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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag 10. November 1979 Sebastian Seißl zum Gedenken In Kitzbühel starb am Morgen des 3. No- vember 1979, 90jährig, nach längerem Leiden der Bundesbahnbeamte i.R. Sebastian Seißl. Damit hat ein langes und erfülltes Leben sei- nen Abschluß gefunden. Das Requiem findet am Samstag, 10. November, um 9.30 Uhr in der Pfarrkirche Kitzbühel statt. Sebastian Seißl war eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Er sagte einmal: „Es kommt immer nur auf den Mut an, etwas anzugehen". Mut hat er in seinem Leben bewiesen, nur durch sein stetes Bestreben, immer wieder Neues zu beginnen, ist er bis ins hohe Alter geistig und körperlich frisch geblieben. Als Fünfundachtzigjähriger machte er noch den Eindruck eines Fünfundsechzigjährigen. Bis in die letzten Lebenswochen war er geistig aktiv. Noch im Krankenhaus antwortete er auf die Frage seiner Gattin: „Sebastian, woran denkst Du?" mit, der für einen Mann seines Alters ungewöhnlichen Feststellung: „Ich suche, was ich nicht erforschen kann". Ein Leben lang forschte Seißl. In Schwoich geboren, wurde er für die Studien bestimmt und war in Salzburg und Wels in der Schule. Ein Leben lang kämpfte er gegen die „falsche" Ausbildung, denn er erkannte bald seine mechanisch-technische Begabung und ent- schloß sich nach der Matura, nach einem ein- jährigen Kurs für die Arbeit im Bahndienst. Er begann in Söll-Leukenthal und kam bald zur kommerziellen Vertretung nach Wörgl. Von 1918 bis 1946 war Seißl Fahrdienstleiter bzw. Vorstand am Bahnhof Kitzbühel. Die lange Krankheit seiner ersten Gattin zwang ihn zu einem Zusatzerwerb, damit die Be- handlungskosten gedeckt werden konnten. Radiohandel und Radiotechnik interessierten ihn, er schuf sich damit den Zusatzerwerb und die Grundlage für den Bau eines Eigenheimes am Sonnberg. Während des Krieges war erlan- ge die einzige männliche Arbeitskraft. Schon mit 14 Jahren begann Sebastian Seißl mit der Fotografie. Er hat in der Folge zahl- reiche Ausstellungen beschickt und internatio- nale Preise errungen. Der Kameraklub Kitz- bühel ernannte ihn zum Ehrenmitglied. In Herbarien sammelte Seißl 700 in Osterreich vorkommende Pflanzenarten. Während des Nachtdienstes hatte er stets eine Sternenkarte und ein Prismenglas bereit, lockte ihn doch die Stemkunde besonders an. Er arbeitete am Neubau der Pfarrkirchenorgel mit, befaßte sich mit der Theorie des Orgelbaues und baute sich schließlich selbst nacheinander zwei Orgeln, die er auch bespielte. Als er die zweite Orgel hergestellt hatte, war er immerhin 79 Jahre alt. Unter Musikdirektor Kirchmayr wurde er auch zur Wartung der Kufsteiner Hel- denorgel herangezogen. Seine innige Verbundenheit mit der Orgel erwies sich zuletzt dadurch, daß Sebastian Seißl anläßlich der Kirchenrenovierung in Schwoich der Heimatpfarre eine Orgel stifte- te. In Kitzbühel war Sebastian Seißl einer der Ersten, der für ein außergewöhnliches Krie- gergedenkwerk eintrat. Monatelang war Seißl als Werber und Sammler unterwegs, um für die Ausgestaltung der Katharinenkirche, vor allem aber für das Glockenspiel auf dem Turm der Kirche zu werben. Seine Aufgabe erlosch aber nicht mit der Inbetriebnahme des Werkes im Herbst 1950. Er betreute das Werk, das er wie kein anderer kannte und gestaltet hatte, so- lange er dazu körperlich imstande war. Und Seißl kletterte noch als Sechsundachtzigjähri- ger die vielen Stufen hinauf. Wenn sich Jahr für Jahr Tausende an den Weisen des Glocken- spiels erfreuen, so