Kitzbüheler Anzeiger

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Die Leistungsfahne der Tiroler Jungbauern errang heuer die Jungbauernschaft von Kirchdorf. Samstag, 7. November 1981 Kitzbüheler Anzeiger Seite 51 Tausende von Jugendlichen auf die Stra- ßen, plündern Geschäftshäuser, werfen mit Pflastersteinen auf Polizisten und ru- fen die Parole: »Macht aus dem Staat Gurkensalat«! Niemandem könnte man es verübeln, wenn er angesichts solcher Zustände an das biblische Gleichnis von der »besessenen Schweineherde« denken muß. Könnten solche Dinge auch in der länd- lichen Welt passieren? Gibt es Gemein- samkeiten zwischen »dieser« Jugend und uns? Die gibt es nicht, werden sich viele von uns jetzt womöglich denken. Warum wird uns dann so etwas eigentlich erzählt? Die eingangs erzählte Geschichte hatte folgendes Ende: Als die Jugendlichen vom Richter befragt wurden, was sie zu diesem Handeln bewegt habe, erhielt er folgende vier Antworten: Das war das einzige, was uns noch etwas zu geben mochte. In der Disco- thek war es stinklangweilig. Wir wollten uns einmal am Staat rä- chen; der betrügt uns sowieso Tag für Tag. Bei den Eltern wollten wir Aufmerk- samkeit erwecken, damit sie endlich wieder merken, daß wir ihre Kinder sind und daß sie sich nicht von uns durch Geld loskaufen können. Wir wollten in der Zeitung stehen und gespannt warten, was uns der Staat an Strafe »draufdonnert«! Ich erzähle diese Dinge, weil diese Ju- gend, die so handelt, am Endziel ange- langt ist, am Endziel einer Entwicklung, deren Ausläufer fast auf jeden in der Ge- sellschaft übergegriffen und besonders bei jungen Menschen Wurzeln geschlagen hat. Eine Entwicklung die Geld, Macht und Maschinen überbetont und die einen nicht mehr im Mittelpunkt sieht: Den Menschen. Ja, wenn es schon so unglaubhaft klingt, prüfen wir kritisch, ob tatsächlich dieser von übertriebener Konsumhaltung geprägte Zeitgeist an uns vorbeigegangen ist? Wer kurz und einfach gesagt, seinen Pflichten als Christ begeistert nach- kommt, mit Freude seinen Arbeitsplatz aufsucht und in der Freizeit echte Lebens- freude tankt, der wird sagen können, er ist nicht eingefangen worden... ich habe stets die Kraft aufgebracht, Maß halten und auch Verzicht üben zu können! Aber wie viele unter uns jungen Menschen sind heute in der glücklichen Lage, von sich aus das zu sagen? Wer verspürt nicht ein großes Unbeha- gen, innere Leere, Mangel an echter Le- bensfreude? Wer hängt nicht den Mode- trends nach, der Verlockung alle Wün- sche und Bedürfnisse auszuleben? Wer bringt es zustande, auf den augenblickli- chen Genuß zu verzichten und konse- quent an das Morgen, oder gar an eine höhere Sinngebung zu denken? Eines liegt klar auf der Hand. Die heu- tigen Jugendprobleme gehen weit über den Generationskonflikt früherer Genera- tionen hinaus und haben ihre Wurzeln in einer Gesellschaft die glaubt, sich von al- len Bindungen lösen, nur mehr ein Brauchtums-Christentum aufrecht erhal- ten zu müssen und Werte wie Familie, wertbezogene Erziehung, Heimat und Tradition, für einen inzwischen schon längst fragwürdig gewordenen Fortschritt aufgeben zu können. Nach und nach dämmert somit der Ab- schied vom sittlichen und moralischen Er- be der Väter herauf, ohne daß wir uns die- se Entwicklung eigentlich wünschen. Denn das Bekenntnis zu den Werten unse- rer Vorfahren ist unzweifelhaft, gerade in der Landjugend da. Nur Bequemlichkeit, Sattheit, den Hang zum gerade Aktuellen und die Verlockung des Geldes läßt uns diese Werte auflockern. Die wertbezogene Erziehung Besonders in der Erziehungsfrage sind wir heute oftmals grundlegend anderer Auffassung als unsere Eltern. Wir glau- ben recht zu haben, wenn wir für eine großzügige Erziehung eintreten, wo das Kind möglichst selbst entscheiden kann wie es »laufen« soll. Andererseits sind wir aber schnell bei der Hand einen Sünden- bock zu finden, der für die Desorientie- rung der Jugend schuld sein könnte: Die Eltern natürlich! Wie wäre es, wenn wir uns zur unbe- quemen Wahrheit entschließen würden. Wie wäre es, wenn wir einbekennen, daß wir trotz der ständigen Warnungen und der Beteuerungen der Eltern unaufhalt- sam den Trends folgen, ständig mehr Geld, Ausgang etc. fordern, also wir es sind, die unaufhaltsam fordern, fordern und nochmals fordern! Und daß die El- tern eben auch nicht nein sagen und nicht hartherzig sein wollen, sondern nach der Vorstellung handeln, unser Kind soll die bessere Jugendzeit verleben als wir! Tun wir nicht so unschuldig - sonst sind wir auch nicht so armselig, wenn wir mit un- seren Freunden zusammen sind. Mir fehlt einfach die Vermessenheit, ja Frechheit, Eltern, die nur das beste wol- len, die Schuld zu geben, anstatt zutiefst dankbar zu sein. Wie wäre es, wenn wir wieder ja sagen würden zu einer wertbezo- genen Erziehung, wo uns Wegweiser auf- gezeigt werden, die uns Halt, Orientie- rung und Rückgrad in unserem Leben sind. Bekennen wir uns nicht nur mit Worten dazu, sondern bringen wir die Kraft auf, es auch zu tun. Der Mensch ist eben in seinen Anlagen nicht nur gut; es wirken in ihm auch nega- tive und böse Kräfte. Mit ihnen fertig zu werden und sie zu überwinden, ist das Ziel der Erziehung. Wie der junge Baum des schützenden und stützenden Pfahles be- darf, ehe er allen Winden ausgesetzt wer- den kann, so bedarf der junge Mensch auch der schützenden und stützenden Hand seiner Erzieher. Wo diese Hand fehlt, da ist das Ergebnis nicht ein junger Mensch, der sich von selbst in der Gesell- schaft zurechtfindet, sondern ein schwan- kendes Geschöpf voller Unsicherheit und Angst, verwöhnt und anspruchsvoll, un- zufrieden mit sich selbst und seiner gan- zen Umgebung, aggressiv gegen jeden Wi- derstand, der seinem Egoismus entgegen- gesetzt wird. Er hat nur das Fordern ge- lernt, weil ihm nie gelehrt worden ist, wie er sich, seine eigenen Ansprüche zurück- stellend, in eine größere Gemeinschaft einzufügen und in redlicher Zusammenar- beit mit anderen sich zu bewähren hat. Brennpunkt Familie Der Wert eines harmonischen Familien- lebens muß in unserem Bewußtsein wieder mehr gestärkt werden. Das muß heißen, daß wir mehr in das Familienleben ein- bringen müssen. Vielleicht klagt eure Mutter auch öfter: »Es ist kaum mehr in unserer Familie ein gemeinsames Mittag- essen möglich« etc. Nehmen wir uns Zeit dafür und wirken wir persönlich mit, das Leben in der Familie gemeinsamer und einträchtiger zu gestalten. Tragen wir mit-
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