern wollte, langsam aber sicher nasse Augen bekamen, wurde das Ungetüm gleich vom Nikolaus zurückgedrängt. - Meine Schwinden seiner Kräfte. Hoch hebt er seinen Gegner, mit gewaltigem Schwun- ge wirft er ihn zu Boden - aber fest- zuhalten vermag er ihn nicht. Da be- Wer soll das sein, werden manche Le- ser fragen? Hier die Erklärung der selt- samen Geschichte. Als kleiner Bub ging ich einmal an einem Winterabend durch den Ortsfriedhof von Brixen, am damals noch vorhandenen Beinhaus vorbei. Ich traute meinen Ohren nicht, als ich unter den oder auch in den makaber anzuse- henden Relikten ein schrilles Zirpen mich erinnern konnte, etwas von einer Friedhofsgrille gehört und so schnell mich die Beine tragen konnten, lief ich aufgeregt und klopfenden Herzens da- von. Nur hinaus dachte ich, es könnte sich ja sogar um einen Geist handeln. Viele Jahre sind seitdem vergangen, als ich dieses Erlebnis mit der Friedhofs- grille hatte. Jetzt, vor wenigen Tagen, konnte ich auf einmal wieder haargenau das gleiche Zirpen hören. - Allerdings nicht mehr auf dem Friedhof, sondern in den Gasthöfen Brixnerwirt und Alpen- rose. Als neugieriger Mensch mußte ich unbedingt die Sache genau erforschen und ein solches Tier sollte tot oder leben- dig eingefangen werden. Allerdings ge- lang dies vorerst in keinem Fall, da das Insekt scheinbar wesentlich schlauer war, als wir Menschen. Schließlich hatte der Alpenrosenwirt Martin doch das un- Brüder und Schwestern, aber auch ich, wurden vom Nikolaus befragt. Erstaun- lich genau wußte der heilige Mann über viele unserer schlimmen und auch guten Taten Bescheid. Es gab sehr viel zu sa- gen über uns. Wenn er nicht mehr wei- ter mußte, schlug er sein dickes Buch auf und schon kamen neue Dinge ans Abend- licht. Nach einer Reihe von Ermahnun- gen, die an jeden von uns gerichtet wur- den und nachdem wir Kinder ganz klein- laut aber respektvoll versprachen, uns in Zukunft bessern zu wollen, kam der schöne Engel, wunderschöne Gebilde schimmerten in seinen Haaren, mit vol- len Schüsseln wieder zur Tür herein. - Der Nikolaus verteilte die Gaben mit dem Bemerken (sein Ton war gut und freundlich), daß wir doch im Grunde ge- nommen nicht so schlecht wären, wie er ursprünglich angenommen hatte. Bei- nahe waren wir 'stumm geworden, doch brachten wir letzten Endes ein etwas zaghaftes „Vergelt's Gott!" heraus. Je- doch mit einem Auge beobachteten wir immer wieder den Krampus und be- merkten sofort, daß dieser immer noch da war und in einer Ecke der Stube Auf- stellung genommen hatte. Er riß ganz furchtbar an seiner Kette. 0 großer Schreck, die Kette brach entzwei, er wollte schon auf uns zukommen. Gott sei Dank erfaßte unsere gute Dirn Moidl sofort die ernste Lage und trat ihm auf merkt er an seinem Gegner Bockfüße. „Jesus, Maria und Josef" schreit der Meichhammer - und weg war der „Lei- dige". L. W. wahrscheinliche Glück, in seinen tiefer gelegenen Räumlichkeiten und 'aufgrund beachtlicher Geschwindigkeit ein Exem- plar dieser Gattung von Insekten zu er- schlagen. Er brachte mir den merkwür- digen Gast, zwecks genauer Bestimmung an den Stammtisch und zwar war das sonderbare Tier, welches noch immer seine Fühler drohend hin und her be- wegte, auf einem Holzbrettchen fest- geklebt. Eines war mir aber sofort klar, es war eine sogenannte Hausgrille, wis- senschaftlich also ein Gryllus-domesti- cus, mancherorts auch Heimchen ge- nannt. Eine Grillenart, welche selbst mit- ten im tiefsten und kältesten Winter uns mit eigenartigen „Liedern" mehr oder weniger erfreuen kann. Da ich mir das Insekt noch etwas genauer bei Tageslicht ansehen wollte, trug ich dieses behutsam nach Hause und deponierte es während der Nacht auf dem Tisch. Am nächsten Morgen kam ich gleich wieder in die Küche um nachzusehen. - Neben dem Brettchen war behaglich schnurrend die Hauskatze anzutreffen. Aber oh Schreck, die Grille war weg. Sofort wußte ich, was geschah. Es hatte damit diese hei- tere Episode vom Gast, Gryllus-domesti- cus, ihr Ende gefunden. M. M. seinen langen Schwanz, welches ihn so verärgerte, daß er Moidl kurzerhand packte, vor das Haus trug und nur nach langem Bitten davon Abstand nahm, sie nicht in das eiskalte Wasser des Brun- nentroges zu werfen. Neugierig wie wir waren, sahen wir verstohlen dem Ge- schehen durch das Fenster zu. Es war nicht zu übersehen, daß sich schon Eis- blumen gebildet hatten. Tausendfach glitzerten die Sterne, viel schöner als an anderen Abenden. Wir konnten beobachten, wie der heilige Ni- kolaus mit seinem Gefolge bereits dabei war, bergab zu steigen, noch war unter den Fußtritten der knirschende Schnee zu hören. Immer leiser wurden 'diese und so bekannten Töne eines eiskalten Win- terabends und bald war auch die heilige Schar bereits hinter dem Schneeberger unseren Blicken entschwunden. Sparsam gingen wir mit den Aepfeln, Nüssen, Kastanien und Lebzeiten um, es sollte ja noch etwas für die kommen- den Tage übrigbleiben. Viel zu schnell kam für uns die Zeit, um ins Bett zu ge- hen. Bevor wir einschliefen, wurde noch gemeinsam mit unserer guten Mutter ge- betet. Es gehörte sich für die vielen gu- ten Gaben zu danken. Himmlisch freu- ten wir uns darüber, daß endlich einmal der Nikolaus den so weiten Weg bis zum höchst gelegensten Bauernhof des Sal- venbergs, dem Gugg, gefunden hatte. GRYLLUS-domesticuszu Gast in BrixenimTha1e
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