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Seite 6 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 16. Mai 1981 Jakob Dobringer ein Achtziger! Jakob Dobringer wurde als zweites von fünf Kindern in Watschig, Bezirk Herma- gor, geboren. Die Eltern waren Kleinbau- ern. Er hatte eine schöne Kinderzeit im Kreise der Familie. Dieses Idyll fand je- doch ein jähes Ende, als der Vater nach einem schweren Unfall starb. Die Mutter war kränklich, konnte daher die fünf un- mündigen Kinder nicht ernähren, so muß- te der Haushalt aufgelöst, die Wirtschaft verpachtet und die Kinder an Verwandte und Bekannte abgegeben werden (1910). Jakob kam zu einem Bergbauern, mußte dort vor und nach der Schule fleißig ar- beiten, ja, er wurde oft tagelang von der Schule ferngehalten, der Lehrer wurde verständigt, daß der Bub krank sei. Nach einiger Zeit wurde der Lehrer mißtrauisch und verlangte ein ärztliches Zeugnis. Kurz entschlossen schickte der Bauer seine Tochter (25 J.) mit Speck, Butter und Eier beladen mit dem Buben zum 12 km entfernten Arzt, der stellte wunschge- mäß einen Herzfehler fest und stellte ein Zeugnis aus, daß der Bub auf drei Monate schulfrei sei. Dieser Schwindel funktio- nierte solange, bis der Arzt einmal auf Ur- laub war. Der Bezirksarzt, dem sie dann ihr Sprüchlein vortrug, untersuchte den Buben, stellte Nasenpolypen fest und er- klärte, der Bub muß operiert werden, sonst fehlt ihm nichts. Dem Bauern diente dieses kleine Übel weiterhin, monatelange Schulbefreiungen zu erwirken. So ge- schah es, daß der Bauer mit Hilfe des Arz- tes den wehrlosen Buben fast die Hälfte seiner Schulzeit zur Arbeit ausnützte. Vom 14. bis einschließlich 20. Lebens- jahr arbeitete er als Bauernknecht, mußte schwerste Arbeit verrichten, und weil der junge Körper diesen Belastungen nicht ge- wachsen war, zog er sich eine Ausweitung des rechten Hüftgelenkes und eine Defor- mierung des linken Knies zu, an der Be- hinderung er heute noch zu leiden hat. Im Herbst 1923 bewarb er sich um Auf- nahme in das österr. Bundesheer und wurde am 5. Mai 1924 einberufen. Dort begann er, seine versäumte Schulbildung nachzuholen. Er besuchte in den Abend- stunden alle nur möglichen Fortbildungs- kurse, las Zeitungen und Bücher, um sein Bildungsmanko zu beheben. Beim Militär hatte er ebenfalls Gelegenheit, verschiede- ne Kurse zu besuchen. Die 6 Jahre Mili- tärdienstzeit hat er so gut genützt, daß er es wagen konnte, sich um einen ausge- schriebenen Posten bei der Finanziandes- direktion Kärnten zu bewerben. Auf- grund seiner ausgezeichneten Dienstbe- schreibung bekam er den Posten und wur- de am 1. März 1930 zur sechsmonatigen Probezeit zugelassen. Während dieser Zeit mußte er die Kanzleiprüfung und die erfolgreiche Ablegung der Stenotypisten- prüfung nachweisen. Die Stenotypisten- ausbildung war ein sehr schweres Stück Arbeit. Da er während seiner Dienstzeit keine Gelegenheit hatte, Stenographie und Maschinschreiben zu üben, kaufte er sich notgedrungen eine Schreibmaschine Jckob Dobringer mit seinem »Liebling«, dem Goldpokc', den er 1975 as Tiroler G9lf -Senio1-er1 -.ister gewann. und übte nahezu Tag und Nacht, sowie an Sonn- und Feiertagen. Abends bis 22 Uhr Mascriir..shreiten, morgens um 4 Uhr auf ttenograhieren bis 6 Uhr, anschließend gi:ig er in die Kanzlei, um die dort berei:- 1ieenden Konzepte ins Reine zu schrei- ben. So ging es wochenlang dahin; bei dieser freiwilligen Fleißarbeit hatte ihn der Amtsleiter Oberfinanzrat Harnan wie- derhlt beobachtet und seinen Fleiß wohl- wollend registriert. Nachdem er die bei- den Prüfungen mit Erfolg bestanden und die Probezeit a:e1aufen war, konnte der Chef ihm eine hervorragende Beurteilung ausstellen und ihn zur Pragmatisierung vorschlagen. Es