Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 12 Fortsetzung von Seite 1 Die Veranstaltungsreihe wurde am Abend des 29. November durch Herrn Kurt Krolopp, Referenten des Bildungs- werkes der Hanns-Seidel-Stiftung und Diskussionsleiter des Seminars 1979, er- öffnet. Die Eröffnung und alle Referate fanden im Pfarrsaal des Dechantshofs, der sich als äußerer Rahmen vorzüglich bewährte, statt. Nach der Eröffnung sprach als erster Vortragender Herr Universitätsprofessor Dr. Werner Gabriel Zimmermann (Zü- rich) zum Thema »Die historische und po- litische Entwicklung im Alpenraum«. Der Redner ging aus von den drei heutigen souveränen Staaten Osterreich, Schweiz und Liechtenstein, die als eigentliche Al- penstaaten zu bezeichnen sind, und zeig- te, wie die geographischen Gegebenheiten für die Entstehung historisch-politischer Einheiten im Alpenraum entscheidend waren. Am Beispiel von Liechtenstein und an dem zum Vergleich herangezoge- nen Andorra läßt sich erkennen, wie geo- graphische Fakten das Überleben kleiner Einheiten begünstigen. Am Beispiel der Entstehung des Her- zogtums Savoyen und der Grafschaft Ti- rol ist zu verfolgen, welche Rolle die Päs- se für die Entstehung und Bedeutung die- ser Territorien spielten. Diese zwei klassi- schen alten Paßstaaten in den Alpen sind der vom Nationalismus bestimmten poli- tischen Entwicklung des 19. bzw. 20. Jahrhunderts zum Opfer gefallen. Der Vortragende umriß dann die Entstehung der Schweiz, des heute letzten klassischen Paßstaates in den Alpen. Im Anschluß daran wies er darauf hin, daß das Flug- zeug und überhaupt die moderne Technik die Bedeutung der Alpen als Paßgebiet immer mehr einschränken und daß außer- dem die alpinen Regionen derzeit einem Zerstörungsprozeß ausgesetzt sind. Die Entwicklung Europas und die Integra- tionsbestrebungen erzeugen wirtschaftli- chen und politischen Druck und haben ei- ne Tendenz zu zunehmender Fremdbe- stimmung zur Folge. Diese bzw. der Ver- lust der Selbstbestimmung wären jedoch für die Staaten des Alpenraumes beson- ders gefährlich, denn die Alpenländer sind als Paßgebiete besonders qualifizier- te, aber auch besonders verletzliche Terri- torien. Als Ausweg aus diesen Gefähr- dungen schlug der Redner den Alpenstaa- ten das Festhalten an der Souveränität, die Neutralität, ein verdichtetes militäri- sches Potential und wirtschaftliche Stabi- lität unter Bedachtnahme auf die Erhal- tung einer gesunden Umwelt vor. Am 30. November sprach am Vormit- tag Hofrat Dr. Hans Auer (Innsbruck), der Bildungsoffizier des Bundes der Tiro- ler Schützenkompanien, über »Die Auf- gabe und Bedeutung der Schützen in der Tradition und Bindung zum Brauchtum in der Alpenregion«. Was die Tradition betrifft, so geht es dabei weniger um das Traditionsgefühl als um das Traditions- bewußtsein im Sinne eines bewußten Le- bens und Pflegens. Um die Wichtigkeit der Tradition darzutun, zitierte der Red- ner u.a. Konrad Lorenz, der das Abreißen Kitzbüheler Anzeiger der Tradition in einem Volke unter die acht Todsünden der zivilisierten Mensch- heit zählt. Dann ging er auf die Tiroler Schützentradition ein, die ihre Wurzeln im 13. Jahrhundert hat, im Landlibell Kaiser Maximilians 1511 ihre Anerken- nung fand, sich im 18. und 19. Jahrhun- dert und zuletzt 1915 bewährte und bis 1918 ungebrochen blieb. Bei der Tiroler Schützentradition handelt es sich neben der militärischen Tradition auch um ein geistiges Vermächtnis, wobei die Verbin- dung mit der Religion von Bedeutung ist. Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sah ein Wiederaufleben der Schützentra- dition im Alpenraum. 1950 wurde der Bund der Tiroler Schützenkompanien (Nord- und Osttirol), 1951 der Bund der Bayerischen Gebirgsschützen, 1958 der Südtiroler Schützenbund gegründet und 1975 kam es zum Zusammenschluß dieser drei Bünde. Die Schützen sehen für sich in der heutigen Zeit viele Aufgaben. Neben der Pflege der Wehrbereitschaft geht es ihnen um die Pflege des Tradi- tionsbewußtseins. An der Spitze der Wer- te steht für die Schützen die Treue zu Gott und zum Erbe der Väter. Sie setzen sich für den Schutz der Heimat und Vaterland ein, wobei es vor allem um die geistige Landesverteidigung geht, um den Wehr- willen und um das Eindämmen zersetzen- der und zerstörender Tendenzen unserer Zivilisation. Die Freiheit und Würde des Menschen und die Menschenrechte sind den Tiroler Schützen ebenso große Anlie- gen wie die geistige und kulturelle