Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 7. Oktober 1978 Experten fordern: MehrVerständnis für Skikinder! Karl KOLLER, Chef der Kinderskischule Kollerland in Kitzbühel und Erfinder der spie- lerischen Ski-Lehrmethode für Kinder, lud Ärzte, Wissenschaftler und Vertreter von Industrie und Handelsfirmen zum Sympo- sium „Kinderskilauf" nach Kitzbühel ein. Die Anzahl der versammelten Ärzte und Wissenschaftler im Tagungsraum des Schloß- hotels Lebenberg, an ihrer Spitze Prof. DDr. Huber,Chef des Salzburger Kinderspitals, mit seinem Mitarbeiter Dr. Ginzel, offenbarten Kollers Absicht. Er will den Kinderskiunter- richt auf einer Basis weiterführen, die, neben der Freude am Skisport, den Faktor Gesund- heit miteinschließt. Prof. DDr. Huber: „Für die Körperertüchti- gung ist Kindersport im allgemeinen und als Wintersport im besonderen Maß Skilaufen zu begrüßen. Wir müssen aber insbesondere beim Skilaufen auf die Entwicklungsstufen - Kinder im Vorschulalter - Schulkinder und Kinder in den Pupertätsjahren achten und sol- len Skiunterricht und skisportliche Veranstal- tungen entsprechend gestaltet werden". Und mit warnender Stimme: „Höchstleistungs- sport ist harte Arbeit! Und harte Arbeit ist für Kinder verboten! Was den Kreislauf betrifft, kann ein gesundes Kind nicht überfordert wer- den. Es sei denn, daß es unter psychischem Druck steht. Du mußt fahren - du mußt trai- nieren - du mußt gewinnen!!" Prof. Huber schloß mit dem eindrucksvol- len Satz: „Normaler Leistungssport ist für die Gesundheit der Kinder viel wichtiger als der Spitzensport!" Karl Koller eröffnet erstes Symposium „Kinder- skilauf in Kitzbühel" ' itzbühei", Hotel Schloß Lebenberg; rechts Univ.-Prof DDr. Huber, Leiter des Kinderspitals in Salzburg. DieBegriißungetfolg- te durch den Direktor des Fremdenverkehrsver- bandes Dipl. -Kfm. Dr. JosefZiepl. Karl Koller mit Prof. Dr. Huber Das Kinder-Unfalls-Image muß zerstört werden Nicht selten hört man unter Kindern den Spruch: „Wer sich noch nie den „Haxn" gebro- chen hat, ist kein richtiger Skifahrer!" Sie prah- len mit dem Gipsfuß in der Schule und zu Hau- se und unter Freunden. Immer noch besser, als daß die Kinder weinen oder sich bemitlei- den lassen, kann man darauf antworten. Das stimmt. Ändert aber nichts an der Tatsache, daß die Unfallshäufigkeit bei Kindern steigt und daß nicht alle Unfälle ohne Spätfolgen sind. Deshalb müssen wir gemeinsam Mittel und Wege zur Verhütung von Skiunfällen su- chen. Dazu gehört auch das Image. Neben der Herausforderung, schneidig zu sein, Franz Klammer und andere Skikanonen nachahmen zu wollen, gibt es freilich noch andere, wesentliche Faktoren, die zu einem Skiunfall beitragen können. Die Ausrüstung Zulange, steife, schwere Skier, eine schlecht oder nicht funktionierende Bindung (Sicher- heitsbindung), Skischuhe, die nicht passen. Skier müssen der Größe, vor allem aber dem Fahrkönnen des Kindes entsprechen. Skier in Kopfnähe und darüber setzen sehrgu- tes Fahrkönnen (sicheres Schwingen injedem Gelände) voraus. Für Anfänger sind unbedingt Skier mit kombinierter Steig- und Gleitfläche notwen- dig. Mit diesen Skiern (beim Gehen und Auf- steigen rutschen sie nicht rückwärts) bekom- men die Kinder Selbstvertrauen und dadaurch Lust zum Skilaufen. Symposium Kollerland an Erzeuger: Kin- derskier sollen an der Schaufel und am Skien- de abgerundet sein. Skiende schraubenfestge- stalten. Sicherheitsbindungen sollte man, auch für Kinder, nur mit richtigen Einstell- und Auslö- sewerten kaufen. Der Anschaffungspreis für derartige Sicherheitsbindungen