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Samstag, 7. November 1981 Kitzbüheler Anzeiger Seite 7 Edelweißgilde 61 Mitglieder und sie hat keine Nachwuchssorgen, denn in ihren Reihen ist eine Schar einwandfreier, jun- ger Felskletterer, die ihr Können nicht nur im Aspirantenjahr unter Beweis gestellt haben. Nun kam es zum umfangreichen Tourenbericht: Vorerst berichtete der Tourenwart, daß von allen Gildenbrüdern leider nur 26 einen schriftlichen Bericht über ihre im Gildenjahr gemachten Berg- fahrten abgegeben haben. Ob aus Be- scheidenheit oder aus purer Bequemlich- keit, das lassen sie dahingestellt. Auf alle Fälle aber fehlen sie sowohl zahlenmäßig als auch namentlich im Gesamtbericht der Gilde und setzen damit ihre Gesamtlei- stung nach außen hin herab. Nach den eingegangenen Berichten wurden mit 701 Bergfahrten 1162 Gipfel bestiegen, davon 3 über 4000 m. Gerade diese Zahlen aber geben nur ein unvollkommenes Leistungs- bild der Gilde durch die vielen fehlenden Berichte! Dessen ungeachtet muß aber ge- sagt werden, daß fleißig »gegangen«, viel »gemacht« und, dem Trend der Zeit fol- gend, gerade von den Jungen viele der schwierigsten, klassischen Bergfahrten im Alleingang und zudem eine Vielzahl von Erstbegehungen »gemeistert« wurden, in den Alpen, in Afrika und selbst in der amerikanischen Bergsteigerhochburg in Kalifornien. Von den 701 gemeldeten Bergfahrten wurden - gereiht nach der nunmehr erweiterten Schwierigkeits- Skala von 1 bis IX - 68 Bergfahrten mit dem Schwierigkeitsgrad III, 159 mit IV, 284 mit V, 177 mit VI, 8 mit VII und 5 mit VIII durchgeführt. 6 Gildenbrüder waren im Hoggargebirge in Algerien/Afrika und haben dort schwierige Bergfahrten unter- nommen. Gildenbruder Paul Koller war einige Zeit in Kalifornien und hat dort 48 Bergfahrten unterschiedlicher Schwierig- keit gemacht. Dort werden die Bergfahrten nach einer anderen Skala bewertet, die von 5/12 über 5/11, 5/10 bis 5/6 reicht und heute praktisch, wie unsere auch, nach oben nicht mehr erweitert werden kann, es sei denn, der Mensch entwickelt sich zu ei- nem Wesen, das wie Spinne und Fliege imstande ist, über senkrechte und über- hängende Wände, ja selbst unter einer Decke mit dem Kopf nach unten, zu »ge- hen«! Der Gildenmann Koller hat dort auch Fahrten all dieser Schwierigkeitsgra- de gemacht: 2 mit 5/12, 17 mit 5/11, 17 mit 5/10, 6 mit 5/9 (entspricht unserem VI), 3 mit 5/8, 2 mit 5/7 und 1 mit 5/6! An Erstbegehungen waren Gildenleute 16 mal beteiligt, und sie waren dabei im Kaiser, auf der Steinplatte in Waidring, im Gesäuse, in den Zillertalern, in den Dolomiten, im Hoggargebirge/Afrika und selbst in Kalifornien/USA. So erhielt ein langer, senkrechter Riß an der Stein- platte von seinen Bezwingern Koller/ Niedermühlbichler den Namen »Jänner- riß« (Schwierigkeitsgrad VI), am 1. Sella- turm gibt es eine »Kollervariante« (VI) von ihm und Gefährten. An der Mauk- spitze gibt es den »Gogl-Gedächtnisweg« (Vil-Al), von Koller/Niedermühlbichler eröffnet. Zu den vielen Wegen und Va- rianten auf das Totenkirchl gibt es einen neuen mit einem vielsagenden Namen den »Genießersteig« (V+) von Koller/Ge- fährten. Von den gleichen Leuten erhielt die Fleischbankspitze eine neue Kletterrouto, die den Namen »Nervensäge« (VI) erhielt. In den USA/Wayoming/Wolfshütte gibt es nun eine »Tirolerroute« mit der dorti- gen Schwierigkeitsbewertung 5/10a (Kol- ler). Im Hoggargebirge in