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Seite 24 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 24. Jänner 1976 tersiller-Baderle die Operation ausge- führt habe. Das „Mittersiller Baderle" scheint in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit primitivsten Werk- zeugen gearbeitet zu haben, zu einer Zeit, als man von Sterilität und Betäu- bung noch nichts wußte. Der Patient mußte die Operation bei vollem Be- wußtsein ertragen, vielleicht wurde er Der Verein Dorfbildung - Tiroler Kulturwerk, hielt in Innsbruck die Jah- reshauptversammlung ab. Bei der Neu- wahl des Vorstandes wurden Dr. Erich Enthof er als Präsident wieder-, und der aus unserem Bezirk stammende Fort- bildungsreferent der Landeslandwirt- schaftskammer, Oberlandwirtschaftsrat Ing. Hans Schermer als Vizepräsident neugewählt. Im Vorstand sind u. a. Hof- rat Dr. Eduard Widmoser. Leiter der Arbeitsgemeinschaft Tiroler Chronisten, Bezirkshauptmann Hofrat Dr. Lunger, Vorsitzender des Kuratoriums Schöneres Tirol, und Bezirkshauptmann Oberrat Dr. Philipp von Kufstein. Zum ersten Ehrenmitglied des Tiroler Kulturwerks wurde Oberschulrat Max Perger, Straß bei Jenbach, gewählt, der früher als Obmannstellvertreter tätig war. OSR Perger ist Landesobm:ann des Verbandes der Privatzimmervermieter Tirols. Nach der Jahreshauptversammlung fand eine Mitarbeitertagung statt. Da- bei wurden mehrere interessante Kurz- referate gehalten. Zuerst sprach Be- zirkshauptmann Oberrat Dr. Walter rotkreuzes Tirol wurde Frau Volksschul- hauptiehrerin in Ruhe, Berta W a 1 d e, vom Präsidenten des Roten Kreuzes von Tirol, Univ.-Prof. Dr. L. Hörbst mit der Silbernen Medaille für Verdienste um das Rote Kreuz ausgezeichnet. Berta Walde hat schon als junge Lehrerin wäh- rend des ersten Weltkrieges als Hilfs- schwester im Reservespital gearbeitet. Dr. M. Mayer: Die Kleidung. Einfach wie die Kost war zu Zeiten unserer El- tern und Großeltern die Kleidung. Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts trugen die Männer hier herum fast ausschließ- lich eine Lederhose. Sie besaßen deren zwei, eine bessere für Sonntage, die schlechtere für die Werktage. Wenn die Werktagshose unansehnlich geworden war, ließ man sie beim Weißberger put- zen und neu einfärben, wonach sie wie- der zur Sonntagshose aufrückte, wäh- rend diese zur Werktagshose herabsank. Das machte man solange, bis eine der beiden nicht mehr brauchbar war. - Später trug man zur Arbeit lange, mit Alkohol berauscht (die Weinflasche auf dem Tisch spricht dafür). Auf je- den Fall war eine Operation zur dama- ligen Zeit ein Unterfangen auf Leben und Tod. Der Name des Mittersiller-Baderles ließe sich aus den Totenbüchern der Pfarre Mittersill wohl unschwer er- mitteln. Philipp über „Die Gemeinde, ein kultu- reller Lebensraum". Am Beispiel seines Bezirkes Kufstein zeigte er das viel- fältige Leben im kulturellen Bereich, das weitgehend von Einzelpersönlichkeiten getragen ist. Die Gemeindebudgets wei- sen zwischen en und 3,5 /o der Gesamt- summe für kulturelle Zwecke auf. Ein Drittel der Gemeinden des Bezirks Kuf- stein verfügen über eigene Büchereien, vielfach Pfarrbüchereien. Die Schul- räume wurden nach Möglichkeit für die Oeffentlichkeit zur Verfügung gestellt, um Gemeinschaftsverianstalt.ungen zu ermöglichen. Bezirksschuiinspektor Richard Kiok- ker, Vorsitzender der ‚Tiroler Erwach- senenschulen" beschäftigte sich mit der Schule im Aufbruch zu einer offenen Bildungs- und Kultureinrichtung. In der Lerngesellschaft ist ein Weiterbildungs- system erforderlich. Nach dem Auftrag von Landeshauptmannstellvertreter Pro- fessor Dr. Prior wurden die Schulen geöffnet. Früher entschied der Bezirks- chulrat über die Aufnahme von Ver- anstaltungen