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Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 12. Jänner 1980 zum Bürgermeister, ein Amt, das er 15 Jahre lang bekleidete. Mit hoher Moral, Tatkraft und unge- heurem Fleiß hat Bürgermeister Hermann Reisch diese fünfzehn Jahre lang die Ge- schicke seiner geliebten Stadt gelenkt und entscheidend mitbestimmt und Entwick- lungen eingeleitet, ohne die wir uns heute nicht als Fremdenverkehrsstadt von inter- nationalem Rang bezeichnen dürften. Es würde den zeitlichen Rahmen dieses Nekrologes sprengen, sollten alle großen Probleme aufgezählt werden, die Bürger- meister Hermann Reisch in den 15 Jahren seiner Amtsführung mit großer Umsicht anzupacken und zu lösen verstanden hat. Nur die wichtigsten seien hier genannt: Die umfangreiche Kanalisierung unse- rer Stadt und die Abfallbeseitigung, die uns das erste Umweltgütesiegel Tirols ge- bracht hat. Die Verbauung der Wildbäche und der Ache zum Schutze unserer Bevölkerung gegen Unwetter. Der von Hermann Reisch forcierte Neubau der kaufmännischen Berufsschu- le, der Bau der Doppelhauptschule, die Gründung der städtischen Musikschule und der städtischen Handelsschule sind Meilensteine auf dem Gebiete der Bil- dungspolitik und der musischen Erzie- hung unserer Jugend. Die Erstellung einer perfekten Trink- wasserversorgung mit Hochbehälter ent- hebt uns auf Jahrzehnte von der Sorge um genügend und gesundes Trinkwasser. Hermann Reisch war auch an der Ver- wirklichung des Neubaues des Kurhauses mit Hallenbad maßgeblich beteiligt. Mit der Schaffung des vierbändigen Stadtbuches im Jubiläumsjahr 1971 wur- de dank seiner Initiative eine im In- und Ausland anerkannte großartige Tyrolien- se geschaffen und der Stadt ein bleibendes Kulturdenkmal gesetzt. Das größte und nachhaltigste Werk der Amtszeit Hermann Reischs ist wohl der Neubau des städtischen Krankenhauses, dessen Bau er trotz vieler Zweifler und Skeptiker durchgesetzt hat und das in den nunmehr 14 Betriebsjahren zigtausende von erkrankten Mitbürgern und Gästen als gesunde und glückliche Menschen ver- lassen konnten. In Kitzbühel gibt es keine Sichtbeton- bauten, keine Hochhäuser und keine Flachdächer. Diese von Hermann Reisch durchgesetzte Baugesinnung ist richtungs- weisend für die Zukunft. Die Stadt Kitzbühel hat Bürgermeister Hermann Reisch für seine bleibenden Verdienste schon 1971 mit dem Goldenen Ehrenring ausgezeichnet und ihm 1977 die Würde eines Ehrenbürgers verliehen, eine Ehrung, die sie nur wenigen zuteil werden läßt. Das Land Tirol verlieh ihm das Ver- dienstkreuz. Bürgermeister Hermann Reisch war auch 15 Jahre lang Vorsitzender des Ver- waltungsausschusses der Sparkasse der Stadt Kitzbühel und wurde für seine Ver- dienste mit der silbernen und goldenen Sparkassennadel geehrt. Er war aber auch ein großzügiger Förderer aller städtischen Institutionen, Körperschaften und Ver- eine - bei manchen Gründungsmitglied und blieb jahrzehntelang Mitglied. So haben ihn auch die Freiwillige Feu- erwehr, die Schützenkompagnie und der Turnverein zum Ehrenmitglied ernannt. Aus Familientradition galt seine beson- dere Vorliebe dem Skiklub. Die Förde- rung der Stadtmusik war ihm ein Her- zensbedürfnis. Was Bürgermeister Reisch die Körper- schaften und Vereine seiner Stadt bedeu- teten, beweist der Umstand, daß er in sei- nem letzten Willen seine Familie angewie- sen hat, alle an seiner Beerdigung teilneh- menden Vereine und Körperschaften ein- zuladen. Am offenen Grabe eines so außerge- wöhnlichen Mannes wird meistens nur das gewürdigt, was er im Dienste der All- gemeinheit geleistet hat. Doch scheint es auch angebracht, einige Worte über den Menschen Hermann Reisch zu sagen: Er war ein aufrechter Tiroler, in seinem Wesen bescheiden, ein Mann der Tat, Verantwortung und Pflichtbewußtsein waren ihm in die Wiege gelegt. Während seines ganzen arbeitsreichen Lebens hat er sich selbst nie geschont. Und er hat voll- kommen das Dichterwort erfüllt: 'Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen'. Seine große Liebe galt jedoch seiner Vaterstadt Kitzbühel. Der volle Einsatz der letzten Jahrzehnte im Dienste der Allgemeinheit wäre ihm je- doch ohne das