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Samstag, 22. April 1978 Kltzbüheler Anzelger Seite 13 Am nächsten Tag eroberte ich mir das Zentrum von Santiago, eine Welt- stadt wie jede andere auch und doch mit südamerikanischem Kolorit. Im Park Vor. der Kathedrale (span. Ba-. rock) ließ ich mir von einem Mann, der sich selber nie die Schuhe putzen mußte, weil ihm beide Füsse fehlten, mein Schuhwerk auf Hochglanz her- richten, daß sie wie Lackschuhe aus- sahen. Ich wanderte am National- Kongreß vorbei, der aber derzeit ge- schlossen ist, hinüber zur Moneda, zum jetzigen Reg'ierungsgebäude. Auf der breiten Alamedo O'Higgins kam ich zur Universität und zur Franzis- kaner4drche mit dem Kolonial- museum. Im Herzen der Stadt erstieg ich den Cerro Santa Lucia mit dem herrlichen Blick über die 4-Millionen- stadt. Jenseits des Mapocho erhebt sich 200 m über der Stadt der San Cristohai mit einer 22 Meter hohen Muttergottes'statue. Ich stieg auch in die neu errichtete Metro hinunter, um einige Vergiedchsauf nahmen gegen- über Untergrundbahnen anderer Län- der zu machen, was mir aber nur mit Einholung einer Spezialerlaubnis ge- währt würde, wozu ich natürlich kei- ne Zeit gefunden hatte. Mit P. Manuel, der übrigens gut deutsch sprach, machte Ich einige Seelsorgebesuche und am Samstag früh eine Fahrt zum Flughafen, weil um 6 Uhr eine Maschine aus Deutsch- land ankommen sollte, die 'aber erst um 10.30 Uhr landete, aber wieder ohne meinen Koffer. Ich klopfte nun bei der Lufthansa um eine Entschädi- gungssumme an, für die 'diversen Aus- gaben, aber man Wollte mir flUr einen Vorschuß geben, auf den ich wegen der Umständlichkeit der Rückzahlung verzichtete. Am Samstag nachmittag durchwan- derte ich die Slums von Santiago und wurde mit einer Armut konfrontiert, die für unsere Begriffe geradezu un- vorstellbar ist. Nun bin ich schon eine ganze Wo- che auf der Reise und immer noch nicht bei meiner Gruppe. Aber um 21 Uhr setzte ich 'mich in den Bus, der mich auf einer 800 km langen Nacht- fahrt zur Bischofsstadt Viflarrica brin- gen sollte. Und tatsä.chlich am Sonntag, 5.März kam ich bei strahlender Sonne, die gerade über den schneebedeckten Vulkankegel aufgegangen war, In Vii- larric'la an. Obwohl es eine Stadt mit 30.000 Einwohnern ist, war das Bischofshau5 leicht zu finden. Der er- ste, der mich empfing, war „unser" Bischof Sixtus Parzlnger. Er heizte mir gleich einen Boiler an, um mich or- dentlich waschen zu können, auch ein Rasierapparat und ein Hemd für die Feder des Tages war bald gefunden. Meine Gruppe saß gerade beim Früh- stück. Welch freundliche Begrüßung, als wären wir schon immer beisam- men gewesen! 'Sie sangen mir die 1. Strophe vom Alabam,ba-Lied: „Ich komme von St. Johann iXjejn großen Teich daher und habe keinen Pyjama und keinen Koffer mehr". Da die Bischof sweihe gottlob erst am Nachmittag stattfand, ging ich mit Herrn Becker, dem Redakteur des Alt- öttinger Liebfrauenb'oten, zum Fluß hinunter, um bei herrlichem Licht die ersten Aufnahmen von Villarrica mit dem dahinter aufragenden Vulkan zu machen. Als wir zurückkamen, war vor dem Bischof'shaus gerade eine India- nergruppe in ihrer Festtracht ver- sammelt, um dem neuen Bischof mit Spruchbändern, Gesängen und Für- bittgebeten ür- bLttgebeten ihre Aufwartung zu ma- chen. Besonders eindrucksvoll waren die langen Gebete einer Machi (Medi- zinfrau), die 'sie bald stehend, bald knieend verrichtete. Knapp vor 16 Uhr läuteten die Glocken zum Einzug des Klerus in die Kathedrale, die vom Volk schon dicht besetzt war. Wohl 'alle Priester der Araukanie, mit schönen handgestick- ten Stolen, fast der gesamte Episko- pat von Chile mit dem Erzbischof von Santiago, Kardinal Raul Silva Henri- quez, an der Spitze, zogen in C,a,s'el «und Mitra ein. Von Rom war der „Rote Papst" gekommen, nämlich der Prä- fekt der