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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 18. Februar 1978 Vom reaktionären Liebesbrief bis zur fortschrittlichen Frauenbewegung dies alles konnte man bei der letzten „Musik- und Ujt,ertatur-Ver- anstaltung" der KKK-Werkst'ä'tte in St. Johann hören. Nur nicht l:fl SO extremer Form, wie oben beschrieben. Im Gegenteil: Der Tiroler Literatur-Matador Hel- mut Schinagl, der sich als öffentlicher Verfasser eines Liebesbriefes ausgab, wollte sich an diesem Abend keines- wegs von seiner ernsten Seite zeigen. Trotzdem hatten alle vorgetragenen Texte einen aktuellen Hintergrund, ,der auch zum Nachdenken veranlaßte. Vor allem die aus dem 1976 erschiene- nen Buch „Plüsch, Barock und Milch- rahrnstrudel - sterreich, wie es leibt und liebt" zitierten Stellen rüttelten Erinnerungen an die fdnanzsritchtigen, spektakelsuchenden olympischen Winterspiele 1976 wach. Als drittes Stück trug Helmut Schi- nagi eine atemberaubende Zahnarzt- szene vor. Armer Patient, der da vom Publikum trotz größter Schmerzen ausgelacht wurde! Obwohl sich der Literat über die Einstellung und Gewohnheiten des s,terreichers und des Tirolers im spe- ziellen lustig machte, scheint er im Grunde doch ein „überzeugter Alpier" zu 'sein. Nicht so sehr Satire ist es nämlich, die aus seinen Texten spricht, sondern vielmehr Humor in seiner natürlichsten Form. Insofern auch sicherlich eine positive Ergän- zung des ansonsten heuer ziemlich müden St. Johanner Faschingtreibens. Ein Vergleich mit den Schriften Hans Haids, der vor gut zwei Jahren ebenfalls bei der KKK-Werkstätte las, drängte sich auf. Haid beschäftigt sich mit seiner unmittelbaren Um- welt, Wobei er manchmal ganz die gleiche Thematik wählt wie S'chinagl. Beide schreiben in leicht verständ- licher, volkstümlicher Weise, was ih- nen nicht hoch genug angerechnet werden kann, zumal sie sich trotzdem nicht in allzu seichtes Wasser bege- ben. Hans Haid erscheint allerdings spritziger, härter, satirischer als sein Kollege. Aus diesem Grund wurde er auch aus seinem Dorf „vertrieben" und lebt nun in Wien „im Exil". Erst über den Umweg „Wien" findet er nun langsam auch in Tirol wieder Anhän- ger. Als weiteren Künstler hatte die KKK -Werkstätte einen amerikani - schen Folk-Musiker aufgeboten: Tom Paley. Er steht auf 'der Liste der inter- nationalen Folkszene ganz oben. Ob- wohl er schon gar nicht mehr weiß, wieviele Langspielplatten er herausge- bracht hat (schätzungsweise 35), ist To,m Paley ein sympathischer Mensch geblieben, dem der Ruhm nicht „über den Kopf" gewachsen ist. Seiten hört man einen so weichen Klang wie bei Tom Paley, selten sieht man einen Musiker, der drei Instrumente In so perfekter Weise spielt. Die Einflüsse seiner großen Vorbilder Sam McGee, Blind Blake, Barbecue Bob und des legendären Rev. Gary Davis, sind kaum mehr spürbar. Er ist selbst zum Altmeister geworden, dem die Jugend nachzueifern sucht. Er begann mit einem instrumentel- len Squarie Da,nce auf dem Banjo namens „Old Joe Clark". Daß auch er durchaus aktuelle, politische Aus- sagen vertritt, erkannte man z. B. in „Lititije Saidiie", einem Lied über einen Mörder 'oder den Stücken über die Frauenbewegung und der Arbeitslosen in 'den USA. Herausragende Stücke auf der Gitarre waren vielleicht die uralte Ballade „Ti'e devil and the farmhouise wife" bzw. der „Johnson City Blues" oder der „Sporting Life Blues". Grandios das Spiel auf der Violine, womit Tom Paley erst vor drei Jahren begonnen hat. Auch hier bot er ein vielfältiges Programm tradi- tioneller Weisen, die man nur äußerst selten zu hören bekommt; „Gasp Reel" beispielsweise, ein französisch- kanadisches Lied, „Sullivan's Holiow" vom Mississippi oder „Bevärings- marsch frän Leksand" aus Schweden. Schade, daß die Stimmung etwas zu wünschen übrig