Afrika gibt es einen neuen Anstieg mit den Namen (Voi Angelique« (VI) von Brandstätter und Gefährten. An der Sagwandspitze in den Zillertalern wurde von den gleichen Leu- ten ein kühner Anstieg neu begangen und ihm der Name »Hallerrisse« (V+) gege- ben. Die beiden Gildenbrüder Nieder- mühlbichler/R. Sulzenbacher eröffneten im Kaiser zwei weitere »Wege«: einen auf den ersten Südwestgratturm der Ackerl- spitze über dessen »Südkamin« (V) und einen über den »Südwestpfeiler« (VI-) auf die Maukspitze. Eine Neutour auf den Kaibling im Gesäuse erhielt von den Erst- begehern Koller und Gef. den zauberhaf- ten Namen »Simsalabim« (VI). Sollte man vielleicht vermuten, daß die beiden dabei hübsch »gezaubert« haben? Und nun das Kapitel »Alleingang«: Vorerst: Alleingeher hat es schon immer gegeben und viele der ganz großen Er- schließer der Berge waren auch Alleingän- ger. Scharenweise könnte man sie ange- ben, nichts' hat sich geändert, nur schwe- rer ist es geworden und früher war das Al- leingehen oft erzwungen, während es heu- te gesucht wird, ja, zu einer Art »Bewe- gung« geworden ist. Folgende schwere Bergfahrten wurden von Gildenleuten im Alleingang - sagen wir ruhig - »ge- macht«: Maukspitze/Westwand, Predigtstuhl/ Schüle-Diem, Predigtstuhl/Fiechtl- Weinberger, Karlspitze/Alte Ostwand, Karlspitze/Ostwand-Göttnerführe, Fleischbankspitze/Südostwand - beide mehrmals, Bauernpredigtstuhl/Alte Westwand, mehrmals, Westliche Hochgrubachspitze/Neue Südwand, Waxensteinerturm/Südwand - mehr- mals, Bauernpredigtstuhl/Rittlerkante, in der Sellagruppe: Piz Ciavazes/Micheluzzi und Abrahamkante. Diese Fahrten haben alle die Schwierigkeit V + und VI! Außer- dem wurden viele schwierige Fahrten in altem, klassischem Stil durchgeführt, von denen nur ein kleiner Auszug erwähnt werden soll: die Rebitschrisse und der Schmuckkamin auf die Fleischbank, alle schwierigen Routen auf das »Predigtge- stühl«, wie die »Direttissima«, sowie die Nordost-Verschneidung, in den Dolomi- ten den Torre Trieste über die Calesso- und die Cassinführe, die Marmolata über den Solda-, Gogna- und Vinazzerweg, die Große Zinne über die Route Hasse/ Brandler aber ohne Stegleitern und den Comiciweg, den Tofanapfeiler und die wohl tollste Fahrt am El Capitan/Nous in Josemite/Kalifornien. Erwähnt soll im Tourenbericht noch werden, daß wohl alle Gildenleute skifah- ren, auch daß zwei Senioren über 70 noch Bergsport betreiben: der eine hat noch die Südverschneidung (V) auf die Maukspit- ze, man kann wohl sagen »gemeistert« und der andere ist an 31 Wintertagen mi: Aufstiegshilfen 164 mal »hinunterge- rutscht«. Und noch etwas soll hier noch gesag: werden: Es gibt, wie überall in den ver- schiedensten Sportzweigen, auch im Berg- sport neue Ideen, neue Möglichkeiten de-- Ausübung. e: Ausübung. Die junge Bergsteigergenera- tion ist schon seit langem weltweit, man kann auch sagen international, bemüht, neue Formen des idealen Kletterns zu fin- den. Diesem Trend kann auch die Gilde nicht entgehen und die Jungen verschlie- ßen sich nicht den neuen Ideen, sondern machen mit, nehmen das für sie Brauch- bare an, lehnen aber auch selbstkritisch vieles ab. Erstrebenswert ist allgemein das ganz freie Klettern, auch im schwerstem Fels. Doch da gibt es bereits verschieden.- Auffassungen. erschiedene Auffassungen. Es wird strittig debattiert, 0 BEZIRK KITZBÜHEL 0 • - -
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