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Samstag, 30. September 1978 Kitzbüheler Anzeiger Seite 9 Fortsetzung von letzter Woche Hundert Jahre Bundes- musikkapelle Kelchsau Von Schriftführer Sebastian Kirchmair Am verzweifeltsten war Kapellmeister Scharf wohl an einem kalten Jännertag beim Begräbnis des Försters Schöpf. Als sich der Leichenzug in Bewegung setzte und die Musik intonierte, merkte der Kapellmeister sofort, daß hinter ihm einer aber schon ganz falsch blies, daß der Trauermarsch in einen Jammer- gesang auszuarten drohte. Doch zu seiner großen Erleichterung fielen Gott sei Dank die Kirchenglocken ein und übertönten das schauerliche Geschehen. Erzürnt rief Scharf zurück: „Ja, was hat denn der Saggra- schwanz!" Warauf der schuldige Trompeter unschuldig erwiderte: „Weil mir bei der Saukält'n die dritte Klapp'n zugefroren ist, dann hab i halt mit der zweiten weiter- gspielt!" Doch es gab nicht nur musikalische Umfaller, sondern auch solche im wahrsten Sinne des Wortes. Es war beim Namenstagsständchen für Forstrat Wessely. Dieser führte nach dem Ständchen die Musikanten in sein Wohn- zimmer, um sie dort zu bewirten. War es der spiegelglatte Parkettboden oder die Kraft des Weines, das Ltßt sich heute nicht mehr ent- scheiden: aufjeden Fall mußten die Gäste den gastlichen Raum auf allen Vieren verlassen. Selbst die „Rauchgenagelten" stemmten sich vergeblich in den harten Boden. Daß die erzürnte Frau Forstrat ihrem Gatten den dringenden Befehl gab, die „Bande" das nächstemal im Wirtshaus zu bescheren, läßt sich verstehen, wenn man sich den Zustand des Parkettbodens nach jenem Abend vorstellt. Die Jahre vergingen, und immer stießen neue MännerzurMusikkapelle. 1908 waren es u. a. der Blitzenbichl-Thomal, der spätere Kapellmeister, und der Prantl-Jagg. Die Aus- bildung der Musikanten überließ der Ober- förster seinem musikalisch sehr begabten Töchterlein Adelinde. Mit dem Kochlöffel schlug sie in Scharfs Küche den Takt und schenkte den jungen „Patzem" auch nicht eine Achtelnote. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß dervon ihr dressierte Prantl-Jagg später ihr Ehemann wurde. Und wenn man heute den Jaggl fragt, wer dann den Taktstock in den Händen gehabt habe, zieht er ein paarmal bedächtig an seiner treuen Pfeife und lächelt: „Dös laßt sich ja leicht vorstellen, daß sie ihn nimmer auslass'n hat!" 1911 wurde mittels eines Glückstopfes die neue braune Tracht beschafft. Gleichzeitig wurden wieder Neue „abgerichtet". Jetzt half auch bereits der Sohn des Kapellmeisters, der Pepi, mit. Unter den Ersten aus seiner „Schule" war der jetzige Ehrenkapellmeister, Josef Kirchmair, welcher 1912 zur Kapelle kam. Zum ersten Male rückte er zum 25. Kapellmeisterjubiläum von Josef Scharf aus. Diesem wurde damals eine schöne Ehren- urkunde überreicht, welche heute noch in der Stube des Prantlbauem hängt. Die gute, alte Zeit ging ihrem Ende zu, der Erste Weltkrieg begann. Zu Allerheiligen des Jahres 1919 rückte die Kapelle zum ersten Male nach dem Kriege aus. Noch nie hatte das Lied vom „Guten Kameraden" eine tiefere Bedeutung als damals. Man dachte anjene, die für immer draußen geblieben, und an die, die sich immer noch in Kriegsgefangenschaft befanden. Da der alte Scharf-Vater die Kapellmeister- stelle aus Altersgründen zurückgelegt hatte, übernahm dieselbe nun sein Sohn, Pepi Scharf. Er machte seinem Namen alle Ehre und führte ein „scharfes" Regiment. Unter seiner Führung erlebte die Kapelle ihre erste Blütezeit. Er schulte seine Leute nicht nur musikalisch, sondern als Standschütze begann er draußen vor der Mühle - uneinge- sehen - mit seinen Mannen zu exerzieren. Und wenn man all die Jahre den beliebten Kapell- meister Josef Kirchmair so stramm und schneidig dahermarschieren sah, kann man nur schmunzeln, wenn man daran denkt, daß er damals ängstlich und schwitzend seine ersten „Schritte" erlernte. Allzu schnell vergingen die Jahre. Scharf Jun. eröffnete im Frühjahr 1922 seine tierärztli- che Praxis in Wörgl, und, nachdem eram Jose- fitag 