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Seite 10 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 10. März 1979 in dieser Hinsicht von einer Gemeinschaft über die Berufe hinaus sprechen. Es ist nicht abzuleugnen, daß Volkskultur, Gemeinschaftsleben und Brauchtum durch zahlreiche Zeiterscheinungen ständig gefähr- det sind. Die Volkskultur bedarf einer verant- wortungsbewußten Pflege. Zur Bewahrung und Erhaltung verschiedener Bereiche der Volkskultur sind gezielte Maßnahmen nötig. Volkskulturpflege hat sich einerseits ständig mit den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Volkskunde bekanntzumachen, andererseits muß sie mit ihrem Wissen mitten im Leben des Volkes wirken, Lebensnähe bewahren und auf die Gegenwart bezogen sein. Es lassen sich Beispiele nennen ifir pflegerische Maß- nahmen, die Erfolg hatten oder Erfolg ver- sprechen, nicht zuletzt auf dem Gebiet des Brauchtums. Für die Lebendigkeit und die Lebenskraft der Volkskultur im Alpenraum in der heutigen Zeit könnten zahlreiche Beispiele gebracht werden. Brauchtum lebt und entwickelt sich weiter. Bräuche entstehen. Durch neue Bräuche wird entwicklungsbedingtes Neues in aller Form in die Volkskultur einbezogen. Ver- schiedentlich ist zu beobachten, daß an- sprechende Bräuche aus anderen Gegenden übernommen werden. Auch heute ist Brauch- tum ein wesentlicher, tragender Bestandteil der Volkskultur. Die übrigen Seminarreferate wurden im Hotel „Park" vorgetragen. Am 1. Dezember 1978 standen insgesamt vier Vorträge auf dem Programm. Den Anfang rrachte Hanns Vogel, der über „Bayerische l'i indarten" sprach. Der Referent, Schriftstel- ler und Gründer der Autorenvereinigung der Turmschreiber in München, ging kurz auf Entwicklung und Überlieferung der deut- schen Hochsprache und der Sprache im Sied- lungsraum der Baiern ein und wandte sich dann dem heutigen Zustand der bayerischen Sprache (= der Sprache im Siedlungsraum der Baiern) zu. Der Vortragende sieht die bayerische Sprache, die Hochsprache mit ihren kennzeichnenden Ausdrücken ebenso wie die Mundarten, in schwerer Bedrängnis. Durch Fremdenverkehr, Sport, Mode, Tech- nik, Supermärkte, Zeitschriften, Rundfunk, Fernsehen, synchronisierte Filme und Werbung dringen ununterbrochen Wörter und Ausdrucksweisen aus anderen deutschen Sprachgebieten und außerdem fremdsprachi- ge Ausdrücke ein. Nach Meinung des Redners lassen sich die Gefahren ifir die bodenständige Sprache nur durch das Beachten eines Rein- heitsgebotes abwehren. Weiters bedarf auch die Sprache der Pflege. Es geht darum, daß das Bayerische wieder zu sich selber findet. Dr. Wolfgang A. Mayer (Institut für Volks- kunde, München) referierte über „Das Volks- lied in Altbayern und seine Beziehungen zum benachbarten Osterreich". Der Vortragende ging zuerst auf die Überlieferung des alten Liedgutes ein. Dabei erwähnte er neben anderen auch Christian Blattlaus St. Johannin Tirol (19. Jahrhundert) und Dr. Norbert Wailner. Dann wies er auf die auch für Oster- reich wichtig gewordene Pflegetätigkeit des Kiem Pauli und weiterer Männer in Ober- bayern bzw. Bayern hin und zeigte, daß diese ihrerseits durch Vorbilder und Gewährsleute zum Teil unter steirischen und Tiroler Einflüs- sen standen. Weiters ging der Vortragende auf die Sammeltätigkeit von August Hartmann ein, der im 19. Jahrhundert der bedeutendste Sammler von Liedern (und auch von Volks- schauspielen) in Oberbayern, Tirol und Salz- burg war und die Ergebnisse in mehreren Werken veröffentlichte. Schließlich vermittelte der Referent Ein- blicke in eines seiner Forschungsgebiete. Er führte Beispiele von „Tanzisingen" (Tanzl = Vierzeiler) bzw. „Schnadahüpfl" vor, die erbei seinen Feldforschungen auf Tonband aufge- nommen hatte; dabei hatte er auch sogenann- te „halberte Tanzl" aufzeichnen und Neues über den Begriff „Ari" sowie über das Arien- singen, -spielen und -blasen erarbeiten können. Der Referent stellte bei seinen Forschungen fest, daß für die Ausstrahlung des „Innviertler Landlers" auf die Vierzeiler- weise (Vierzeiler mit Jodler oder Instrumen- talspiel) der Inn keine Grenze ist. Herbert Jordan aus Kirchberg in Tirol, durch seine Veröffentlichungen in Brixentaler Mundart bestens bekannt, zog eine Bilanz über „Gewinne und Verluste durch den Tourismus in den Alpenländern im musischen und kulturellen Bereich". Dabei streifte er fast alle Gebiete der Volkskultur. Der Volkskultur ungünstige Entwicklungen wie der Ausverkauf bäuerlichen Mobiliars