Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 1 2. April 1980 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Wörgler Kammerchor - eine Demonstration sakraler Musik Von Gregorianischem Choral bis Anton Bruckner und Ernst Pepping - Ausgewogene, im rechten Maß gedeckte Stimmen Nichts hätte das Dilemma neuerer Kir- chenmusik, sprich »Rhythmische Gesän- ge«, deutlicher widerspiegeln und ad ab- surdum führen können als der harte Ge- gensatz zwischen einer dem Konzert in der Kitzbüheler Pfarrkirche vorangegangenen sogenannten Rhythmischen Messe und dem großartigen »Geistlichen Konzert« des Wörgler Kammerchors. Da wurde einmal so richtig klar, in welche Sackgas- se man heutigen liturgischen - nur an- geblich liturgischen Gesang gejagt hat. Auf der einen Seite das unerschöpfliche Reservoir wertvollster Sakralmusik - Musik voll von Demut, unverfälschter Frömmigkeit und bis ins Letzte dienender Gebärde, in feinste Verästelungen hinein große, nein, größte Kunst, auf der ande- ren Seite elektronisch verstärktes Schla- gen von Gitarren, Gequäke von Klarinet- ten und Saxophonen, Gezisch und Ge- trommel von Schlagzeug - sicher gut ge- meint, kein Zweifel, und der Vorwurf gilt auch nicht jenen jungen Idealisten, wel- che es leider so schlecht treffen, sondern denen, welche die Kirchenmusik in eine derartige Fragwürdigkeit (man beachte das Wort »Würde«!) - bis hinauf zu den Letztverantwortlichen, den Bischöfen, hineinschlittern ließen oder bewußt hin- einmanövriert haben, und es gibt für de- r en seltsame Toleranz eigentlich nur zwei Erklärungen: entweder ist die Ursache in der permanenten Angst, noch mehr Kir- chenvolk zu verlieren, begründet (Trug- schluß, meine Herrn!) und damit nicht zugegebene Feigheit vor dem Feinde - oder eine so endgültige Verunsicherung, daß geradezu von mangelndem Glauben gesprochen werden müßte. Christsein schließt nun einmal die Amalgamisierung mit Modeerscheinungen aus! Statt daß die Bischofskonferenz endlich auf den Tisch haut (eine ganze Welt ehrlicher Katholi- ken wartet darauf!) und ebenso, wie es Papst Johannes Paul II. bezüglich der Holländischen Krone getan hat, sagt: »Schluß damit!« Christus peitschte die Geldwechsler und Taubenverkäufer mit den Worten: »Ihr habt das Haus meines Vaters zu einer Räuberhöhle gemacht!« aus dem Tempel hinaus; heute müßte und würde er schreien: »Ihr habt das Haus Gottes zur Discothek umfunktioniert!« Es fehlen eigentlich nur mehr die Lichtor- geln. (In Wien fand vor zwei Jahren eine derar- t--ge »Messe« mit einer bekannten Linzer Gruppe in der Votivkirche statt. Die Kir- che bummvoll! Wie herrlich: endlich die Jugend im Gotteshaus. Die Begeisterung für die Hl. Messe - oder doch für die Band? - war so groß, daß man selbst auf den Seitenaltären hockte. Auch Zigaret- ten wurden geraucht. Ein voller Erfolg!) Umso tröstlicher, daß in einer Stadt, die immerhin um 1000 Einwohner weni- ger zählt als Kitzbühel, nämlich Wörgl, sich so viele junge Leute gefunden haben und immer wieder finden, welche bereit sind, ihre ganze Kraft - und dies in zahl- losen Proben - für die gnadenhafte Bot- schaft tiefster kirchlicher Musikkunst ein- zusetzen (was müssen dies altmodische Jugendliche sein!), und ihr Konzert war, bedenkt man, daß es sich hier nicht um Profis, sondern um Amateure handelt, von einer Leistung, die sich gewiß mit be- sten Chören dieser Art messen kann. Es gibt unter Chormusikern den Spruch: »Jeder Chor ist genauso viel wert wie sein Chorleiter!« Oder: »Es gibt keine schlechten Chöre, nur schlechte Dirigen- ten!