Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 10 Kltzbüheler Anzeiger Samstag, 29. Oktober 1977 Vor wenigen Tagen konnte ein ver- dienter Tiroler Landarzt und zwar Dr. Dr. Luis Gasser, der heute in Rum bei Innsbruck lebt, seinen 80. Geburtstag, in relativ guter körperlicher Frische und Verfassung feiern. Dieses Glück veranlaßte mich, über ihn und über das Leben eines verantwortungsbewußten Landarztes, das ihn tn guten und schlechten Tagen vollends ausfüllte, ein- gehender zu berichten. Unser Dr. ist ein gebürtiger Süd- tiroler, studierte dort ursprünglich Ju- rist, bekam abr keine Anstellung und zwar aus, dem einen Grund, weil er Südtiroler war. Aus Neigung ergriff er dann das Medizinstudium und wurde daher auch noch Dr. med. Bis zum Jah- re 1939 hatte er die italienische Staats- bürgerschaft. Er machte den Weltkrieg vom Anfang bis zum Ende mit. In Süd- tirol blieb ihm auch nach dem Kriege eine staatliche Anstellung versagt, so daß er schließlich nach Richtung Nor- den wechselte und so nach Brixen im Thale kam, wo er erstmals als Dr. med. Luis Gasser seine Praxis im Hause Pir- ker eröffnen konnte, was ihm schon etwas besser zugute kam. Jedoch es be- gann für ihn wiederum eine harte und schwere Zeit, welche aber unser Dr. gerne in Kauf nahm, da er nun end- lich eine sichere Anstellung gefunden hatte. DDr. Gasser kam zu jerir Zeit nach Brixen, wo überall Not und Elend das Land beherrschte. Es war das Jahr 1947, Fortsetzung aus Nr. 42 Kaiser Franz Joseph von Habsburg war am 21. November 1916 um 9 Uhr abends in Schloß Schönbrunn gestor- ben. Dessen Nachfolger, Kaiser Karl, mußte bei dieser schwierigen Zeit das geerbte Amt übernehmen. Am Ende des Krieges wurde dieses langjährige Kaiserhaus ausgeschal- tet. Am 12. November 1918 wurde die Republik ausgerufen. Dr. Renner übernahm die Regierung. Es wurden neue Gesetze gegründet: die kurzfristige 8stündige Arbeitszeit, die Arbeitslosenunterstützung, der Mieterschutz etc. etc. Arbeit war notwendig und Verdiest. Es kam Geld, nochmals Geld, und die Notenbank der Regierung erzeugte wiederum Geld, um die Schulden zu begleichen. Post und Bahn wurden organisiert. Lohnerhöhung und Streik, Streik und Lohnerhöhung. Auch In wo niemand wirklich wußte, was eigent- lich los war oder geschehen sollte. Um- so notwendiger war es daher, daß ein junger lebensfroher Arzt in das Dorf Brixen Seiflkn Einzug halten konnte. Kranke, geschwächte und hialbverthun- gerte Menschen gab es damals mehr als genug, sozusagen mehr kranke Leute als Medikamente verfügbar waren. So- mit mußte der Beruf als Land- und Ge- meindearzt inen Anfang nehmen. Als Ordination und Arztwohnung stand damals ein Haus zur Verfügung, das heute als primitiv bezeichnet wer- den könnte. Man mußte froh sein, über- haupt eine Behausung zu haben. Der damalige Bürgermeister Christian Bei- hammer, RLeserbaur, so sagte mir Dr. Gasser, stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite, was mir im besonderem Maße stets zugute kam. Wir haben vorn Jahre 1947 bis zu dem Tage, es war das Ende des Jahres 1964, immer gut har- moniert, wo ich schweren Herzens Bri- x'en im Thale verließ, um nach Rum bei Innsbruck zu ziehen. Jetzt aber wieder zurück zum Leben und izur Arbeit eines Landarztes in einem Tiroler Dorf Na- inens Brixen im Brixental. Ob der Himmel heiter war oder die Nacht strnenübeiisät oder stockdunkel war, bei Regen, Schnee und Wind, un- ser Dr. Luis war im Dorfe selbst mit seinem Fahrrad da - Auto hatte er ja keines - er kraxelte auf schmalen, stei- len Wegen hinauf zu den Bergbauern unter extremsten Verhältnissen, wenn