erscheint zwar hoch, doch sind diese Bindungen zum „Mitwachsen" konstruiert, so daß sie fünf bis sechs Jahre brauchbar sind. Auch Kinderbindungen müssen richtig ein- gestellt werden! Nicht mit den Worten: Kinder tun sich nicht so schnell weh, bagatellisieren! Skistopper, wie sie derzeit im Handel sind, werden ab dem 5. Lebensjahr empfohlen. Symposium Kollerland an Erzeuger: gut funktionierende Kinder-Sicherheitsbindun- gen sind noch zu schwer. Kinder-Skischuhe müssen gut passen. Wenn sie zu groß sind und damit der Fuß im Schuh zuviel Bewegungsfreiheit hat, ist die Auslösesicherheit (Bindung-Schuh) nicht mehr gegeben. Kinderskischuhe dürfen nicht zu hart und nicht zu schwer sein. Symposium Kollerland an Erzeuger: Viel- fach sind Kinderskischuhe noch zu hart und zu schwer. Das Kind muß im Skischuh aufrecht stehen können. Bei dauernder Vorbeugehal- tung des Beines kann es zu Knieschäden kom- men. Bewegungsmöglichkeit (beugen der Bei- ne) muß gewährleistet sein. Skistöcke: Länge bis unter die Achsel, für Anfänger etwas länger. Kollerland an Erzeu- ger: längenverstellbare Skistöcke (Wachstum der Kinder). Skibekleidung: rutschfeste Skianzüge, wär- mespeichernd, bequem. Unterwäsche: reine Baumwolle oder Wolle. Kinder schwitzen leicht, deshalb ist saugfähige Unterwäsche wichtig. Handschuhe: Kleinkinder Fäustlinge zum Umhängen, größere Kinder Fingerlinge. Kopfbedeckung: Kleinkinder Mützen; größere Kinder Sturzhelme mit Ohrmu- scheln. Neben der hier aufgezeigten, richtigen Aus- rüstung (sie trägt nicht nur zur Sicherheit, son- dern auch zum besseren Lernerfolg bei) heißt Kollers Rat: gutes Fahrkönnen! Anhand von statistischen Aufzeichnungen stellte er unter Beweis, daß die Unfallshäufig- keit bei Anfängern und schlechten Skiläufern wesentlich höher ist (bis 70 Prozent) als bei gu- ten Skiläufern. Er ist überzeugt, daß vielfach Kinder zu früh auf Abfahrten mitgenommen werden. In den meisten Fällen sind sie sowohl im Fahrkönnen als auch konditionsmäßig den Anforderungen nicht gewachsen. Diese unbe- dachten Ausflüge enden leider oft durch Unfall. Große Lernerfolge mit neuem Skigerät In einem Kurzfilm zeigte Koller die prakti- sche Anwendung seines, gemeinsam mit Chri- stian Steinbach entwickelten Lern- und Fahr- gerätes. Vier Geschwister aus Peru, erstmals auf Schnee, wurden mit Hilfe von „Skihelp Kollerland" geschult. Bereits nach den ersten Tagen Skiunterricht offenbarten sich die Vor- teile dieser Lern- und Fahrhilfe. Durch die Haltemöglichkeit am Gerät verloren die Schü- ler Angst und Unsicherheit, was zu raschem Erfolg führte. Nach einer Woche konnten alle vier Geschwister schwingen und nach zehn Tagen war es möglich, mit Mark, dem Leader der Gruppe, alle Abfahrten (inkl. Streif) zügig abzufahren. Neue Erkenntnisse durch Forschung Mit wissenschaftlicher Exaktheit wurde mit- tels Beschleunigungssensoren jene Kraft ge- messen, welche beim Skilaufen auf das Kno- chengerüst einwirkt. Es zeigten sich sensatio- nelle Ergebnisse. So konnte festgestellt wer- den, daß das Rückgrat kaum stoßdämpfungs- wirkend ist. Die mit Abstand größte Belastung muß von den Knien kompensiert werden. Es folgen die Hüfte (etwa ein Fünftel der Kniebe- lastung) und mit geringen Werten der Kopf. Die Belastungswerte ändern sich jedoch enorm bei verschiedenen Sparten und Schwungformen des Skilaufes. Beim Slalom wurden Höchstwerte ermittelt, die gegenüber langen Schwüngen, das fünf- bis sechsfache betragen. Trainierte Skiläufer können die Stöße besser kompensieren als Ungeübte.
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