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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 18. Dezember 1976 Dbmann:stellvertreter Ferdinand W i d - m o s e r schloß sich den Ausführungen von Kamerad Taxer an. Der anwesende Obmann der Heimkeh- rerkameradschaft, Bezirksobmann und Landesobmann-Stellvertreter, Ökono- mierat Josef 0 b e r h a u s e r, entgeg- nete auf Befragung, daß ein Zusammen- schluß von seiten der Heimkehrerkame- radschaft begrüßenswert wäre. Schon oft in den letzten Jahren, sind b e i d e Kameradschaften gemeinsam aufmar- schiert. Da sich keine Gegenstimme meldete, ersuchte Ehrenobmann Franz Pletzer die Anwesenden, den Vorschlag des Bürger- meisters zu akzeptieren und schloß mit dem Ruf „In Treue fest!" die Versamm- lung. Der Tiroler Kaiserjägerbund, Orts- gruppe Kitzbühel, wurde am 8. Dezem- ber 1929 gegründet. Die Vorbereitungen Um die Zeit vor Weihnachten ist, wie jedes Jahr, in der Brixener „Alpenrose" die Gaststube voll von Leuten, welche eifrig dabei sind, durch Kartenspielen wenigstens einen der vielen aufgesta- pelten wohlriechenden Zelten zu ge- winnen. Man trifft dabei die Bergbau- ern genau so wie die Dorfbewohner. So war es auch an einem der letzten Tage, was sollte man auch sonst an den langen Winterabenden tun. Die Brixner saßen beisammen und waren lautstark beim Zeltenwatten. Mitten unter dem aufregenden Spiel ging die Gaststuben- tür auf, und wer kam herein? Es waren zwei Leute von auswärts, das wußten wir sofort. Das Paar setzte sich ohne Zögern an den Stammtisch, dazu auch noch zu mir, da sie anscheinend mein- ten, weil auch ich einen Jeansanzug trug, daß ich vielleicht auch aus Ame- rika sein könnte. Die Leute redeten mich auch gleich in Englisch an und begrüßten uns alle mit einem herzlichen „bw are you"? Da ich zum Glück Englisch ver- stehe, war gleich eine rege Unterhaltung im Gange. So wußten wir bald, daß die interessanten Gäste auf der Durchreise waren, einen Europatrip machten und in Los Angeles, Kalifornien, daheim sind. Sie erzählten weiter, daß das ihre Hoch- zeitsreise sei und sie in Europa den Honeymoon verbringen. Das haben wir uns am wenigstens gedacht, da der frischgebackene Ehemann bereits 59 Jahre, und seine, übrigens charmante Frau bereits 47 Jahre jung war. Nach- dem die Leute aus Kalifornien bereits den dritten doppelten Obstler getrun- ken hatten, der ihnen wirklich „excel- lent" mundete, wurde das Ehepaar aus Übersee immer gesprächiger. Ich fühlte mich in meinem Fahrwasser und hatte als „Interpreter" (Übersetzer) pausen- los zu tun. Die Leute entwickelten einen ganz ungeheuren Wissensdurst, so daß zur Gründungsversammlung, die im Gasthof Harisch stattfand, wurden von den beiden Bürgermeistern Karl P 1 a - n e r (Kitzbühel-Stadt) und Georg L a u- c h e r (Kitzbühel-Land) durchgeführt. Die Wahlen vor nun fast 50 Jahren un- ter dem Vorsitz von Bürgermeister Karl Planer brachten folgendes Ergebnis: Obmann: Josef Krimbacher Stellvertreter: Herbert Prantl Schriftführer: Hermann Holzner Stellvertreter: K. Larcher Kassier: J. Oberhauser Stellvertreter: F. Föger Beisitzer: Bürgermeister Karl Planer und Altbürgermeister Hans Hirns- berger, Bezirkshauptmann ORR Graf Giovalen'ni und E. Hugetz. Bei der Gründungsversammlung tra- ten hundert Tiroler Kaiserjäger dem Bund bei. die Sache für mich recht aufregend wurde. Während unserer Unterhaltung bemerkten sie auch die wie wild herum. gestikulierenden Zeltenwatter und lie- ßen, sich von mir die Geschichte des Zeltenwattens genau erklären. Auch die schönen Zelten selbst hatten es ihnen angetan, bis der Wirt Martin sagte: „Herein mit einem Trumm und ein Stück Bauernbutter dazu, die Kalif o:r- nier sollen davon habern, damit sie wis- sen, im Brixental gibt es auch etwas Gutes." Wenn auch das Anschneiden des Zeltens nur mit unserer Hilfe möglich war, wir haben die Prozedur streng brixentaieriisch gemacht und sogar die drei Kreuze nicht vergessen. Als wir ihnen