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Brixentaler Antlaßritt; Mosaikbild von Karl Obleitner, Absam, auf dem Erker vom Hotel »Maria Theresia« in Kitzbühel (1977). Seite 2 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 13. Juni 1981 Kitzbüheler Wandertip Ein stattlicher Reiterzug Diesmal können wir Ihnen, liebe Leser, einen fast sicheren Wandertip geben, der auf das Wetter keine Rücksicht zu neh- men hat. Unser Ziel ist der Brixentaler Antlaßritt, den man auch als Zuschauer mit einer Wanderung verbinden kann. Wer am Vormittag unterwegs ist, kann et- wa eine Wanderung vom Gaisberg über die Äußere Kleinseite in Kirchberg in Richtung Brixen machen und kommt bei der Jagerkapelle zur Brixentaler Straße. Wer erst nach dem Mittagessen aufbricht, wird als Ziel die Klausenkapelle wählen, die man von Kirchberg aus mit dem Zug der Reiter erreicht oder von Kitzbühel aus mit einer Wanderung im Schwarzseebe- reich oder im Bichlach verbinden kann. Als literarisches Zeugnis zum Antlaßritt bringen wir Ihnen Auszüge aus der Dar- stellung des Tiroler Dichters Anton Renk (1871-1906), erschienen im 2. Band der Prosaschriften »Auf der Wanderung« im Verlag Georg Müller, München und Leip- zig, 1908: Es war ein sonnenfunkelnder Fron- leichnamstag, als ich nach Kirchberg im Brixental wanderte, um mir den Antlaß- ritt, eine der merkwürdigsten Prozessio- nen des Tiroler Volkes, anzusehen. Kirch- berg ist ein reiches Bauerndorf, obst- baumumstanden und behäbig, mit reinli- chen, stattlichen Bauernhäusern, deren Sölder bunten Nelkenschmuck tragen. Auf einem Hügel erhebt sich friedhofum- geben die Kirche und sticht mit spitzem Turm ins glänzende Blau. Als ich durchs Dorf einschritt, notierte ich mir einige Hausinschriften. Bald saß ich in der Gasthausveranda und blickte über die Krone der blühenden Wildkastanienbäume, die ihre Kerzen zu mir emporleuchten ließen, hin und harrte der Dinge, die da kommen würden; das waren Knödel und »a bachens Kitz«. Die- se kamen allerdings gar lange nicht, dafür aber begannen die Kirchenglocken eine geschlagene Viertelstunde lang zur Nach- mittagsvesper zu laden, mit einer Aus- dauer und Stärke, als hätten sie sich zur Aufgabe gesetzt, das immerhin schon be- denkliche Knurren meines Magens zu übertönen. Endlich kamen die Knödel und das Glockenläuten hörte auf. Nachdem Knö- del und Kitz ihrem Bestimmungsorte zu- geteilt waren und die von dem Kirchberge herabsteigenden Leute vermuten ließen, daß die Vesper zu Ende sei, stieg ich den Kirchhügel empor und durchsuchte den Friedhof nach Grabschriften. Da erklangen die Töne einer Blech- musik zu mir herauf und ich eilte eilig ins Dorf hinab, denn ich glaubte, es käme schon der Zug. Darin hatte ich mich nun freilich getäuscht. Es war nur die Dorf- musik, welche der Prozession entgegen- ziehen und sie am Dorfeingang empfan- gen sollte und die ihre Wartepause durch ein paar Stücke ausfüllte. »Dös sein ebba koane Flausen,« hatte mir ein alter Bauer gesagt, der mir die hi- storische Bedeutung des berittenen Fron- leichnamsumzuges auseinandersetzte. Im Jahre 1643 seien die Schweden ins Land gefallen und die Dörfer von Kirchberg, Brixen im Tale und Westendorf und deren Umgebung seien dem Feinde mit dem Geistlichen, der das Allerheiligste trug, bis zur sogen. »Schwedenkapelle«, die ei- ne Viertelstunde außerhalb Kirchbergs an der Landmark steht, entgegengezogen. Die Feinde wären dann umgekehrt und der Einfall wäre gefahrlos vorübergewe- sen. Zur Erinnerung daran wird heute noch dieser seltsame Reiterumzug abge- halten, der bei schönem oder schlechtem Wetter, einem alten Gelübde zufolge, stattfinden muß. An ihm dürfen sich nur die Mitglieder obengenannter Gemein- den, welche vor 350 Jahren ihre Kämpfer mit Hellebarden, Morgensternen, Sensen und Stutzen ausgesandt haben, beteiligen. Die benachbarten Hopfgartner sind aus- geschlossen, weil sie damals - wie die Sage wissen will - die anderen im Stich gelassen haben. Auch die Ordnung, in welcher geritten wird, ist altbräuchlich festgesetzt. Nun begannen die Glocken zu läuten und zu verkünden, daß der Zug, der von Brixen im Tale seinen Ausgang nimmt, sich in Bewegung setze. »Heut' kriagn sie nid viel Bier,« meinte der Bauer neben mir. Ich konnte mir den Zusammenhang des altgermanischen Lieblingsgetränkes mit der historischen Prozession nicht recht zusammenreimen und ersuchte des- halb um Aufklärung. Der Grund lag dar- in: Die Glockenläuter erhalten von den Wirten Freibier. Wenn sie wissen, daß ih- nen viel versprochen ist, dann läuten sie - man möchte meinen, recht lang und feierlich! - Fehlgeschossen! Dann läuten sie recht kurz und beginnen erst recht spät. Ja, warum denn das? - Sowie die Leute, die in den Wirtshäusern sitzen, durch das Glockenläuten erfahren, daß der Zug in Bewegung sei, verlieren sie das Sitzleder und eilen auf die Straße, um nichts zu versäumen. Je später also mit dem Läuten angefangen wird, je kürzer demnach geläutet wird, desto länger spre- chen die Leute im Gasthaus den Gaben des Bacchus und des Gambrinus zu. Item erklärt sich das scheinbare Mißverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeits- lohn. Aus dem Glockenläuten entnahm man deutlich auch den Ton des Sterbeglöck- leins, welches nur beim Auszuge gegen den Feind, aber nicht mehr beim siegrei- chen Rückzuge geläutet wird. Nun hörte man die Musik wieder. Sie kam nicht, wie es früher üblich war, zu Pferd an der Spitze des Zuges, sondern zu Fuß. Hinter ihr zogen 129 Reiter mit Mai- enbuschen, auf pfingstrosengeschmück- ten Rössern, die alte Sättel trugen. Zuerst kamen die Reiter aus dem Vordorf, dann die Westendorfer, sodann die Veteranen, die Kirchpröpste mit Laternen auf Stan- gen, die drei Gemeindepriester im Chor- rock mit dem Sanktissimum, die Kirch- berger in der alten Tracht und die Brix- ner. Es war ein stattlicher, von mancherlei Fahnen überflatterter Reiterzug. Die alte Tracht, die heuer wieder nach längerer Pause hervorgesucht worden war, besteht aus einem schwarzen, mit einer Quaste ge- zierten Spitzhute, aus einem braunen, wollenen, rotgesäumten, langschößigen Rocke, aus einer roten, mit Silbergeld als Knöpfen besetzten Weste, die ein grüner Hosenträger überkreuzt, ferner aus einer ledernen, breiten, gestickten Bauchbinde, schwarzen Kurzhosen, weißwollenen Wa-
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