Kongregation für die Evange- lisation der Völker, Kardinal Agnello Rossi, ein gebürtiger Brasilianer, der mit einem Regierungsflugzeug von Santiago nach Temuco und von dort mit einem Hubschrauber nach Villar- rica gebracht wurde. Als Welhegesch'enk brachte Kardi- nal Rossi ein Brustkr,euz mit, das der neue Bischof beider Weihe trug. Das Brustkreuz, das er gewöhnlich trägt, ist ein originelles Geschenk der bayr. Kapuzinerprovinz, nämlich eine in Kreuzform ausgeschnittene Dach- schindel vom Heimathaus des hl. Bru- ders Konrad von Parzham mit einer Reliquie des Heiligen, befestigt an ei- ner schlichten grobgliedrigen Metall- kette. Da die Kathedrale die 4000 Teil- nehmer nicht zu fassen vermochte, wurden die Feierlichkeiten 'über Laut- sprecher ins Freie übertragen. An Hand eines eigens für die Zeremonien gedruckten Büchleins konnten alle die Meßfeier und Weihehand'lung verfol- gen. Auf der ersten Seite stand: „Dem Msgr. Sixto Josef ParzngerFoid1, Titul'arbischof von Gaguari und apo- stolischer Vikar von Araukanijen Ge- boren: 21. Dezember 1,931 in St. Jo- hann in Tirol (Austria), als 3. Kind einer 1 1köpfigen Landarbeiterfamilie." Der älteste Indianerpriester des Vikariates Ufld P. Provikar stellten als Begleiter des neuen Bschofs ihn dem Konsekrator vor und baten um 'die Weihe. Nach Verlesung der Er- nennungsbulle und der Ansprache des Kardinals erfolgte in 'der Litanei die Anrufung aller Heiligen, während der neue Bischof ausgestreckt auf dem Boden lag. Dann sprach 'er da's Glau- bensbekenntnis ud sein Treuever- sprechen zur Kirche gemäß seinem Bischof s'wahlspruch „Ad aedificatio- nem fidel" (,‚Zur Auferbauung des Glaubens"). Als Hauptkonsekratoren fungierten neben Kardinal Rossi, Bischof Fran'ziskus Vaides v. Osorno 'und 'der neue Nachharb'ischof von Temuco, Sergio Con'treras. Ergreifend waren die einzelnen W'eih'ezeremonien. Handauflegung, Auflegung des Evan- gelienbuches, W'ei:hegebet, Salbung, Übergabe des Evangelienbuches, An- steckendes Ringes, Überreichung von Stab und Mitra (die einst Kardinal Faulhaber von München getragen hat- te). Als 'der Kardinal den Neugeweihten zum Bischof,sth'ron der Kathedrale ge- leitete und ihn inthro'nisierte, brach In der Kirche spontan 'ein Jubel aus, der besonders im Händklatschen seinen Ausdruck fand. Nun hielt Bischof Parzinger zum erstenmal in seiner Kathedrale die Ansprache. Es waren Worte des Dan- kes an Gott, an den Konsekrator, an die Bischöfe, an seine Eltern, an seine Mitarbeiter, an das ganze Volk. Neben den offiziellen Weihegaben (ein Laib Brot und ein Fäßchen Wein) brachten 4 Indianer Ähren-Garben und grüne Zweige und sprachen in ihrer Mapu- chesprache die Fürbitten für den neuen Bischof. Die Meßfeier nahm ih- ren Fortgang mit der 'Eucharistiefeier. Mit dem Neugeweihten 'ko'nzelebrier- ten die 20 Bischöfe und etwa 80 Prie- ster aus dem Weit- und Ordensklerus. Beim Agnus Dei begab sich der Bischof auch ins Kirchenschiff und wechselte den Friedensgruß mit den anwesenden Vertretern der staatlichen und städtischen Autoritäten. Die hl. Kommunion wurde von mehreren Priestern an verschiedenen Stellen der Kathedrale ausgeteilt. Die Hostien reichten gar 'nicht aus. Zum Schluß begleiteten die 'drei Konsekratoren den neuen Bischof durch seine Kathe- drale zum ersten Segen über 'sein Volk, das 'in Spanisch das „Großer Gott wir loben dich" sang, feierlich übermalt von einem mehrstimmigen Überchor. Auf einer Tribüne vor ider Kathedrale erfolgten nun Gratulationen mit mu- sikalischen und szenischen 'Darbietun- gen, die der Neugeweihte auf dem Bal- kon des Dompfarrhauses entgegen- nahm. Gegen 19 'Uhr war dann in der gro- ßen Turnhalle 'beim Jugendheim der Pfarre San Jorge ein Stehempfang mit den offiziellen Gratulationen durch verschiedene Abordnungen von Kir-
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