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Fritz Straßer, seit nun bald 10 Jahren Leiter der Volkshochschule. Sein größter Wunsch wäre es, wenn die gegenwärtig verwaiste Stelle eines Leiters des ‚Katholischen Bil- dungswerkes" neu besetzt würde. Es war im Frühjahr 1950, als ich dem bereits verewigten Volksschul- direktor und späteren Oberschulrat Sepp Prantner ün Bundesschulland- heim St. Christoph am Arlberg bei einem Lehrerskikurs begegnete. Er er- zählte mir damals von seinem Schul- leben in St. Johann und daß der Lan- desverband der Tiroler Volkshoch- schulen im Verein mit der Gemeinde- vertretung von St. Jeiiann an ihn her- angetreten sei mit den: Wunsch, in St. Johann eine Zweigs :elle der Volks- hochschule zu errichten. Im Westen Osterreichs wurden die Landesverbände erst nach dem 2. Weltkrieg installiejit, im Gegensatz zu Wien, wo bereits- vor der Jahrhun- dertwende im Volksheim und in der Urania die Erwachsenenbildung ge- pflegt wurde. Tirol war daher sehr in Eile und trachtete nach der Gründung eines gesamtöstenleichischen Dach- verbandes sofort nach der Errichtung mehrere r Zweigstellen in den größeren Tiroler Orten. Überall dort wurden Zweigstellen e1riche:, wo ein Bürger- meister, ein Schullel:er, ein Lehrer oder anderer geistig Aufgeschlossener den Eindruck hatte, daß die Bevölke- rung an volksbildnerischen Veran- staltungen interessiert sei und daß ein Bedürfnis bestehe, Volkshochschul- kurse zu besuchen. Sicherlich wure in den meisten Fällen von Innsbuck aus die Anre- gung zur Gründung einer Zweigstelle gegeben, im allgemeinen sind die Gründungen Personen zu danken, die heute noch als Gemeinderäte oder - wie in St. Johann - als Bürgermeister tätig sind. Wie hätte man in einem Orte eine Volkslioc hschule schon gründen und erhalten können ohne die ideelle und finanzielle Mithilfe der Gemeinden? St. Johann und Kitzhü- hei waren aufgeschlossen genug, um noch im selben Jahr - 1950 - eine Volkshochschule zu errichten und der bereits erwähnte Direktor Prantner war Idealist genug, die Leitung der Zweigstelle St. Johann zu überneh- men. Ehrenamtlich und ohne jegliche Honorierung für seine aufreibende Arbeit, verspürte er nur den Drang, sich selbst der Bildungsarbeit zur Ver- fügung zustellen und Kenntnisse und Wissen einem weiteren Personenkreis als den Schülern der eigenen Schule zugänglich zu machen. Direktor Prantnie:r hielt dies bis zu seinem plötzlichen Tode im Jahre 1968. Während er dem Zug der Zeit ent- sprechend an der Volkshochschule St. Johann immer ein Gutteil seiner Kur- seden naturwissenschaftlichen, sozio - logischen und philosophischen Wis- senschaften gewidmet hatte, begann sein Nachfolger, Hauptschullehrer Alois Hirzinger, bereits mit der Ein- führung speziell berufsfördernder und praktischer Kurse. Leider war es Hir- zinger wegen zu großer Arbeitisiiber- las tung nicht allzulange möglich, die örtliche Volkshochschule zu führen, so daß wiederum verantwortungsbe- wußte Gemeindemandatare die Initia- tive ergriffen und mich um die Ober- nahme dieses Ehrenamtes baten. Ich erinnere mich noch gut, wie Bürger- meister Andreas Mariache:r bei met- nem Amtsantritt alle erdenklichen Hilfen versprach und die Ziele der Volkshochschule wie folgt charakteri- sierte: „Die Volkshochschule unserer Tage soll ihre Tätigkeit nicht nur in der Vermittlung von Wissen und Kenntnissen sehen - o wichtig diese auch sind - sie soll sich auch in den Dienst der Erziehung der Menschen zu Urteilsfähigkeit und zum selbstän- digen Denken stellen. Sie soll als zen- trale Institution