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Samstag, 20. Oktober 1979 Kitzbüheler Anzeiger Seite 9 Die Ersatzmannschaften, zahlenmäßig meist geringer, waren schlecht bewaffnet und größtenteils ungeübt oder sogar unzuver- lässig. Es rissen selbst in den Verbänden der fähigsten Hauptleute alle jenen Kalamitäten ein, welche in Bauernkriegen immer wieder auftraten. Leute hauten bei Nacht und Nebel ab und allgemeine Verdrossenheit griff um sich, die selbst durch nichtige Dinge genährt wurde. Die einen, an Schmalz- und Mehlkost ge- wöhnt, konnten sich nicht mit der Fleischmen- ge abfinden, anderen ging das nötige Rauch- zeug ab, wieder andere erregten sich maßlos, weil sie dengewohnten Wein oder das Bierver- mißten. Speckbacher beschwor den Oberkom- mandanten Hofer immer wieder, ihm den dringend benötigten Nachschub zu besorgen und versuchte, seine Männer mit Bitten und Drohungen halbwegs zusammenzuhalten, ein hartes Stück für den idealistischen und temperamentvollen Distriktskommandanten. Und dann trennte sich auch noch Winterstel- ler von ihm, der mit seinen Mannschaften den Grenzschutz im Raum Kössen übernehmen mußte. Diese beiden hervorragenden Trup- penführer und großartigen Menschen hatten sich nebeneinander nie richtig verstanden, wie es eben bei starken Persönlichkeiten mit ver- schiedener Mentalität nicht selten vorkommt. Nach diesem Aderlaß sank Speckbachers Streitmacht auf fünfzehn schwache Kompa- nien ab. Er selbst aber blieb wie immer uner- schütterlich und wies verschiedene verlocken- de Friedensangebote der Bayern, denen das Erlahmen der tirolerischen Verteidigungskräf- te nicht verborgen blieb, kurzweg ab. Es verrann die Zeit bis Mitte Oktober. Und nun ahnte man, daß sich etwas zusammen- braute. Den immer besorgteren Rufen Speck- bachers und anderer Hauptleute nach Ver- stärkung konnte der Sandwirt nur in beschei- denem Maße willfahren. Man kam seinen Anordnungen und Aufrufen einfach nicht nach. Also wollte er es mit dem Geistlichen Danei, einem gewandten Prediger, versuchen, die verdrossenen Landesverteidiger zu moti- vieren und wieder in ausreichender Zahl an die Grenzen zubringen. „Dort unten hoaßt es völ- lig nix mehr, die Bauern sein nix nutz, die Rich- ter sein nix nutz und die Geischtlichen Hearn sein fit viel bösser" erklärte er diesem Manne voll Bitternis und &auftragte ihn unter Bei- stellung eines schnellen Pferdes seine Mission rasch aufzunehmen, „daß dös Ding a bisslbös- ser zammgeaht". Danei ritt eilig los, aber das Ding ging leider nicht mehr zusammen. Der am 14. Oktober gefeierte Friede von Schön- brunn - die Tiroler waren unzureichend, ja sogar falsch informiert und erfuhren erst von den Bayern die wahren Auswirkungen - machte mit einem Schlage eine starke Trup- penmacht zum Einsatz gegen das Land im Ge- birge frei. Schon am 16. Oktober 1809 erhielt die be- reitgestellte Bayerische Armee von Napoleon den Befehl, gegen die Unterinntaler-Pässe vor- zurücken. Die Division Deroy gegen Kufstein, die Division Wrede gegen Kössen und die Division Kronprinz sollte, mit dem Angriffbe- ginnend, Speckbacher im Raum Mellek - Lofer-Strub werfen. Dabei operierten die Truppen der Division Kronprinz nach einem von General Rechberg genau ausgeklügelten Umgehungsplan, ähnlich wie vor Wochen Speckbacher selbst. Bei Schneeregen näherten sich die Bayern, ge- führt von ortskundigen Jägern, in vier Angriffskolonnen den Tiroler Stellungen von Mellek bis Lofer. Die sehr beschwerlichen Nachtmärsche über die Berge blieben unbe- merkt, denn die Tiroler, die sich durch die ex- trem schlechte Witterung gedeckt fühlten, ver- sahen ihren Vorpostendienst äußerst lässig. Am 17. Oktober vormittags wurden die Feldwachen vor Mellek im Handstreich ausge- hoben und dann stürmten die Bayern auch schon völlig unerwartet und von allen Seiten aus dem Kebel heraus die kleine Ortschaft Mellek selbst. Ehe sich die Verteidiger zum Widerstand aufraffen konnten, waren die meisten getötet oder gefangengenommen, der Rest zerflatterte in alle Windrichtungen. Nur der reaktionsschnelle Speckbacher warf sich wie ein Rasender den eindringenden Soldaten entgegen. Erst nachdem er rundum zahlreiche