im Schulhaus, nunmehr haben die Schulerhalter das Mitsprache- schwarz oder dunkelblau gefärbte zwil- chene Hosen und am Sonntag noch die lederne. Die Hemden waren aus feinem oder grobem Leinen. Im ersteren Fall sprach man von harbenen, im zweiten Fall von werchenen oder rupfenen. - Bei den Frauen war der obere Teil har- ben, der Unterstoß rupfen. Die Männer hatten fast ausschließlich solche aus letzterem Material. So besaß der Vater eines heute (1957) Sechzigjährigen in Going zwar eine gro- ße Anzahl von Hemden, aber nur zwei mit musselinenem Kragen. Zu dieser Sache erzählt der U5jährige Raß-Vater folgendes: „Die Pfoadn, was mia als junge Buam bön Lacknbauan ghab homb, sönd all wercher gwesn und dös- wegn ganz damisch wax. Vor mas u- glegt homb, ham mas bön Türstock hi- und herzochn. Da oa is innabei gstandn und da oa außtbei und so hamma dö Pfo;ad hin- und herzochn, genau wia d' Sag bön Holzschneidn." Mäntel waren weder bei Frauen noch Paraplui oder Umbrell benamst. Gegen recht. Allerdings war nicht in erster Linie oder ausschlIeßlich an Sportver- eine gedacht worden. Die Lehrer halten Kontakt zur Erwachsenenbildung. Die Bildung von Hauptschulverbänden brachte seinerzeit einige Sorge um die Entwicklung der Dörfer, inzwischen hat s ch gezeigt, daß die Hauptschulorte zu- rück-ns Dorf wirken. Der Abbau der Benachteiligung im kulturellen Leben auf dem Lande ist das Ziel der Er- 'achsenenbildung. Hauptschuldirektor Emil Ladstätter sprach über die „Bildungswoche als Kulturwoche für alle und mit allen" und zeigte als Beispiel die Bildungswoche in Telfs auf. Abschließend ergriff Landes- archivdirektor Hofrat Dr. Widmoser das Wort. In einem mit großer Begeisterung aufgenommenen Kurzreferat befaßte er sich mit dem Chronikwesen, wobei er einen Abriß der Geschichte gab und be- richtete, wie Chronisten zu aller Zeit ihre Aufgabe darin sahen, den Menschen eines Raumes eine Bewußtseinsma- chung zu vermitteln. Es gibt in Tirol (Nord- und Osttirol) 1233 Chroniken, die bei einer Erhebung der Arbeitsgemein- schaft Tiroler Chronisten genannt wur- den, aber nur ein recht bescheidener Teil sind Gemeindechroniken. Sie sind übrigens alle jüngeren bis jüngsten Da- tums, weil früher die Aufgaben der ‚Gemeinde" von den Pfarren getragen wurden. Nur einige alte Städte haben Chroniken aufzuweisen, weil hier sehr früh die öffentlichen Aufgaben heran- standen. Der Chronist hütet das Wissen um Vergangenheit und Gegenwart und sieht seine Aufgabe darin, etwas für die Zu- kunft der Gemeinde zu schaffen, was bald Geschichte ist. Der Chronist will nicht in der Vergangenheit leben, in den letzten Jahren ist daher das Chronik- Regen hatte man ein großes Regendach. Parapuli oder Umbrell benamst. Gegen die Kälte schützten sich die Frauen durch die großen Uebertücher und die Männer durch die Lodenen Ueberröcke. Bei festlichen Gelegenheiten erschienen begüterte Bäuerinnen mit den soge- nannten eingewickelten Schals, die fär- big-leuchtende türkische Muster auf- wiesen. An den höchsten Feiertagen kann man solche prachtvolle Tücher heute noch am Lande sehen. Sie sind quadratisch, werden aber zum Dreieck zusammengefaltet und haben lange Fransen. Am Angerberg kaufte sich ein Bauer n a c h 1918 seinen ersten Mantel. Mit diesem angetan, holte er in der hl. Nacht seinen Nachbarn zur Mette ab. Dieser betrachtete ihn von oben bis unten und sagte schließlich staunend: „Na, jetzt hat der gar einen Mantel an!" Bin ich doch hundertmal zum Engelamt und zur Motten gegangen, und habe nie einen Mantel gehabt!" (Fortsetzung folgt) Bildungs. und Kulturarbeit für die Gemeinde Ing. Schermer - Vizepräsident des Tiroler Kulturwerks Hofrat Dr. Widmoser im Vorstand
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