war für Dobringer ein großer Erfolg, damals in der Zeit der grc- fleri Arbeitslosigkeit (1930), ohne Pro:ek- ticn und Beziehungen als Beamter prag- matisiert zu werden. Aiishließend be- suchte er gleich wieder einen Abendkurs für den Abschluß der Beamtenmatura und legte im Juni 1931 die Prüfung mit Erfolg a. Die prek.re Lage der österr. Wirtschaft war so drüccend, daß es Dobringer bela- stete, als Steuereintreiber zu fungieren, weshalb er sich im Jahre 1934 um den freigewordenen Posten als Grundkaster- füirer beim Vermessungsamt Kitzbühel bewarb und am 2. November 1924 den Dienst antrat. Im Sommer 1935 legte er die Fachprüfung für den Grundkasterfüh- rerdienst beim Bundesamt in Wien mit Erfolg ab. Darm fing er an, Mathematik zu studieren, nahm an einem Fernkurs für Vermessungsingenieure te:l und legte im Fruhjahr die Fachprüfung für den gehn- benen vermessungstechnischen Dienst als einziger Kandidat ohne Absolvierung ei- ner Fachschule mit Erfolg ab. Als sich nach dem Krieg das politische Leben wieder normalisierte, entschloß sich Dobringer, einer politischen Partei beizutreten. Er wurde als Mitglied der SPÖ Gemeinderat, kam 1946 in den Par- teivorstand, wurde 1947 Stadtobmann und 1948 auch Bezirksobmann der Sozia- listischen Partei. Er war Fraktionsführer und Vizebürgermeister. Dobringer be- mühte sich um eine denkbar gute Zusam- menarbeit und zeigte praktische Toleranz Andersdenkenden gegenüber. Als er fest- stellen mußte, daß er mit sachlichen Ar- gumenten selbst bei den eigenen Partei- freunden wenig Gehör fand, verdroß ihn die Arbeit und er legte sämtliche Funktio- nen zurück. Jakob Dobringer war auf dem Standpunkt, daß eine Minderheits- partei einige ihrer Ziele nur realisieren kann, wenn sie sachlich verhandelt, statt Kampfabstimmungen anzustreben. Dobringer war auch Bezirksobmann der Gewerkschaft der öffentlich Bedien- steten. Nach der Pensionierung im Sommer 1961 wurde Dobringer Hauptkassier beim Kitzbüheler Eissportclub, übernahm auch die Reiseleitung für eine Tournee nach Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich sowie in die Schweiz. Die Rei- se war sportlich und finanziell ein schöner Erfolg für den Eissportclub. Im Winter 1961/62 war Dobringer Sekretär des Eis- sportclubs. Im Frühjahr 1962 suchte Dobringer ei- ne Freizeitbeschäftigung und fand sie im Golfspiel. Als er dem Pro (Golflehrer) von seinen körperlichen Behinderungen erzählte, sagte dieser, da werde er beim Golf wenig Chancen haben. In Anbe- tracht der Tatsache, daß heute viele, schwerer behinderte, Menschen mit Erfolg Sport betreiben, dachte auch Dobringer, es mindestens zu versuchen. Nach 2 Un- terrichtsstunden ging der Pro mit Dobrin- ger auf die Runde und erklärte nach der Rückkehr, daß er in seiner 30jährigen Lehrpraxis noch keinen Schüler hatte, der den Ball so getroffen habe. Die- ses fachmännische positive Urteil beflü- gelte Dobringer, weiter zu machen. Er schaffte es, schon im ersten Jahr auf Han- dicap 23 und im 4. Jahr auf 10 zu kom- men. Im Jahre 1966 trat er zur österr. Natio- nalen Seniorengolfmeisterschaft in Wien an und kehrte als Sieger heim. Es war das erstemal, daß ein Tiroler Osterr. Golfse- niorenmeister wurde. 1967 wiederholte er seinen Sieg in Bad Ischl, 1968 wiederum in Wien und 1969 wurde en suite zum vierten Male Osterr. Nationaler Golfse- niorenmeister, das hat bisher noch kein Osterr. Golfsenior fertiggebracht. 1975 holte er sich in Pertisau-Achensee den Ti- tel Golfseniorenmeister von Tirol. Den letzten Seniorenmeistertitel gewann er in seinem Heimatclub Kitzbühei im 76. Le- bensjahr gegen um 18 Jahre jüngere Kon- kurrenten. Insgesamt gewann er 102 Golf- preise im In- und Ausland. Nebenbei war
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