den Fabriken und Bergwerken wurde dieses Verlangen bald zur Leiden- schaft. Fromme Wünsche wurden von der Regierung durchgeführt. Es ging so nicht mehr weiter, es war zuviel Geld ohne Wert vorhanden. - Der Bankrott stand vor der Tür. Ein christlichsozialer Staatsmann mit Vernunft, von Vertrauen umge- ben, sollte dieses unzufriedene, trost- lose, heruntergekommene Staatswe- sen noch retten. Es war Dr. Seipel. Das Geld wurde stabil, die Milliar- denkronennoten wurden auf Schilling- währung übertragen und es ging wie- der weiter. Dr. Seipel lehnte dann ei- nen Ministerposten ab, teils aus Ge- sundheitsgründen, teils um seinem Beruf wieder nachzukommen. (Dr. Sei- pel war Prälat und Hochschullehrer, aber dann von 1926-1929 neuerlich Bundeskanzler. A. d. Red.) Angeblich von 1924 bis 1930 kam es galt einem bedrängten Menschen ärztliche Hilfe zu bringen. Gleichsam als rettender Engel war er zur Stelle wenn es notwendig war einer Mutter, ob arm oder nich, in ihrer schweren Stun- de zu helfen, um wieder einem jungen Erdenbürger das Licht des Lebens, das Licht der Brixentaler Sonne erstmals sehen zu lassen. Unser Dr. Gasser kann- te keinen Stolz, stets willig und frohen Mutes war sein Gemüt. Für jeden, dem er begegnete, hatte er ein gutes Wort übrig. Diese Tatsache wird auch heute noch genauso wie damals von den Ein- wohnern des Dorfes Brixen geschätzt und besprochen. Als Verfasser dieser wahren Erzäh- lung erlaube ich mir zu behaupten, da such ich in dieser Zeit schongelebt ha- be, daß Dr. Gasser für Brixen ein Land- arzt war so wie ein Landarzt oft in den Büchern beschrieben wird. Aber ganz sicher war er zumindest ebenso gut. Ich persönlich würde sagen fast noch besser. Da ich nur zu gut weiß, was es heißt, einen guten Arzt bei notwendi- gem Bedarf hilf sbreit im Hause zu haben. Einmal war es, es gab bei mir wieder Familienzuwachs, daher mußte ich Dr. Gasser konsultieren und ihn bit- ten zu kommen, da die Angelegenheit, die es betraf, zu langsam voranging. In- folgedessen saßen wir um drei Uhr früh des Jahres 1953 am 28. Mai noch im- mer im Schlafzimmer neben dem Bett meiner Frau Agnes - leider lebt sie heute nicht mehr - so daß der gute Dr. Luis Gasser zu mir sagte: „Melchior, wollen wir nicht in der Zwischenzeit Karten spielen?" Ich sagte um Gottes Willen, ausgeschlossen, erstens kann ich es nicht und zweitens in Anbetracht der eine moderne, auflebende Zeit und das gesamte Wirtschaftsleben zeigte sich in Zufriedenheit. Denn das Volk war seit dem Ausgang des Weltkrie- ges und der darauffolgenden Schick- salsschläge in jeder Beziehung leich- ter zu befriedigen und weniger an- spruchsvoll. Auch die Bauern und die Gewerbe- treibenden schlossen sich zusammen, um eine fortschrittlich bessere und glücklichere Zukunft ins Leben zu rufen. In das gemütliche Wirtschaftsleben wurden hie und da Verordnungen er- lassen, die einen mehr, die anderen weniger entsprechend. So mußte die Vollmilch nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Lande pasteu- risiert werden. Die natürliche Kuh- milch durfte an die Verbraucher nicht mehr verabreicht werden, weil sie der Gesundheit widersprechen soll. Auch die Butter muß vom selben Rahm her- gestellt werden; sie wird dadurch haltbarer und ist im Geschmack vor- aus. - 1927 war in Kitzbühel eine Land- wirtschaft- und Gewerbeausstellung. Aus dem Leben eines Landarztes Zum 80. Geburtstag von DDr. Luis Gasser von Melchior Meyer, Brixen im Thale Aus dem Tagebuch von Vater Simon Thaler, Oberndorf Geboren am 15. Mai 1864 Gestorben am 10. Jänner 1953
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