danken sie dies nicht zuletzt der Einsatzbereitschaft von Sebastian Seißl. Jung geblieben ist Seißl sicher auch des- wegen, weil er auf den Rat der Ärzte hin vor 55 Jahren ein tägliches „Massage- und Gymnastikspiel" begann und stundenlange Wanderungen unternahm. Als einer der besten Kenner von Kitzbühel und Umgebung verfaßte er einen Führer, der in drei Sprachen erschien und in der deutschen Auflage fünfmal herauskam. Bis in die letzten Lebensjahre schrieb Seißl für Kalender und Leserbriefe ifir Zeitungen. Als vor nunmehr zwei Jahren die Lösung der technischen Fragen beim Pfarrkirchturm anstand, verfaßte der 88jährige umfangreiche Gutachten, die auch Beachtung fanden. Allem Schönen aufgeschlossen, war Seißl ein Amateurforscher auch im kulturellen Bereich. Durch viele Jahre gehörte er dem Krippenverein an. Bei Veranstaltungen las er gerne vor oder trug Selbstverfaßtes vor. Seißl war ein ungewöhnlich intellektueller Mensch, der aber die Fragen des Alltags und der Le- benspraxis zu bewältigen vermochte. Er wur- de nicht im Alter der Verwalter seines um- fassenden Lebenswerks, sondern besaß den Mut, immer wieder anzufangen, jeden Tag aufs neue mit Leben und Sinn zu erfüllen. Er blieb ein Suchender und hat sicher als solcher den Weg zum Herrn des Lebens gefunden, wenn auch nicht auf der gebahnten Straße. Aus einem Aphorismenschatz bringen wir im Gedenken an Sebastian Seißl ein Beispiel: Die Zeit Zeit, du liebe Zeit, bitte laß dir Zeit. Gestern war nicht Heute, Heute noch nicht Morgen. Wäre Morgen Heute, wäre Heute Gestern. Kam' auf Gestern Morgen, Gäb' es gar kein Heute. Wir wären schon gewesen, oder morgen erst geboren. Gäbe es kein Gestern, und auch kein Morgen, wär das Heute ewig. Zeit, du liebe Zeit, laß das Heute auch vergehen, Morgen woll'n wir weitersehen. In die Trauer um den Verlust eines hoch- geachteten Mitbürgers mischt sich die Freude, daß wir ihn besitzen durften, der sich für öffentliche Belange entschieden einsetzte und damit Kitzbühel gedient hat. H. W. Samstag, 10. November 1979, 9.30 Uhr, Requiem in der Stadtpfarrkirche. ARLBÖ Kitzbühel Verwendung von Spikesreifen ab 1. Novem- ber bis 30. April gestattet. Alle Winterreifen, auch Spikereifen, müssen vom Verkehrsmi- nis:erium typengeprüft sein. Das ARBO-Prüf- zeiztrum gibt darüber Auskunft, welche Reifen typngeprüft sind. Für die Bespikung sind nur mehr Winterreifen in Stahigürtelausführung zugelassen. Alte Spikereifen dürfen nur bis 30. April 1980 verwendet werden. Spikes, die mehr als 2 mm über die Lauffläche hinausra- ger, dürfen ab sofort nicht mehr verwendet werden. Spikesreifen müssen auf allen 4 Rä- dern montiert sein. Auf Fahrzeugen, die mit Spikesreifen ausgestattet sind, muß eine Kennzeichnung angebracht sein (Spike- pickeri). Mit Spikereifen darf auf Freiland- straßeh 80 km/h und auf Autobahnen bis 100 km/h gefahren werden. Weitere Auskünf- te, wie bei Fahren mit Anhänger, gibt Ihnen unser Prüfzentrum in Kitzbühel, St.-Johanner Straße, Tel. 05356-4841. Energiesparen und Umweltschutz sowie Treibstoffeinsparung bei Kraftfahrzeugen kann durch richtige Vergaser- und Zündungs- einstellung erheblich gefördert werden. Las- sen Sie daher Ihr Fahrzeug auf die richtige Ein- stellung des Vergasers und der Zündanlage re- gelmäßig überprüfen. Auch der Luftfilter ist ein wichtiger Teil für die ordnungsgemäße Funktion des Vergasers und soll regelmäßig übe--prüft werden. Alle diese Kontrollen und Einstellungen nimmt unser Prüfzentrum vor. Der Obmann: Gebetsberger.
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