« Mag dies auch übertrieben sein: beim Wörgler Kammerchor hat man je- denfalls den Eindruck, daß er ganz aus dem Geist seines ausgezeichneten Leiters, Mag. Peter Gruber, lebt. Seine das Pro- gramm erläuternden Worte zeigten ihn als Menschen von seltener religiöser Tiefe und liturgischer Ernsthaftigkeit. Welcher Chorleiter könnte auch sonst auf die Idee kommen, in einem Geistlichen Konzert einstimmigen, also »Gregorianischen Choral« zu bringen? Man müßte alle ein- sichtslosen Verfechter »Rhythmischer Messen« darauf hinweisen, daß lt. Kon- zilsbestimmung sich »jede gegenwärtige und zukünftige Kirchenmusik am Grego- rianischen Choral zu orientieren hat«, der in seiner asketischen Art und in seiner Ausklammerung alles Sinnlich-Trieb- haften (und dies trotz rhythmisch diffizi- len Grundcharakters) im Grunde genom- men die einzige Möglichkeit von Sakral- musik darstellt - wenn man von der aus der Gregorianik abgeleiteten, aus ihr sich entfaltenden Polyphonie absieht. Es wäre übrigens nichts gegen rhythmische Gesän- ge zu sagen, soweit sie einfach, schlicht und möglichst ohne Begleitung gesungen würden. Aber Schlagzeuggerassel und elektronisches Getöse im Kirchenraum? In jenem heiligen Raum, der nicht nur durch die unmittelbare Präsenz Christi geheiligt wird, sondern auch - vor allem in alten Kirchen - durch die Tränen Zehntausender, die hierher ihren Kummer getragen und vor Gott ausgeschüttet ha- ben? In einem solchen Raum hat die Ehr- furcht zu herrschen, nicht . . . Wann end- lich will man dies wieder begreifen?! -- Der Chor begann mit Orlando di Las- sos »Jubilate Deo«, und dieser kunstvolle Satz stellte bereits einen ersten Höhe- punkt des Programms dar - sowohl vom Musikalischen, als auch vom Ausfüh- rungsmäßigen her. Wunderbar ausgewo- gene, frische und doch im rechten Maß gedeckte Sopranstimmen, samtig färben- der, nie aufdringlicher Alt; ebenso homo- gen die Männerstimmen. Eine einzige Freude! Der Chorsatz zudem in zuchtvol- ler und doch so wirkungsvoller Dynamik gestaltet. Was sofort auffiel: ein Dirigent ohne Gefuchtel. Er schwitzt nie! (Nach Richard Strauß das Qualitätsmerkmal des guten musikalischen Leiters!) Und gerade die Sakralinusik verlangt - auch vorn Leiter her - das Zurücknehmen, Zurück- drängen des Temperaments, braucht die »Zucht«. - Dann Gregorianik - »Anti- phonen« zur •Palmsonntagsprozession. Vielleicht um eine Spur zu lang geraten, aber Choral, wie er sein sollte. - Weiter: Palestrinas »Missa sine nomine«, 6-stimmig, und zwar nur die kürzeren Tei- le (Kein Gloria, kein Credo!). Der Geist, aus welchem solche Musik nur entstehen konnte, keine Frage! - Schließlich ein »Tenebrae factae sunt« des wenig be- kannten Italieners Pnmponio Nenna -- ein herrlicher, für damalige Verhältnisse sehr dramatischer Satz, der die letzten Worte Jesu am Kreuz in erschütternder Weise zum Ausdruck bringt. Aus dem 17. Jht. ein Sprung in das 19. Jht. - zu Anton Bruckner. Ein »Pange- lingua«, das unvergleichliche, in lydischer Tonart geschriebene »Os justi« mit ein- stimmigem Choralschuß und die viel- leicht größte Bruckier-Motette, das »Christus factus est« -- Prüfstein für je- den Chor, der etwas auf sich hält. Sowohl das »Os justi« als auch das »Christus fac- tus est« sind äußerst heikle Sätze, was die Reinheit der Intonation betrifft - vor al- lem durch die extremen Lagen und die kühnen Modulationen. Und hier zeigten sich vielleicht erste Ermüdungserschei- nungen des Chors. Nicht alles kam hun- v* rsichert ist, hat einen Freund Er denkt über Ihre Probleme und Sorgen nach wie Ihr bester Freund Nur kennt bei Versicheru2 .- ser aus. Manfred Reiner ie\ GeS0t 56) 3204 e\. (0 53 e en-. \ 7.302 00 U
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