erklärten, daß wir in Tirol die Butter nicht aufstreichen, sondern auf das Brot legen, war alles klar. Die nette Bedienung namens Wetti, deren Namen sie erst verstanden, als ich ihn mit Bar- bara übersetzte, zufällig hieß die Frau von Mr. Sears auch Barbara, mußte gleich noch weitere Brixentaler Obst- ler bringen. Die Obstler gehörten ja zum Zeltenbrot dazu. Das Früchtebrot schmeckte den Amerikanern einfach phantastisch. So ein feines Früchtebrot gibt es keinesfalls im Lande der Oran- gen sondern nur hier im Brixental, be- stätigten Mr. und Mrs Sears wiederholt. Es gibt in Kalifornien wohl auch so eine Art Früchtebrot wurde uns gesagt, die- ses wäre aber in keiner Weise so schmackhaft wie die Kletzenbrotschnit- ten aus Brixen. Neben mir saß auch der Bäcker Peter, der diese lukullischen Kost- barkeiten hergestellt hatte. Auf Grund der lobenden Äußerungen von Barbara und John konnte man neidlos verstehen, daß Peter mit Recht stolz war auf seine Backkunst, denn nicht jeden Tag essen Amerikaner in Brixen Brixener Zelten- brot. Die Unterhaltung ging unaufhaltsam weiter, es wurde uns gesagt, daß es eine derartige Gemütlichkeit, wie es eben gerade jetzt hier der Fall ist, in Amerika überhaupt nicht mehr gibt. Eine so ge- sellige Atmosphäre wäre bei ihnen völ- lig undenkbar. Über die gemütliche Stimmung freuten sieh Mr. und Mrs. Sears zusehends mehr. Wir waren mitt- lerweile eine Gesellschaft geworden als wären wir schon öfter beisammen ge- wesen. Auch die Einheimischen wollten vieles über das ferne Land erfahren. Über die Pazifikküste, Los Angeles, Sacramento usw. usw. Auch bei unse- ren Leuten ging die Fragerei .ins End- lose. Erstaunt fragten sie mich, ob ich den Dialekt dieser Leute verstehe? Als ich beteuerte, daß ich ja auch einer von Brixenern bin, so wurde es erst dann geglaubt, als ein Brixner versuchte es ihnen beizubringen und sagte, der M'el- chlor hat immer zu uns gehört. Ich habe dann zu den Stammgästen gesagt, sie sollten erst hören, welche Dialektaus- drücke ich wirklich könnte. Besonders lieben sie Tirol von Österreich, dann Deutschland und die Schweiz. Die Men- talität dieser Menschen, ihre Gastfreund- schaft und Aufgeschlossenheit dem Aus- länder gegenüber. Auf ihre Heimat be- fragt, so betonten sie mit Nachdruck, Europa ist ein wunderbarer Kontinent und schön, aber Kalifornien ist unsere Heimat. Wir würden immer wieder dort- hin zurückkehren und könnten es wohl kaum überleben, ohne je wieder einen Blick ü:ber das weite Meer des Pazi- fiks zu werfen. Wir verstanden der bei- den Liebe zur Heimat, da es auch uns ähnlich ergehen würde und auch die Brixener die Salve kaum vergessen könnten. Mit leichtem Stolz, aber ohne Voreingenommenheit wurde uns gesagt, daß Amerika uns auf vielen Gebieten fast um ein Jahrhundert voraus sei. Wit sollen aber diese Bemerkung nicht ernst nehmen, denn gerade so wie wir jetzt leben, schätzen sie uns am meisten und so sollen wir immer bleiben. Besonders die Bewohner eines kleinen Dorfes be- varzugen sie, da ein Abend wie er uns in der „Alpenrose" gemeinsam geboten wurde, mehr zur Völkerverständigung beiträgt als internationale Kongresse oder Tagungen in Weltstädten. Anderer- seits waren die beiden von der Hektik unserer europäischen Großstädte, wie z. B. Wien, Frankfurt oder München geradezu geschockt, so daß sie sagten: „Das ist ja fast wie in Los Angeles." Am schönsten fanden sie die Fahrt mit dem Auto, von Salzburg nach Brixen, da man unterwegs sogar einen lebenden Habicht beobachten konnte, den es in Kalifornien schon lange nicht mehr zu sehen gibt. Die Gäste meinten damit nicht den aus- gestopften Habicht, den der 'Martin in einer Ecke seiner Gaststube angebracht hat. Im Laufe des langen Abends war auch vom Kletzenbrot und der Butter bereits nichts mehr übrig. Es war Zeit, das Das Zeltenwatten und die Leute aus Kalifornien Am Stammtisch erlebt von Melchior Meyer, Brixen
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