Verständnis seiner ausge- zeichneten Familie nicht möglich gewe- sen. Die größte Freude bereiteten ihm sei- ne heranwachsenden Enkelkinder. Der Trauerfamilie gilt unser Mitgefühl. Möge ihr die ungeheure Beteiligung an der Beerdigung ihres teuren Toten und damit der Beweis, welche Wertschätzung er in Stadt und Land genossen hat, ein kleiner Trost in dem schweren Leid sein, das sie betroffen hat. Lieber Hermann Reisch! Ich danke Dir im Namen aller Mitbürger für alles, was Du für sie und unsere Stadt geleistet hast. Ich danke Dir persönlich für das mir jahr- zehntelang geschenkte Vertrauen. Wir werden Dir stets ein ehrendes Gedenken bewahren.« Nach Bürgermeister Brettauer sprachen am offenen Grabe Nationalrat Klaus Mahnert für die Freiheitliche Partei, Kommerzialrat Wolfgang Hagsteiner für den Fremdenverkehrs yerband, Landtags- abgeordneter Paul Landmann für die Bauernschaft und das bäuerliche Genos- senschaftswesen, Univ.-Doz. Dr. Her- mann Berger als Leiter des städtischen Krankenhauses und Hans Posch im Na- men der Vereinigung »Alte Kameraden«. Alle Redner würdigten in ergreifenden Dankesworten die Persönlichkeit des Ver- storbenen. Die Schützenkompagnie gab eine Ehrensalve ab und beim Lied vom guten Kameraden, intoniert von der Stadtmusik, senkten sich die Fahnen zum letzten Gruß. Nach dem Begräbnis zelebrierte Stadt- pfarrer Danninger auf Wunsch der Trau- erfamilie in der Stadtpfarrkirche die See- lenmesse. Aus der Jugendzeit von Hermann Reisch Von seinen Eltern wurde der Verstorbe- ne schon in frühen Jahren zur Arbeit an- geleitet. Mit zehn Jahren wurde ihm schon das Zusammenrechnen der Metz- ger- und Bäckerbücheln übertragen und nach Überprüfung dieser Arbeit durch seine Mutter mußte er diese oft namhaf- ten Beträge auch auszahlen. Im Winter, speziell vor Nikolaus und Weihnachten, war seine Mitarbeit in der Konditorei wichtig. Daraus entstand in ihm schon als Schulkind seine Freude für den Konditor- beruf; er sollte auch als zweitältester Sohn nach dem Wunsch der Eltern Konditor oder Cafetier werden. Als er jedoch das Alter der Lehre erreichte, wütete noch der erste Weltkrieg und es war nicht daran zu denken, in eine Backstube zu kommen. Damals war sein Vater der einzige Erzeu- ger von Siphon und Kracherl. Die einzi- gen Arbeiter waren jedoch die zwei Bu- ben: Ernst, der ältere (gest. 1. August 1966), und Hermann, und sie mußten al- les tun, angefangen vom Waschen der Flaschen bis zur Erzeugung des Getränkes und der Auslieferung. Hermann Reisch war auch Auslieferer von Konditoreiwa- :en und Gefrorenem, von Bier aus der ei- genen Brauerei, von Spirituosen und von Flaschenweinen an die Landhäuser und Villen, wenn er nicht gerade bei der Heu- arbeit benötigt wurde. An schönen Som- mertagen gingen seine Altersgenossen zum Baden in den Schwarzsee, er jedoch hatte selten frei; im Hause Reisch kam immer zuerst die Arbeit. Im Herbst 1914 kam er in die Handelsschule nach Salz- burg, wo er bis Juni 1917 verblieb. In den Ferien war wieder die Heuarbeit wichtig; aber sonst gab es wenig Arbeit im Betrieb der Eltern. In der Konditorei gab es nichts zu backen, das Cafe hatte keine Geträn- ke, die Brauerei war ganz eingestellt und die Hotels waren Lazarette. Das Gute da- bei war, daß nun auch der Vater mehr Zeit für die Kinder hatte und mit ihnen Berg- und Skitouren machte. Vater Franz Reisch kannte alle Wege und Stege, alle Pflanzen und Blumen und war ein faszi- nierender Erzähler und Erklärer. Nach Abschluß der Handelsschule 1917 in Salzburg wurde ihm vom Vater eröff- nt, daß er nun die Handelsakademie be- suchen müsse, da vorläufig keine Aus- sicht auf den Konditorberuf bestehe, da ja keine Rohstoffe zur Verfügung stan- den. Hermann erreichte es jedoch von sei- nem Vater, daß ihn dieser von einem wei- teren Schulbesuch enthob und ihn in den eigenen Betrieben arbeiten ließ. Er mußte aber überall dort seinen Mann stellen, wo gerade Arbeit anfiel. Im Wald und auf dem Feld, im Magazin der Lebensmittel- und Futtermittelhandlung (es gab zwar nur Rüben, Duschen und Kürbisse, nicht einmal Kartoffel) und am Hackstock. Der Vater war in der Arbeit streng, war selbst
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