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Samstag, 16. Dezember 1978 Strubbachtales mit dem Pillersee ragen dann die schönen, viel höheren Berggestalten der Loferer Steinberge (Hinterhorn, 2506 m) und der Leoganger Steinberge mit dem Birnhorn (2634 m) auf. In diesen beiden Gruppen bildet der hellanwittemde Dachsteinkalk die höch- sten Erhebungen. Im Raum von Kitzbühel haben nicht nur Schubbewegungen von Süden nach Norden stattgefunden, die unter anderem den nord- gerichteten Faltenbau im Hahnenkamm be- wirkt haben. Es sind auch Schübe gegen Westen erfolgt. Beide Bewegungen sind in der Zeit der großen gebirgsbildenden Bewegun- gen eingetreten, demnach im Verlauf der in den Ostalpen sehr unruhigen Kreidezeit (Beginn des Erdmittelalters, 70-140 Millionen Jahre der Erdgeschichte des Kitzbüheler Raumes). Die Grauwackenzone bildete einst den Untergrund der Kalkalpen. Die im Gelände durch Schuttbedeckung oftmals unterbroche- ne Grenze dieser beiden geologischen Ein- heiten verläuft südlich der Tiefenlinie des Söllandls (Söll - Eilmau - Going), wo die Brauchtum - Grundlage der alpenländischen Kultur von Landeshauptmannstellvertreter Prof. Dr. Fritz Prior II. Teil und Schluß Neben dem Mullerlaufen von Thaur, das in die große Gruppe der gesamten alpenländi- schen Spätwinterbräuche einzuordnen ist, und das allerdings nahe Verwandte im Westen und Südwesten Deutschlands und in Frank- reich hat, muß ich einiges zum Krippenwesen von Thaur bemerken. Seit dem Barock wird diese Kleinkunst in Tirol gepflegt, heute mehr denn je, und heute noch befassen sich auch akademische Bildhauer mit dieser Kleinkunst- form. Eine Reihe von alten Bräuchen rund um das Krippenaufstellen hat sich bis heute erhal- ten, manches kam neu dazu, so das Krippen- singen. FünfMänner, die sichvorrund 10 Jahren als Volkssänger zusammenfanden, gehen seit- her als Hirten bekleidet von Haus zu Haus und singen vor den Hauskrippen Volkslieder. Die- ser Brauch - von außen initiiert - ist heute den Thaurern so lieb und selbstverständlich geworden, daß manche Thaurer glauben, der Brauch sei uralt. Diese Romedi-Singer aus Thaur sind mir ein Stichwort für Volksmusik und Volksgesang. Als Franz Friedrich Kohl, Rudolf Wackernell, später auch Norbert Wall- ner und Karl Horak in Tirol den Spuren alpen- ländischer Volksmusik nachgingen, mußten sie annehmen, daß die letzte Stunde zur Auf- zeichnung solcher Volksmusik gekommen sei. Nur mehr klein war die Zahl und fortgeschrit- ten das Alter der Gewährsleute, jener Frauen und Männer, die Volksmusik, Volkslied und Volkstanz noch kannten. Diese Foschungser- gebnisse erschienen in wissenschaftlichen Aufsätzen in Gesangsbüchern und Notenhef- ten. Die vielen Einzelforschungen auf dem Kitzbüheler Anzeiger Grauwackenzone gegen Norden vorspringt, an die Kalkalpen angepreßt und örtlich mit einer steil nach Süden geneigten Fläche am Buntsandstein aufgeschoben ist. Die schlecht erschlossene Gesteinsgrenze quert dann gegen Osten die Reither Ache, das Bichlach nördlich des Röhrerbühels und bei Weihern- dorf (zwischen Oberndorf und St. Johann) das Tal der Kitzbüheler Ache und zieht dann durch die Winkelschattseite in das Tal der Pillersee-Ache, wobei diese westlich des Bahn- hofs Fieberbrunn noch ein kurzes Stück über- schritten wird. Östlich des Trattenbaches