der gesamten Er- wachsenenbildung im Ort eine Stätte der Begegnung für Menschen aller Be- rufe, Altersstufen und Weltanschau- ungen werden, also Mitträgeriin staatsbürgerlicher Bildung'. Sehr rei- fe Worte von einem erfahrenen, ver- antwortungsbewußten Kommunal- politiker. Nun, Ich nahm die Arbe:t auf und da das Interesse für praktische und beufsfördernde Kurse deu:lich über- wog, setzte ich die von Alois Hirzinger begonnenen praktischen Kurse fort, und bis heute dür1ften wohl so 150 an der Zahl abgehalten worden sein. Da wir in zwei Jahren auf drei Jahrzehnte des Bestehens unserer Zweigstelle zurückblicken, wird dies auch der Anlaß sein, einen Rechen- schaftsbericht zu veröffentlichen. Aus den jährlich zweimaligen Kurs- ausschreibungen im Kitzbürheler An- zeiger und in der St. Joham'ier Rund- schau im Frühjahr wie im Herbst ist unser Kurspogramm ersich:lich. Seite 9 Angeboten werden Sprachkurse, Koch- und Nähkurse, Kurse aus Gymnastik, Leibesübungen, Buchhal- tung und Steuerberatung, Steno- graphie, autogenes Training, Malen, Basteln sowie Tanzkurse. Da das Interesse für all diese Ange- bote sehr groß war, war ich gezwun- gen, das Vortragswesen ganz dem Katholischen Bildungswerk abzutre- ten. Oberschulrat Randl und Haupt- schullehrer Schöllenberger haben als Leiter dieser. Institution das Vortrags- wesen jahrzehntelang mustergültig und ebenfalls ehrenamtlich betreut. Da die beiden Genannten die Leitung des Katholischen Bildungswerkes zu- ückgeiegt haben, wäre der Erwachse- nenbildung von St. Johann ungemein gedient, wenn sich ein Nachfolge ein- stellen würde. Hausfrauen, Pensionsinhaber, Ski- lehrer und andere Saisonbedienstete, ja Personen aus allen Bevölkerungs- schichten evölkerungs- schichten haben längst erkannt, daß in der Zeit unseres modernen Frem- denveriehrs das einst in der Schule gebotene Pflichtschulwissen bei wei- tem nicht mehr ausreicht, und daß man sich in Erwachsenenkursen nicht nur Bildungswissen, sondern auch Sicherheit im Verkehr mit Mitmen- schen aneignen kann. Jeder Lehrgang schlägt schon durch die Gemeinsam- keit des Teilnehmens Brücken von Mensch zu Mensch. Einen nicht gering zu schätzenden Gemeinschaftsbeitrag leistet die Erwachsenenschule schon dadurch, daß sie eine Fülle von Mög- lichkeiten des Freizeitkonsums eröff - net. Das vernünftige Ausnützen der arbeitsfrleien Zeit ist heute ein Pro- blem, dessen soziale und erzieherische Bedeutung speziell für die berufs tätigen Jugendlichen unerhört groß ist. Die Jugendlichen sind den Ver- lockunrgen der Vergnügungsindustrie am stärksten ausgesetzt, ihre freie Zeit mit seichten und oft geradezu schädlichen Unterhaltungen auszu- füllen. Aber nicht nur der Jugendliche ist heute in Gefahr. Immer wieder hört und liest man, daß sehr viele Erwach- sene an Depressionen leiden oder zu- mindest zeitweise deprimiert sind. Um diesen lähmenden Zustand nicht er- leben zu müssen und dieser grauen Be- drohung zu entkommen, gibt es nur ein Mittel: „Setzen Sie sich ein oder mehrere Nahziele und machen Sie ei- nen Plan, wie diese Nahziele zu er- reichen sind. Unternehmen Sie etwas, was Ihnen Spaß macht und tun Sie es regelmäßig, so daß Sie etwas haben, worauf Sie sich freuen können. Und so ein Nahziel kann auch ein Kursbesuch in der Erwachsenenschule sein. Die Devise heißt: Hreriaus au45 der Bequemlichkeit und hinein in den Kreis froher und gleichgesinnter Men- schen!" Samstag, 15. April 17 K 28 Jahre Volkshochschule St. Johann in Tirol Von Hauptschuldirektor Friedrich Straßer
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