ließ. Anscheinend sind die Feinschmecker von traditio- neller Folk-Musik eher spärlich. Scha- de vielleicht auch, 'daß mit Helmut Schinagl keine öffentliche Diskussion stattfand. Trotzdem 'bin ich schon ge- spannt auf das angekündigte Klassik- Avantgarde-Konzert am 24. Februar mit dem Kontrabassist'en Fernando Grillo. A. G. Valentin, der erste Tiroler I1eilie Von HR Dr. Eduard Widmoser Hoffentlich gab ‚es am Valentinstag Blumen für einen lieben Menschen und zu Ehren des Patrons der Gärtner. Doch dieser 'scheine, erst in jüngster Zeit ent- standene Brauch gibt uns nicht den An- laß, über den heilige Valentin zu spre- chen, sondern die Tatsache, daß der hei- lige Valentin 'der erste ti.rliische Hiei]ge ist und mIt ihm eine frühe Geschichts- epoche unseres Landes veribunc.uen ist. Wer war Vaientin? In der Lebens- beschreibung des heiligen Severin, die sein Schüler Eugippius bald nach der Überführung der Gebeine Severtins von seiner Wirkungsstätte Lorch bei. Ennis nach Italien durch 'cen Skirenfhrer um das Jahr 500 geschrieben hatte, lesen wir, daß Valentin Bischof beider Rätien und Abt war. Und Engippius muß es ja ganz genau wissen, da er ja ein Zeit- genosse Valentins war. Wir erfahren von ihm auch, daß Valentin um 470 starb und in der Kapelle des C,astrum Malense, der spätrömischen Militärstation und nachmaligen Zenobuirg begraben wurde. Bischof becr Rätien war also, wie wir nun gehört haben, dieser Valentin. Diee beiden Rätlen war das nachmalige Tirol westlich der Miühlbacher Klause und des Ziller und südlich der Linie Me- ran und etwas nördlich von Bozen. Das östliche Tirol, also wir, gehörte zur Pro- vinz No'riikurn, das südliche Tirol zur italischen Provinz. Die Römer haben ja bekanntlich 15 v. Chr. den Alpenraum erobert un dann den mittleren Alpenraum mit dem Al- penvorland und Voralpenland bis zur Donau zur Provinz Rätien gemacht. Die- se zentrale Provinz reichte vom Ur- sprung des Rheins bis zum Ziller und zur Miü,hib'achier Klause und von Meran und Bozen bis zur Donau. Später wurde sie allerdings geteilt in Rätia Prima und Räti'a Secunda, wobei eile Grenze zwi- schen den beiden Rätien entlang der Paisser, die bei Meran in die Etsch mün- det, verlief. Hauptstadt war Augsburg für Rätien 1 'und 'Chur für Rätien II. Valentin war somit, wenn es heißt, daß er Bischof 'beider Räti;en war, Bis- ‚sch'of von Augsburg und von Chur, wo- hei er allerdings keinen ständigen Bi- scho'fssijtz hatte, oa er ein sogenann,±leir Wanderbischof war, der also sein Bistum nicht von 'einem Ort aus betreute, Son- dern die Chrisstengemeiinden aufsuchte. Nun war jedoch im 5. Jahrhundert der Raum nördlich der Alpen nicht mehr ganz sicher und geheuer. Alemannen be- setzten Teile Rätiens, die Hunnen be- drohten Europa. Da zog es Valentin vor, sich in die schützeniceni Berge zurückzu- ziehen und dort seinen festen Platz zu suchen, wo beide Rätien aneinander- stießen, nämlich 'bei Meran. Wir haben gehört, daß Valentin auch Abt war. Und wo isst nun das Kloster zu suchen, dem Valenitin a1 Abt vorstand? In Mais ober Meran, also auf der ande- ren Seite der Passer, in der ainki&en Provinz Rätiens, war dieses Kloster. Und so ist es auch zu begreifen, warum sich Valentin in der Kapelle der heutigen Zenoburg bei Meran begraben ließ. Bald nach seinem Tode wurde Bischof Valentin schon aus Heiliger vom Volke tief verehrt. Deshalb wurden seine Ge- beine von den Langobarden, den neuen germanischen Herren im Süu&i, nach Trient gebracht. Der letzte König der Langiobairden, Diesiderlus, schenkte je- doch die Reliquien des heiligen Valen- tin seinem Schwiegersohn, unserem großen Bayernherzog Taissilo III., der die Gebeine sofort nach Passau bringen ließ, wo sie heute noch im Dom ruhen. Valentin blieb aber trotzdem der erste Heilige Tirols.
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