brei- tet sich auf der Grauwackenzone weithin noch der Buntsandstein aus. Fieberbrunn liegt in der Mitte dieser Sandsteinzone. In diesem interessanten Beitrag im Kitz- büheler Stadtbuch bringt uns Dr. Mutschlech- ner auch die Eiszeitgeschichte und ein Bild über den gesamten Formenschatz unserer Berge und Täler nahe. So auch die Fossilien- funde zwischen der Lachtaigrundaim und der Lachtalaim, die Diabasvorkommen am Rumelstein des Bichlachs und die Stielglieder von Seeliien am Pfeiferkogel. Gebiet der Volksmusik im ganzen Alpenraum ergaben ein Mosaik, das wiederum die Eigen- ständigkeit alpenländischer Volkskultur in ihrer Vielfalt und doch Zusammengehörigkeit bewies. Seit etwa 20 Jahren hat aber die Volks- musik einen ungeahnten Aufschwung genom- men. Als Beweis nenne ich hier den seit 1974 nun zum drittenmal durchgeführten Alpen- ländischen Volksmusikwettbewerb in Inns- bruck an dem sich heuer an die 700 Sänger und Musikanten aus dem Alpenraum beteilig- ten. Freilich muß sich der Fachmann wie der Politiker die Frage nach den Ursachen dieser neuen Brauchtumswelle stellen. Denn es läßt sich nicht leugnen, daß die Basis ifir die über- wiegend bäuerlichen Bräuche nur mehr sehr klein ist. Kaum 10 % der Alpenbewohner zäh- Seite 11 len noch zum Bauernstand, viele Brauchtums- träger haben ihren Platz in der modernen Industriegesellschaft, viele von den Sängern alpenländischer Volkslieder kennen das bäuerliche Leben nur aus dem Blickwinkel des Wanderers. Dennoch: die zehn Prozent Bauern bewirtschaften 90 % des Alpenlandes, die unbestreitbare Leistung und Verantwor- tung des Bauern ist auch dem Nichtbauem ständig bewußt. Das geht soweit, daß sich selbst der Städter in gewisser Weise mit der bäuerlichen Welt solidarisiert, daß er sich mit dieser Welt, obwohl beruflich außenstehend, identifiziert. Das heißt zu Deutsch nichts anders, als daß zumindest in unserem Land über die Berufe hinaus von einer Gemein- schaft gesprochen werden muß. Gemeinschaft ist aber die Voraussetzung für Brauchtum - und Brauchtum die Voraussetzung des Ge- meinschaftslebens. Meine Damen und Herren! Wir alle sind uns im klaren, wie mächtig die verschieden- sten Zeiterscheinungen sind, die geeignet wä- ren, das Gemeinschaftsleben, damit das Brauchtum und damit die Grundlage alpen- ländischer eigenständiger Kultur zu gefähr- den. Die Vereinsamung des einzelnen in der anonymen Gesellschaft der Großstädte, stän- dige und übermäßige Konfrontation mit den verschiedenen geistigen Strömung des ganzen Erdballes, Reizüberflutung in der Freizeit, Monotonie im Alltag sind nur einige dieser Gefahren für ein sinnvoll gestaltetes Leben des einzelnen in der Gemeinschaft. Es zählt sicherlich zu den vornehmsten Auf- gaben des Politikers, eben diese Gemeinschaft zu stärken und Gefahren, die ihr drohen, abzu- wenden. Volkskulturpflege ist heute sicherlich ein sehr wesentliches Element in der Bewälti- gung dieser Aufgaben. Freilich, die Geschichte hat es bewiesen, kann Volkskulturpflege auf das übelste mißbraucht werden. So etwa erlangte die Trachten- und Brauchtumspflege Erster von rechts: Direktor der Hanns-Seidel- Stiftung, Christoph Röder; zweiter von links Kulturreferent Gemeinderat Karl Hofinger Bildungswerk Hanns• Seidel-Stiftung in St. Johann
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