Einheit des Landes Tirol und die Pflege des Tiro- ler Schützenbrauchs mit dem Auftreten in der bodenständigen Tracht nach dem Aufgebot wie in alten Zeiten. Abschlie- ßend stellte Hofrat Auer klar, daß Tiroler Schütze nur sein kann, wer Mitglied einer in einer Tiroler Gemeinde gegründeten Schützenkompanie ist und die genannten Grundsätze unterschreibt. Am Nachmittag des 30. November sprach Dr. Irmgard GIERL (München) anhand von Lichtbildern über »Alpenlän- dische Hausmalerei und Volkstrachten«. Sie legte dar, wie sich seit dem zunehmen- den Sich-Durchsetzen des Steinbaus der Häuser seit dem 15. bzw. 16. Jahrhundert im Alpenraum die Hausmalerei ent- wickelte. Neben Fensterumrahmungen handelt es sich dabei um Architekturma- lerei, Wappendarstellungen, Sprüche und Einzelbilder, die Tier, allegorische Dar- stellungen und - besonders seit der Ge- genreformation - verschiedene Heilige (den Namenspatron des Besitzers oder Schutzpatrone) darstellen. Immer wieder sind auch Szenen zu finden, in denen das Volk in seiner zeitgenössischen Tracht ge- zeigt wird. Die eigentliche Blütezeit der Hausmalerei in Oberbayern und Tirol fiel in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Damals kam in Oberbayern (Oberammer- gau, Mittenwald) die »Lüftlmalerei« auf. Bilder vom Schaffen verschiedener Mei- ster veranschaulichten diese Blütezeit. Dann wurden noch Schöpfungen der Hausmalerei aus neuerer Zeit gezeigt. Ab- schließend deutete die Referentin den rei- Samstag. 29. November 1980 chen Blumenschmuck vieler Häuser als Ersatz für die fehlende Hausmalerei und als Hinweis auf die Freude des Volkes an der Buntheit. Zu diesem Referat sei hier kritisch an- gemerkt, daß es besser gewesen wäre, die beiden Themen »Hausmalerei« und »Volkstrachten« gesondert zu behandeln. Nach dem Seminarprogramm hätte über »Die Entwicklung der Volkstrachten in Bayern, Tirol und Südtirol« vorgetragen werden sollen. Daß dies, wie schon 1978, abermals nicht möglich war, wurde von nicht wenigen Teilnehmern bedauert. Im Anschluß an das Referat von Frau Dr. Gier! führte Mag. Joachim Burger St. Johann i.T.) Bilder über die heutige Festtagstracht der St. Johanner Frauen vor. Volksschuldirektor Peter Brandstät- 1er (Kitzbühel) berichtete schließlich über die Bestrebungen, ein Tiroler und ein Kitzbüheler Männergewand zu schaffen. Am 1. Dezember sprach am Vormittag Dr. Kilian Greilinger, Referent am Baye- rischen Nationalmuseum in München, über »Die Bedeutung des Heimat- und Freilichtmuseums für unsere Kultur«. Zu- nächst vermittelte er einen Überblick über die Freilichtmuseen und schränkte dann die Betrachtung auf solche ein, die das bäuerliche Leben vor Augen führen. Von der Organisation her kann man drei Ty- pen von Freilichtmuseen unterscheiden: ein Baudenkmal oder mehrere solche, die an Ort und Stelle belassen sind (z.B. ein Hof, der an Ort und Stelle als »Urkund- hof« erhalten wird), sodann übertragene Baudenkmäler, schließlich rekonstruierte cder kopierte Bauten. Die größeren Frei- lichtmuseen sind meist von der zweiten Art. In diesen Museen sind alle Bauten mit der dazugehörigen Einrichtung ausge- s:attet. Jedes Gebäude soll den Mikrokos- mos, die kleine geordnete Welt der von ihm dargestellten Lebens- und Wirt- schaftseinheit wiederspiegeln. Jeder Ge- genstand steht an seinem Platz und damit im ursprünglichen Zusammenhang mit den anderen Dingen. Wie der Referent al- lerdings eingestehen mußte, ist es an sich schon zu spät für derartige Vorhaben, denn oft steht nur mehr Drittklassiges zur Verfügung. Der Vortragende gewährte dann Einblick in Probleme, die beim Ar- beiten für Freilichtmuseen auftreten, etwa bei der Frage nach dem Konzept der Innen- ausstattung eines Objekts, beim Abbau und Übertragen von Baudenkmälern oder bei Ausbesserungen, die mit altem Mate- rial und in der alten Arbeitstechnik durch- geführt werden sollen. So mußten sich die Museen eigene Handwerker (Handwer- ker-Restauratoren) heranbilden, die die frühere Arbeitstechnik und das Arbeiten mit dem früher üblichen Material beherr- schen und Kenntnisse über die früher üb- lichen Materialien haben. Wie jedes Museum haben auch die Frei- lichtmuseen die Aufgabe, zu sammeln, zu bilden und zu forschen. Wie der Vortra- gende aufzeigte, haben die Freilichtmu- seen, die dem bäuerlichen Leben gewid- met sind, für die heutige Kultur auf meh- reren Gebieten Bedeutung. Sie stellen eine
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