Gegner niedergestreckt hatte und ihm im Kampf die Waffe entfiel, gelang es, den Mann von Rinn mit Kolbenstößen und Bajonet- stichen zu fällen und am Boden festzuhalten. Doch noch war der mit einer fast über- menschlichen Körperkraft und einer unglaub- lichen Gewandtheit ausgestattete Speck- bacher nicht besiegt. Es gelang ihm, sich emporzuschnellen, die Gegner beiseite zu stoßen und das Freie zu gewinnen. Mit blut- durchtränkten und zerrissenen Kleidern erklomm er einen nahen Abhang und entkam den ihm wild nachfeuernden Verfolgern. Sein kleiner Sohn Anderl aber, der sich immer an seiner Seite hielt, blieb in bayerischem Ge- wahrsam. Aber der Bayernkönig selbst sorgte ritterlich an Vaterstelle für den tapferen Buben. Dort wo Speckbacher seinen größten Triumph feierte, erlebte er seinen schwär- zesten Tag. „Dieses Gefecht bei Mellek - so notierte er eigenhändig - sei ihm am schwer- sten gefallen. Dreihundert Mann seien verlo- ren (an Toten), dazu sein Sohn. Er selbst, schon in Feindeshand, habe sich durch gewal- tige Gegenwehr freigemacht, aber durch die vielen Kolbenschläge Schaden erlitten für sein Lebtag". Speckbacher konnte hauptsächlich Der Unglückstag von M dick vor 170 Jahren Von Dr. Herbert Sandner, Innsbruck - Kitzbühel Beiträge zur spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hüttengeschichte von Kitzbühel und Umgebung Von Manfred Rupert, Kitzbühel Über die Eisengewinnung im 17. Jahrhundert (Aus: Archaeologia Austriaca, Institut für Ur- und Frühgeschichte derUniversität Wien, Ver- lag Franz Deutike, Wien 1976) Am Schluß dieses Abschnittes soll auf eine private Anlage zur Herstellung von Schmie- deeisen mit angeschlossener Nagelschmiede in der Nähe der Stadt Kitzbühel hingewiesen werden, die hier im 17. Jahrhundert für kurze Zeit bestand. Nach der um 1631 erfolgten Einstellung des gemeinsamen Unschlitt- und Eisenhandels der Schmelzer und Gewerken zu Kitzbühel hatten sich die Kitzbüheler Bürger und Han- delsleute Franz Viechter und Martin Lerper- ger über Bitten der Kitzbüheler Schmiede und Schlosser zusätzlich zu ihrem Handelsge- schäft auf einen Eisenhandel eingelassen. Am 6. Februar 1641 erhielt der Handels- mann Franz Viechter, damals Bürger des äußeren Rats und in zweiter Ehe mit einer Tochter des Pflegers der Herrschaft Kitzbühel verheiratet, von der Stadt Kitzbühel unter Zu- stimmung des Handwerks der Huf-, Hacken- und Nagelschmiede und der anderen diesen verbundenen Handwerker in der Stadt die Erlaubnis, „auf sein alte uhrmacherwerchstat ein naglschmiten zu erpauen und ain redlichen maister zu befirden"; er hatte sich zu verpflich- ten, dem Handwerk keinen Schaden zuzufü- gen. Am 15. Juli 1641 brachte Viechter vor dem Rat vor, daß er, nachdem ihm „auf sein alte urmachererische behausung am Grieß am nagischmiden zu erpauen und aufzurichten" erlaubt worden war, dazu einen Zainhammer benötige; auchzu dessen Errichtung erhielt er die Genehmigung, mußte sich aber verpflich- ten, das Schmiedehandwerk nicht zu beein- trächtigen. Wie einer anderen Quelle zu entnehmen ist, handelte es sich bei dieser Anlage, für die Viechter am 30. September 1642 ein landes- fürstliches Privileg erwirkte, um eine Renn- und Nagelschmiede mit Zainhammerschlag. Das bedeutet, daß Viechter entweder Roh- eisen (Flossen) oder Alteisen und Sinter (Zun- der, Hammerschlag, eine Eisenoxyschicht, die zum Beispiel bei Schmieden und Schlossern als Bearbeitungsabfall entsteht) mittels der Rennschmiede durch Einschmelzen in schmiedbares Eisen umwandelte, dieses dann durch den Zainhammer (dieser schmiedet schwächere Sorten Eisen für Nagelschmiede, Schlosser und andere Eisenfabrikanten aus), einen durch Wasserkraft betriebenen Ham- mer, zu dünnen Stangen und Stäben aus- schmieden und in der Nagelschmiede zu Nägeln verarbeiten ließ. Diese Anlage, die im Burgfrieden der Stadt Kitzbühel in der Gegend Im Gries an einem noch nicht lokali- sierten Platz stand und wahrscheinlich die Wasserkraft des Mühlbaches ausnützte, fielje- doch bald einem Brand zum Opfer. Am 16. Ju- ni 1643 wurde dem Bürger und Hufschmied Andreas Milner, der eine Hammerschmiede
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