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Samstag, 16. August 1980 Kitzbüheler Anzeiger Seite ii Kitzbüheler Sommerkonzerte, Dresdner Trio Der zweite Abend der Kitzbüheler Som- merkonzerte war dem Klaviertrio gewid- met und wurde von dem in Kitzbühel be- reits bekannten Dresdner Trio bestritten. Die Werkgattung des Klaviertrios, also des Dreigespanns von Klavier, Violine und Cello, ist, als höfische Konzertform, aus dem anfänglichen Divertimento- Getändel erst um 1800 zu künstlerischem Gewicht erwachsen. In der Folge haben fast sämtliche Komponisten, soweit sie überhaupt für Kammermusik geschrieben haben, sich seiner bedient, vor allem die- jenigen, die als Musiker vom Klavier her- kamen. Dies mag auch der Grund für die Tatsache sein, daß dabei der Klavierpart stark betont ist und die Streichergruppe eher zurücktritt. So haben, um gleich auf das Programm des Abends einzugehen, so- wohl Beethoven, wie - in seiner guten Zeit -‚ Schumann, dann, in seiner Ver- tretung, seine Gattin Clara, und natürlich vor allem auch Brahms, in ihren kammer- musikalischen Werken persönlich den Klavierpart mit Vorliebe gespielt. Gleich das erste Werk im Programm, Beethovens Trio c-moll, op. 1/3, stellt die geschichtlich markante Wende vom leichtgeschürzten Divertimento zu einer vollgültigen, gewichtigen Aussage dar, mit ihm beginnt die lange Reihe seiner elf Trios, die aus dieser ersten Wiener Zeit über die mittlere Periode mit dem Geister- trio bis in die Zeit der IX. und der Missa solemnis hineinreichen. Das Allegro con brio des Kopfsatzes mag als Auftakt für die ganze Werkgattung gelten. Das Ge- sangsthema des zweiten Satzes wird in fünf, zum Teil recht selbständige Varia- tionen aufgefasert. Das Menuett bietet ei- ne Art Vorhalt für das Prestissimo des Fi- nale: Ein rasch bewegtes Hauptthema wird, aufgelockert durch ein Seitenthema, in mehrfachen Stimmungsumschwüngen durchgeführt und endet in einem C-Dur- Piano. Robert Schumanns d-moll-Trio, op. 63, noch aus der Zeit seiner Meisterschaft vor der Verdüsterung, hat in unseren Wie- ner Tagen der Zwanzigerjahre geradezu revolutionierend gewirkt. Uns, die wir vom Madrigalchor mit Vor-Bachscher Vokal- musik herkamen, hat es das Tor zur Ro- mantik aufgestoßen, ich glaube, Friedrich Wührer saß damals am Klavier. Die 4 Sät- ze, für deren Bezeichnung die üblichen italienischen Ausdrücke dem Meister wohl zu starr erschienen sein mögen, tra- gen deutsche Hinweise, die alle Höhen und Tiefen Schumannscher männlicher Gefühlsseligkeit ausgreifen. Die Thema- tik, der wohl jeder beim ersten Hören ver- fällt, wird »mit Leidenschaft« und »inni- ger Empfindung«, zuletzt »mit Feuer« durchgeführt. Das Werk ist in den letzten Jahrzehnten nicht mehr von den Konzert- programmen verschwunden, man kann kaum begreifen, daß es sich seinen Platz - nach längerer Verdrängtheit - erst langsam wieder erobern mußte. Was das Brahms-Trio, C-Dur, op. 87 anbelangt, so müssen die Skizzen dazu zum guten Teil in Ischl entstanden sein, wie aus einem Brief Billroths an seinen Komponistenfreund hervorgeht. Im Zuge einer begeisterten Kritik wünscht sich der medizinische Patron »einige längere No- ten«, um gleich anschließend gegen eine Steuervorschreibung von siebentausend Gulden zu demonstrieren! Diese Umstän- de scheinen dem Trio gut getan zu haben, vielleicht spiegelt das kraftvolle Unisono, mit dem das erste Thema entwickelt wird, die freundschaftliche Übereinstimmung beider auch in steuerlicher Hinsicht wie- der. Zur Charakteristik des Andantethe- mas klingt der Ausdruck seelenvoll, wie er für Brahmssche Streicherthemen oft ver- wendet wird, ebenso abgebraucht