und Geräts aus früheren Zeiten, die Landschafts- zerstörung und die zu merkende Überfrem- dung der Sprache, die mit einer Verarmung des Ausdrucks einhergeht, wurden ebenso aufgezeigt wie jene ausgesprochenen Ent- artungserscheinungen, die etwa in Gestalt des Kitschs der Reiseandenken-Industrie, bei gewissen Arten von „Heimatabenden" und bei sogenannter „Volksmusik" zu beobachten sind. Der Fremdenverkehr kann jedoch höchstens zum Teil als Ursache der angeführ- ten Fehlentwicklungen angesehen werden. Der Referent konnte allerdings auch erfreu- liche Entwicklungen und Tatsachen anführen, etwa eine Rückbesinnung auf die alte Wohn- kultur, das Vorhandensein von ernstzu- nehmendem Kunsthandwerk und die Musik- pflege in den Musikschulen mit ihren schönen Ergebnissen. All dem kommt die wegen des Fremdenverkehrs gebesserte wirtschaftliche Lage sicherlich zugute. „Bayern - Tirol, eine historische Betrach- tung" lautete das Thema des letzten Referats dieses Tages, das vom Züricher Universitäts- professor Dr. Werner Gabriel Zimmermann vorgetragen wurde. Der Referent ging ein auf das Vordringen der Baiern in den Alpenraum, auf die Ausbildung eines von Bayern unab- hängigen Territoriums Tirol, auf die kurzfristi- ge Gewinnung Tirols durch die Wittelsbacher im 14. Jahrhundert und auf die Gewinnung Tirols durch die Habsburger (1363/1369), auf die territoriale Abrundung Tirols während der Regierungszeit Maximilians 1. unter anderem durch Gewinnung der drei bis dahin bayerisch gebliebenen Herrschaften Rattenberg, Kuf- stein und Kitzbühel (1504/06), auf diejeweils gescheiterten Bemühungen Bayerns nach Wiedergewinnung der Oberhoheit über Tirol Aktionen des Landesjugendreferats Das Landesjugendreferat Tirol veranstaltet auch heuer zwei Aktionen, die von der Jugend seit langem sehr positiv aufgenommen werden und auch in unserem Bezirk genützt werden können. Einmal läuft die „Innsbruck- Aktion" weiter, die es den Abgängern der Volksschulen ermöglicht, einen Tag lang Sehenswürdigkeiten in der Landeshauptstadt zu erleben. Auf dem Programm stehen: Hof- burg, Hofkirche, Volkskunstmuseum, Ferdiandeum, Zeughaus, B ergiselmuseum, Riesenrundgemälde, Schloß Ambras, das Olympiaeisstadion, der Alpenzoo und der Stadtturm. Wegen der gebotenen Fülle ist jeweils nur ein Ausschnitt aus dem Angebot auszuwählen. Der Teilnehmerbeitrag (ohne Fahrtkosten) beläuft sich auf 50 Schilling. Tirols Jugend soll im Sinne einer Erhaltung der geistigen Landeseinheit auch Südtirol kennenlernen. Hier besteht für die Schulen ab der 6. Schulstufe viel Freiraum für die Gestal- tung von durchwegs jeweils zwei Tagen. Bei Übernachtungswunsch wird das Jugendhaus Josef Noldin in Salurn als Jugendherberge angegeben. zu Beginn des 18. Jahrhunderts (1703) und zu Beginn des 19. Jahrhunderts (1805-1814) und schließlich auf das Entstehen gutnachbar- licher Beziehungen zwischen den beiden Ländern seit dem 19. Jahrhundert, nach Jahr- hunderten, die durch politische Gegensätze und durch einen eher geringen kulturellen Austausch gekennzeichnet waren. Wie der Vortragende schon einleitend betont hatte, ist hinsichtlich der Beziehungen zwischen Bayern und Tirol noch vieles zu erforschen. Am Abend des 1. Dezember fand ein Sänger- und Musikantentreffen Bayern-Tirol mit dem Thema „Volksmusik im Jahreskreis" statt. Diese öffentliche Veranstaltung, die um 19.30 Uhr im Huber-Bräusaal begann, wurde von Peter Moser (Studio Tirol des ORF) geleitet. Sepp Landmann sprach verbindende Worte. Herbert Jordan trug eigene Mundart- beiträge vor. Aus Bayern wirkten mit die Fischbachauer Sängerinnen, die Fischbachauer Tanzlmusi, die Tegernseer Soatnmusi, die Walchschmied- Buam und die Miesbachauer Alphornbläser, aus Südtirol die Melauner Hausmusik, aus Nordtirol die Mitterhögler Hausmusik, die Stanglwirts-Dirndln, die Geschwister Ehren- strasser, die Unterlandler Saitenmusik, die Hofmann-Familienmusik, die St. Johanner Turmbläser und Manfred Dessl aus Schwaz mit seiner Harfe. Der erste Teil des Abends war einem „Gang durchs Jahr" gewidmet. Der zweite Teil stand ganz im Zeichen des Advents. Volksmusik und Mundartbeiträge der besten Art waren zu hören. Sepp Landmann führte in seiner netten Art durch das Programm. Die Mitwirkenden boten in ihrer heimatlichen Kleidung ein farbenfrohes Bild und einen erfreulichen Anblick. Der stimmungsvolle und besinnliche Abend klang aus mit dem von allen Anwesen- den gesungenen Andachtsjodler.
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