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Seite 18 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 5. September 1981 »Noch vor etwa eineinhalb Jahrzehnten bildete die Tiroler Kunst der klassischen Moderne einen weißen Fleck auf der kunstgeschichtlichen Landkarte. Außer- halb der Grenzen Tirols kannte die breite Öffentlichkeit allenfalls einige als Heimatstil- und Blut und Moden-Male- reien mißverstandene Werke von Egger- Lienz und vielleicht noch das eine oder andere Bild von Nikodem oder Putz. In der Zwischenzeit haben Ausstellungen in Wien und Innsbruck mit einer Auswahl zur Malerei und Graphik in Tirol zwi- schen 1900 und 1940 erstmals 1973 einen repräsentativen Überblick über diese Zeit- spanne gegeben. Das Werk Albin-Egger- Lienz wurde 1976 - wiederum in der Wiener Sezession und im Innsbrucker Ferdinandeum - eindrucksvoll vorge- stellt, was zur Korrektur vieler bis dahin gängiger Klischeevorstellungen führte. Mehrere Ausstellungen im Ferdinan- deum, in der Taxisgalerie und andernorts waren einzelne Künstlern gewidmet und trugen ebenfalls zur Erweiterung unseres Bildes von der Tiroler Kunst im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bei - aus dem Vorjahr sei hier nur die Wanderaus- stellung Leo Putz erwähnt. Auch publizi- stisch findet dieses verstärkte Interesse seinen Niederschlag, wie das Erscheinen mehrerer repräsentativer Monographien in letzter Zeit bezeugt. Dem Kitzbüheler Maler Alfons Walde (1891-1958) widmete das Innsbrucker Ferdinandeum anläßlich der Olympischen Winterspiele vor fünf Jahren eine Repro- spektive. Dr. Gert Ammann, Kustos am Ferdinandeum, hat nun eine fundierte Monographie über Walde verfaßt, die vom Tyrolia-Verlag als schöner Bildband herausgebracht wurde. Ammann zeichnete Waldes Lebensweg in seinen wichtigsten Stationen nach, in- dem er zunächst den Lebensraum Waldes, Kitzbühel mit dem sich erst entwickelnden Wintersport und den Anfängen des Tou- rismus, skizziert und von hier aus auf die Familie Waldes, seine Schulzeit und die ersten künstlerischen Arbeiten überleitet. Die seine Kunst prägende Ausbildungszeit an der Technischen Hochschule in Wien 1910 bis 1914 wird vor allem unter dem Blickwinkel der Begegnung mit dem Werk Gustav Klimts und Egon Schieles gese- hen, ohne deren Einfluß Waldes Werk nicht denkbar ist. Sah sich Walde durch Klimt »stilistisch bestätigt in seiner poin- tillistischen und zu secessionistischer Dc- korativität tendierenden Aussage« (S 21), so wird von den vielen Berührungs- punkten zwischen Schiele und Walde vor allem der Bereich der Architektur- und Städtebilder von Ammann untersucht. Es folgt die Kriegszeit bei den Kaiserschützen und der leicht gefaßte Entschluß, danach für immer nach Kitzbühel zurückzugehen - »er war nie ein Freund des Großstädti- schen gewesen, immer drängte er hinaus in seinen gewohnten Lebensraum ( S 47). Hier erfolgte nun, auch auf der Lein- wand, die Begegnung mit der Natur, dem Sport und den Menschen in Kitzbühel. Sie führte zu Arbeiten voll schöpferischer Kraft, von intensiver Farbigkeit und präg- nanter Komposition. Erste Ausstellungen und ein mit der Entwicklung des Fremdenverkehrs wach- sender Kreis von Bestellern etablierten Walde als Tiroler Maler abseits der Lan- deshauptstadt. Die Freundschaft mit dem Wiener Bildhauer Gustinus Ambrosi führte 1925 zur Teilnahme Waldes an der Bienale in Rom. Im gleichen Jahr war er auch in einer Wanderausstellung Tiroler Künstler in Deutschland vertreten. Ammann geht hier auch auf die anderen ausstellenden Künstler ein und erarbeitet so die spezifische Eigenart Waldes heraus, wobei vor allem W.N. Prachensky »deut- liche Analogien zu Waldes Landschafts- konzept bot« (S 64). Weiter Ausstellun- gen in Wien und Nürnberg, Auszeichnun- gen und Preise trugen zur überregionalen Beachtung Waldes bei, der sich 1929 ein Berghaus am Hahnenkamm erbauen konnte. Im folgenden werden Waldes Land- schaften und Winterbilder behandelt, kri- tisch behandelt, kritisch auch die »Anlei- hen«, die er kurzfristig bei Egger-Lienz machte - »wenn Walde (hingegen) dem Kitzbüheler Menschen seinen Le- bensraum gab, so stimmte das Motiv, stimmte die Atmosphäre, stimmte das Mi- heu« (5 77). Allerdings korrigierte Am- mann das Bild vom ausschließlichen Win- tersport- und Landschaftsmaler Walde, der nur kernige Tiroler auf verschneite Almen unter azurblauem Himmel malte. Als eine Konstante in seinem Oeuvre wird auch dem Akt die ihm entsprechende Be- deutung beigemessen, den Walde offen- bar unter Ausschluß der Öffentlichkeit - nach einem kleinen Skandal anläßlich sei- ner Ausstellung in Innsbruck 1921 - als Motiv bis in seine letzte Schaffenszeit bei- behielt. Die sinnlichen bis erotischen Ge- staltungen dieses Sujets erzählen von ei- nem ganz anderen Walde. Sie reichen von sonnendurchfluteten Gemälden über Schiele-ähnliche Graphiken, über schwül- sinnliche Pastelle bis zu handfesten klei- nen Bildern (wie sie zuletzt auch am Kunstmarkt der Art 81 in Basel auftauch- ten). Waldes Verhältnis zu seinen Inns- brucker Malerkollegen war zeit seines Le- bens von Mißstimmigkeiten begleitet. Ei- nige im Anhang des Buches publizierten Briefe Waldes an Gustinus Ambrosi ge- ben hierüber Aufschluß und zeigen auch, wie schon damals die »Freunderiwirt- schaft« blühte. Der in diesem Zusammen- hang - und auch in kunstpolitischer Hin- sicht - besonders bezeichnende Verlauf des Ausstattungswettbewerbes für den Innsbrucker Hauptbahnhof 1928, der schließlich mit der Vergabe des Auftrages an Rudolf Stolz endete, wird eingehend erläutert. Weiteren Ausstellungen und Aufträgen folgen private Schicksalsschläge, die zur weitgehenden Isolation Waldes führten. Auch in seinen letzten Lebensjahren blieb er seinen bewährten Motiven treu. Ammann behandelt auch kurz Waldes Werk als Architekt und als Plakatentwer- fer und Illustrator. Das Bild wird abge- rundet durch Anmerkungsapparat, Teizt- tafel, Ausstellungsverzeichnis, Bibliogra- phie und eine Zusammenstellung früher Notizen und Berichte über Alfons Walde. Mehr als hundert großformatige Schwarz- Kulturberichte aus Tirol - Buchbesprechung Gert Ammann: Alfons Walde, 1891-1958 Künstlermonographie mit 189 Abbildungen, davon 30 farbig. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien-München 1981 »Stadt im Tauschnee«, 1927 (erste Fassung 1920), Öltempera auf Leinwand, 180 x 198, Tiroler Landesmuseum Ferdinan- deum (Leihgabe Dr. Berger, Wien). Auch mit diesem Bild lie- ferte Walde einen bleibenden Beitrag zur Österreichischen Kunst.
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