Kitzbüheler Anzeiger

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Hannes Bonatti und Angela Kunstovny sprachen die Jungbürgerworte. Samstag, 7. November 1981 Kitzbüheler Anzeiger Seite 9 deutung, daß der Rechtsstaat in der Ver- teidigung seiner Existenz nicht schwäch- lich sein dürfe, ja darin bis an seine Gren- zen - niemals aber darüber hinaus - ge- hen müsse. Anders gefragt: Wieviele Frei- heiten dürfen wir aufgeben, um die Frei- heit zu bewahren? Lassen Sie mich noch ein anderes Pro- blem anschneiden: Vergessen wir doch nicht, meine Damen und Herren, daß es im öffentlichen Leben nicht so sehr um Ruhm und Ehre, um Geld und Wirt- schaftswachstum gehen sollte. Vergessen wir nicht, daß der Mensch mit seinen Sor- gen und Nöten, mit seinem Anspruch auf Glück, auf Zufriedenheit und Liebe im Mittelpunkt der Politik stehen soll. Ver- suchen wir deshalb, jeden Tag ein wenig dazu beizutragen, daß unsere Welt ein we- nig menschlicher, angenehmer und wohn- licher wird. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie, liebe junge Freunde, auf ein ernstes soziales Problem hinweisen: Die klassi- sche Aufgabe der Sozialpolitik, also der Vorsorge für die gesellschaftlich Schwa- chen, weicht heute schrittweise einer neu- en sozialen Frage. Denn die beiden alt- überkommenen großen organisierten La- ger der Arbeitgeber und Arbeitnehmer verfügen heute über starke, in sich gefe- stigte Interessenvertretungen. Diese sind in der Lage, die berechtigten Ansprüche und Forderungen ihrer Mitglieder nach- haltig zu vertreten und sich im Wege von Verhandlungen - es ist dies das System der Sozialpartnerschaft - ihren Anteil am Wirtschaftserfolg zu sichern. Diesen Gruppen stehen heute in wach- sendem Maße die nicht organisierten Be- völkerungsgruppen gegenüber: Alte und kranke Menschen, Hausfrauen und Müt- ter, Kinder und Jugendliche haben keine öffentl.-rechtl. Interessenvertretung. Las- sen wir sie nicht abseits stehen! Machen wir die Probleme der wirklich Schwachen und Bedürftigen zu den unseren! Diese neue soziale Problematik zu erkennen und zu ihrer Lösung beizutragen - jeder in seinem Bereich - das wäre eine schöne Aufgabe für die junge Generation unseres Landes! Ich kehre zum Eingangspunkt zurück: Es ist die Gemeinde, die kleinste Zelle des staatlichen Gemeinwesens, die schon mit Ihrem bisherigen Lebensweg besonders eng verbunden war. Sie gewährte Ihnen Schutz bereits in den ersten Tagen Ihrer Kindheit, in ihr besuchten Sie die Schule, hier knüpften Sie Ihre ersten Freund- schaften. Es ist deshalb wohl ein Vorrecht der Gemeinde, Ihnen als erste zur vollen politischen Mündigkeit herzlich zu gratu- lieren. Es wird aber auch für Sie eine ebenso schöne wie wichtige Aufgabe sein, sich in erster Linie um die Politik in der Gemeinde zu kümmern und an der Ge- staltung Ihres engeren Lebensraumes ak- tiv mitzuwirken. Hüten wir uns - bei aller Respektie- rung der demokratischen Rechte - die mit der Demokratie verbundenen Pflich- ten zu vernachlässigen! Vergessen wir nicht, daß die Demokratie ihrem Wesen nach Wahldemokratie und Parteiendemo- kratie ist. Die demokratischen Einrich- tungen, die Parteien und die Politiker brauchen Stärkung statt Abwertung. Es gibt keine Demokratie ohne politische Parteien, es gibt keine Demokratie ohne Politiker. Die Demokratie verträgt keine Experimente, aber sie erfordert ständige Weiterentwicklung und Reform. Eine starke Demokratie hat mit den Zerrbildern der Gefälligkeits- und Vertei- lungsdemokratie wenig gemein. Sie ist ei- ne ebenso anstrengende wie anspruchsvol- le Staatsform, aber es wird nie eine besse- re geben. Vor dem Hintergrund dieses Bildes vom Menschen, von der Gesellschaft und von der Politik, das ich heute mit einigen Strichen vor Ihnen entwerfen durfte, möchte ich mich dem Glückwunsch Ihrer Gemeinde anschließen und darf Ihnen in meiner Eigenschaft als ein aus der Jugend kommender Politiker zur politischen Mündigkeit aufrichtig gratulieren. Für Ihre persönliche Zukunft möchte ich Ihnen Glück wünschen und hoffen, daß Ihre persönlichen Anliegen und Wün- sche in Erfüllung gehen mögen. Legen Sie die Latte nicht zu hoch und Sie werden sie schaffen! Wir werden jene Zukunft ha- ben, die wir gemeinsam gestalten und er- arbeiten und das ist nach meinem Dafür- halten genau jene Zukunft, die wir alle ge- meinsam verdienen.« Unser besonderes Anliegen ist das Be- wußtsein, daß die Erfüllung unserer Rechte und Pflichten nicht nur auf Kitz- bühel, Tirol und Osterreich beschränk-- bleiben, eschränk: bleiben, sondern daß wir diese auch vo der Weltöffentlichkeit geltend machen. Aus der Position immerwährender Neu- tralität, die uns niemand streitig machen soll, haben wir wiederum die Verpflich- tung, Vermittler und Friedensstifter zu sein und uns gerade als wohlhabender Staat für die Länder der 3. Welt einzuset- zen. Dies alles soll jedoch nicht nur Auf- gabe der Regierung sein, sondern liegt auch in der Hand jedes einzelnen von uns. Wir Jungbürger wollen uns heute zu die- sen Aufgaben bekennen.« Worte der Jungbürger Johannes Bonatti und Angela Kunstovny »Im Namen aller Kitzbüheler Jungbür- ger möchte ich mich herzlich für diese mit so viel Mühe vorbereitete Feier bedanken. Wir betrachten es als ein sichtbares Zei- chen der Anerkennung und der Aufnah- me in die Gemeinschaft vollwertiger Staatsbürger. Danken möchte ich im be- sich mit ihrem Beruf in den Dienst ande- rer zu stellen, an solche, die in Vereinsar- beit gemeinschaftsfördernde Aufgaben erfüllen oder solche, die gerade hier, in der Fremdenverkehrsstadt Kitzbühel, als würdige Vertreter des Staates Osterreich tätig sind. sonderen deshalb, weil es mir durchaus keine Selbstverständlichkeit scheint, daß wir uns zu den freien Bürgern in einer wahren demokratischen Ordnung zählen dürfen. Sie beweisen uns mit diesem Fest, daß Sie Vertrauen in uns setzen, daß Sie uns für reif genug halten, die Verantwor- tung eines Staatsbürgers zu tragen. Es wird dem jungen Menschen oft zum Vorwurf gemacht, in dieser Stellung pri- mär die Rechte zu sehen, die ihm damit zuteil werden und dabei seine Pflichten außer acht zu lassen. Glauben Sie mir aber: es gibt sehr wohl viele unter uns, die un- auffällig ohne großes Gerede, ohne De- monstrationen mehr im stillen wahres Staatsbürgertum vorleben. Ich denke hier vor allem an diejenigen, die bereit sind, 1
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