als im Grund genau zutreffend. Das quirlig-gei- sterhafte Scherzo steht in einem krassen Gegensatz zu dem wiegenden Wechselge- sang der Streichergruppe im Trio, wäh- rend im Allegro des Schlußsatzes das The- mengewebe der Streicher, durch das die perlenden Läufe des Klaviers durchschim- mern, zögernd zu Ende geführt wird. Ein glanzvolles Stück. Die ausführenden Künstler spielen nun zum dritten Male in Kitzbühel, wie er- wähnt: Der mächtige Pianist Gerhard Berge, manchmal vielleicht sogar über- mächtig, das Streicherehepaar Helga (Violine) und Hans-Werner Rötscher (Cello), man merkt sofort, daß sie seit langem aufeinander eingespielt sind. Durch die vollgriffige Brahmshand des Pianisten kommt der Klavierpart, wie es ja die eigentliche Anlage der gespielten Werke bedingt, natürlich in den Vorder- grund, wogegen die verhaltenen Streicher zurücktreten. Der Klangcharakter der Geige Frau Rötschers mit einem sehr süs- Durch Absage von Karl Leister und Martin Imaz, sehen sich die Kitzbüheler Musikfreunde gezwungen, das ursprüng- lich für den 20. August vorgesehene Pro- gramm abzusagen. Programmiert wurde nun ein Violin- abend des Gaigers Josef Sivo, der folgen- de Werke interpretieren wird: Franz Schubert, Sonatine in D-Dur, op. 125,1; Robert Schumann, Sonate in a-moll; Ludwig van Beethoven, Sonate in c-moll, op. 3/2. Josef Sivo ist gebürtiger Ungar und wuchs in Budapest auf. Seine Lehrer wa- ren neben seinem eigenen Vater G. Enes- cu, D. Rados und R. Odnoposoff. Di- plom der Franz-Liszt-Musikhochschule mit Auszeichnung. Seit 1956 Wohnsitz in Wien. 1964-1971 Konzertmeister der Wiener Philharmoniker. Internationale Preise: Budapest, Prag, Genf, Warschau, Genua. Seit frühester Jugend Konzerte, zuerst in Osteuropa, später in ganz Euro- pa, USA, Asien, Japan, Canada, Lateina- merika, Südafrika. Festspielmitwirkun- sen, aber zarten, nicht sehr tragfähigem Ton, etwa von der Art der Jakob Stamer- Instrumente, tut hier noch ein Übriges, dem sich der introvertierte Celloton anschmiegt. Daß das Beethoven-Trio zu Beginn benahe unterkühlt herauskam, liegt zum guten Teil an dem Umstand, daß sich die Künstler erst einmal mit den Klangmängeln des Saales auseinanderset- zen mußten, der Pianist außerdem mit den zu weichen Hämmern des Klaviers, die jede gewohnt herkömmliche Dosie- rung des Anschlags beeinträchtigen: Man muß es dreimal sagen. Schon das darauf- folgende Schumann-Trio bot weit ein- drucksvollere Klangwirkungen, die sich nach der Pause im Brahms-Trio noch stei- gerten. In der Kantilene des Andante kam diesmal besonders jener süße Brahmssche Geigenton Frau Rötschers zum Tragen, für den Billroth »zum Abbusseln« bereit war. Als Zugabe wurde das graziös musizier- te Allegretto des Mozartschen G-Dur- Trios (KV 496) aus dem Figarojahr dank- bar aufgenommen: Starker Applaus des Saales, der von Gästen und Kitzbühelern voll besetzt war. Alles in allem: Ein wohl gelungener, gediegener Abend, für den wir sehr dankbar sein können. Wir verein- en uns mit den liebenwürdigen Künstlern in dem beiderseitigen Wunsche: Wieder- kommen! Für Schallplattenfreunde seien noch, zum Nachgenießen, einige Einspielungen angemerkt: Für das Beethoven-Trio die klassische Einspielung mit Horszowski, Vegh und Pablo Casals, Ph 6833 054; für das Schumann-Trio Rubinstein, Szeryng und Fournier, RCA 2635 064FK; für das Brahms-Trio das Trio die Trieste, DG 2733 006. A. Dyk gen: Wien, Salzburg, Taormina, Mon- treux, Carinthischer Sommer u.a. Schall- platten: Decca Sivo spielt eine Petrus Viertes Sommerkonzert der Kitzbüheler Musikfreunde, 20. August 1980
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