1922 noch zum Ehrenmitglied der Musik- kapelle Kelchsau ernannt worden war, hieß es endgültig Abschied nehmen. In Kelchsau hieß es, sich nun um einen Ka- pellmeister umzusehen, und die Wahl fiel auf einen der ältesten Musikanten, den Thomas Hausberger vulgo Blitzenbichl-Thomal. Er war ein Musterbeispiel für Fleiß und Idealis- mus zur guten Sache. Unerwartet schnell starb Kapellmeister Hausberger 1925 an einer Blinddarmentzün- dung. In der Übergangszeit übernahm Josef Kirchmair die Kapelle. Da eraberals Musikant unentbehrlich war, wurde Oberlehrer Josef Fleidl gebeten, die Kapeilmeisterstelle zu übernehmen. Fleidl erwarb sich auch große Verdienste um den Kirchenchor und den Män- nergesangverein. 1927 war die Fahnenweihe der Feuerwehr und die Weihe des neuerbau- ten Schulhauses. Da die Musikkapelle dort ein Probelokal erhielt, fanden die wöchentlichen Proben in der Schule statt. 1928 begleiteten die Musikanten ihre treuen Förderer Wessely und Peter Fuchs zu Grabe. Fuchs starb als treu- beosrgter Vater von 20 Kindern als ältester Kelchsauer im 86. Lebensjahr. 1929 folgte ihm Vater Scharf im Alter von 75 Jahren. gl HUIIUIIUU1UIUIU IIIflJflflHlflHHtllhI ß or SO aabren HUI1IUUtIl((IulUtItUIufttuhIIUII Kleine Bezirksgeschichte aus dem Jahr 1928 Kössen. Spritzenweihe. Am 2. September 1928 wurde in Kössen die feierliche Ein- weihung der neuen Motorspritze durch den Geistlichen Rat Matthias Wörndle, der auch die Feldmesse zelebrierte, vorgenommen. Bezirkshauptmann Reg. Rat Fuchs dekorierte verdiente Feuerwehrmänner. Nach der Ein- weihung erfolgte vor dem Kriegerdenkmal die Defilierung vor den Honoratioren und den dekorierten Feuerwehrmännern. Am Nach- mittag fand in Aufest, verbunden mit diversen Belustigungen statt. St. Johann. Besitzveränderung. Frau Anna Witwe Köck beim Kantner hat ihr Haus dem Zimmermeiste Peter Steinlechner verkauft; sie baut sich in cer Kaiserstraße neben der Villa Lampl ein Einfamilienhaus. Kitzbü hei. Orthopädisches Kinderturnen. Der Deutsche Turnverein hat letzthin eine bedeutende Erweiterung und Vertiefung seiner Arbeitstätigkeit beschlossen. Schon in der nächsten Woche (anfangs September 1928) wird unter der sachkundigen Leitung des Herrn Dr. Friedrich Seelig und Herrn Alfons Prantl das orthopädische Turnen für Kinder systematisch in Angriff genommen. Kitzbü hei. Leserbrief Beim Artikel „Öffent- licher Dank" in der letzten Nummer der „Kitz- büheler Nachrichten" wäre es wohl ange- zeigter gewesen, die Namen nicht zu ver- öffentlichen. Es gab sicher noch viel mehr Parteien, die ihre Häuser mit Blumen schmückten und weder Mühe noch Geldaus- gaben scheuten, um den Ort zu verschönern. Wenn auch das Bürgermeisteramt es für unmöglich hält, jedem einzelnen den gebührenden Dank auszusprechen, so wäre es doch besser gewesen, die namentliche Anführung einzelner zu vermeiden. Die Blumeninspektoranten werden sicher nicht in alle Gäßchen und Sträßchen ihre Augen auf Blumenschmuck gerichtet haben, sonst hätten noch mehr Namen veröffentlicht werden müssen. M. M. Kitzbü hei. Bürgerversammlung. Am 8. Sep- tember 1928 fand im Gasthof Harisch eine von Christian Mitterer einberufene Versammlung statt, die sich mit den Verhältnissen bei der Hahnenkammbahn beschäftigte. Herr Mitterer führte in seinem Referate aus, daß die Landesregierung wie auch das Bundes- ministerium für Handel und Verkehr sowohl im Technischen als auch im Finanziellen ver- sagte und daher an den heutigen Verhältnissen (einseiliger Verkehr) schuld seien, weshalb sie auch der Stadt Kitzbühel die aufgewendeten Beträge zurückersetzen müßten. Max Werner, der derzeitige Finanzreferent der Berg- bahn AG, gab Aufklärung über die noch not- wendigen Summen, die zur Finanzierung der alten Verpflichtungen aufgewendet werden müssen, sowie über die Kosten des Umbaues und besprach anschließend den Plan zur Auf- bringung dieser Mittel. Dabei war erfreulich zu hören, daß nur eine ganz kleine Summe (50.000 5) noch fehlt, die ein Teil der 200.000
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