Kitzbüheler Anzeiger

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Marktgemeinde St. Johann in Tirol Weihe und Verkehrsfreigabe der neuen Bruckwirtsbrücke Brückeneröffnung in St. Johann. Landeshauptmannstellvertreter Fili durchschneidet das Band; neben ihm Bürgermeister Dipl.-Ing. Ludwig Part!. Die alte »Bruckwirtsbrücke«, erbaut 1929. Seite 22 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 27. Juni 1981 »Clownerien« Walter Bartussek war zu Gast in St. Johann - Letzte Veranstaltung der »Jeunesse musicales« in der Reihe Im ersten Teil »Don Quixote« oder - könnte man sagen - die Verwandlung ei- nes frustrierten Bühnenarbeiters in den berühmten »Ritter ohne Furcht und Ta- del« ... Ein kaputter Vogelkäfig über den Kopf gestülpt, und das Visier der Rüstung ist fertig. Ein Stück Wellblech, wasch- rumpelartig, vorgebunden, und der Brust- schild ist perfekt. Eine verbeulte Pfanne wird zum Schwert, mit dem er, Don Qui- xote, sich später von einem Zuschauer zum Ritter schlagen läßt; aber auch zum Spiegel, in welchem sich der »Mann von La Mancha« fragend betrachtet. Ein aus der Mülltonne gefischter Fahrrad- schlauch, vorerst für eine Schlange gehal- ten, wird zum Gürtel, eine Brause plus Wasserrohr zur Lanze ... Ja, und da wird noch etwas Entscheidendes gefunden - im wahrsten Sinn verbindliches Requisit: ein Buch! Titel: »El Ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha« - Compue- sto per Miguel de Cervantes Saavedra. (So der spanische Originaltitel.) Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen von La Mancha ... Ein desolates, zerfledder- tes Buch, in welchem jedoch abschnitt- weise gelesen und das Gelesene dann ge- spielt wird. Damit aber entspinnt sich, kraft Bartusseks Talent, eine Pantomime von solch phantasievoller Verse, daß man sich gratulieren mußte, mit dabei sein zu dürfen. Mit ihm, dem fraglichen Helden Don Quixote, Beiname »Ritter von der traurigen Gestalt«, darf man das reizvol- le, oft geradezu schmerzliche Wechsel- spiel des dauernden Übertritts von der Re- alität (»Ja, sind Sie den verrückt? Räu- men Sie endlich die Bühne auf!«) in das märchenhaft Irreale, Phantastische und wieder zurück, x-mal mitvollziehen ...‚ er- lebt den »Bau« Sancho Pansas, des Schildknappen, aus einem Luftballon (der Kopf!), einer Steuersäule plus Len- krad (Wirbelsäule, Füße) und einer gro- ßen Kasserole (der Bauch bzw. Rumpf ..); erlebt eine teils sehr beeindruckende Regie und imponierende Bühneneffekte (Ruth Haida, Andrea Jaufer). Wie gera- dezu genial ist doch die berühmte Wind- mühle, mit welcher Don Quixote kämpft, realisiert: das Hinterrad eines Fahrrades, mit vier Flügeln versehen, von einem Elektromotor angetrieben, durch einen Scheinwerfer angestrahlt, was eine tolle Projektion auf dem Hintergrund (Lein- wand!) ergibt. Und wie er, Quixote, sich dann in diese Leinwand verwickelt! »Selt- sam, seltsam: Ursache - Wirkung!« phi- losophiert er. - Es gibt freilich zwischen- hinein ein langes, zu langes intellektuelles Geblödel mit Wortspielen etc., das wie ein überflüssiger Kommentar wirkt und in ei- ner endlosen »Fadensuche« endet. Eigens für diese Collage komponiert - von Wim van Zutphen, der auch begleitet - eine kluge Musik; teils bloße Geräu- sche: angezupfte bzw. mit Hammer ge- schlagene Klaviersaiten, durch eingezoge- ne Papierstreifen schnarrender Klang - also jene gewissen »Klavier-Spielereien«, die seit den frühen 60er-Jahren effektvol- le Verwendung finden. Wim van Zutphen kam freilich im zweiten Teil des Abends - bei Erik Saties Klavierstücken - bes- ser und mehr zur Geltung. In diesen »Mi- niatures« kam auch Bartusseks eigentli- ches mimisches Können groß heraus, weil hier Handlungen aus dem »Nichtvorgege- benen« - eben aus Stücken Saties - ab- geleitet wurden: etwa mit der »Klage der Eingeschlossenen«, dem »Bewaffneten Tanz« (genial!), der »Niederlage der Zymbern«, mit »Türkisch Tirol«, dem »Mageren Tanz«, der »Bürokratischen Sonatine« (Klavierspiel als Schreibma- schingeklapper!) - Und dann die Drauf- gaben: »Die Birne« (was haben wir, das Publikum, gelacht!); auch die »Kintop- szene« (Stummfilm). Tatsächlich, wer's nicht gesehen hat, der hat einiges versäumt; denn Bartussek ist wirklich ein Künstler, nein, ein wirkli- cher Künstler! Bleibt der Dank an den Veranstalter ... Man hofft, daß St. Jo- hann auf dieser »Jeunesse-Linie« bleibt, weil hier Altes und Neues, Bekanntes und Unbekanntes, Etabliertes und Experimen- tiertes geboten wird: zur Freude des Pu- blikums. Hugo Bonatti
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