Kitzbüheler Anzeiger

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Samstag, 1. Mai 1982 Kitzbüheler Anzeiger Seite 3 Eines muß man Herrn E.F., St. Jo- hann, lassen: Mich mit einer Variation zu meinen eigenen Einleitungsworten zu schlagen, war nicht schlecht, wenngleich als Stilmittel nichts Neues. Freilich ist mit Händen zu greifen, daß ich ihm, Herrn E.F. (manche lieben das Anonyme), of- fensichtlich schon länger ein Dorn im Au- ge bin, sprich »auf die Nerven gehe«. Ja- ja, es ist schon recht angenehm, will sagen unangenehm, dauernd aufgefordert zu werden: »Schreiben Sie uns eine Rezen- sion!« »Schreiben Sie uns dies, schreiben Sie uns das!« Und der Bonatti macht es und setzt sich dabei ab und zu in die Brennesseln. Der Tiroler Autor Helmut Schinagl sagte einmal von mir, ich wäre »ehrlich wie ein deutscher Schäferhund«. (Sehr schmeichelhaft!) Das muß ich mir offensichtich schleunigst abgewöhnen. Es hätte Vorteile! - Ich würde mich viel lie- ber im Konzertsaal genußvoll zurückleh- nen . . . Statt dessen immer den Bleistift parat . . . Dann der tagelange innere Druck, bis ich mich an die Niederschrift getraue, bis die passende (oder eben un- passende) Formulierung endlich gefunden ist, und das alles, ohne dafür einen Gro- schen zu bekommen - zumindest norma- lerweise nicht. (Die Eintrittskarte freilich ist gratis!) Dabei hat sich der Unterzeich- nete diesmal, obwohl zu rezensieren aus- Andere spielen auch Klavier - »spie- len«. Sie produzieren Töne, Akkorde, exakt laufende Tonfolgen im Vivacissi- mo . . . Sie sind wie Spiegel, welche das äußere Erscheinungsbild einer Partitur notengetreu wiedergeben; aber es ist viel- fach kein eigentliches Reflektieren da. Sie halten sich brav an piano und forte, an crescendo und decrescendo, an adagio, andante und allegro. . .; nur den »Geist« des jeweiligen Werkes vermögen sie nicht zu artikulieren; Vergeistigung gelingt, wenn überhaupt, nur sporadisch. Wenn Jörg Demus spielt - in solcher Hoch- und Höchstform wie kürzlich in Kitzbühel - hat man nicht sosehr den Eindruck von »Spiel«, sondern eher von Zelebration; Zelebration Beethoven'scher Sonaten, Schubert'scher Impromptus et cetera, Brahms'scher Rhapsodien und schließlich Schuhmann'scher Etuden. Wie wunderbar gestaltete er doch den er- sten Satz der Beethoven-Sonate op. 14/1! Und natürlich das ganze Opus. Und dann, als zweites Stück, Schuberts Im- promptu B-Dur, op. 142/3 (die »Rosa- drücklich aufgefordert, ja bestellt, an- fangs zu schreiben geweigert. Eben in der Befürchtung . . . Mister Beckman war je- doch geradezu erpicht darauf, mit einer Kritik - sie sollte ursprünglich in die »Salzburger Nachrichten« kommen - nach den USA zurückzukehren. Ich wur- de daher gedrängt und angewiesen, »die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit« zu schreiben. - Nun denn: er h a t mies gespielt, und ich glaubte, dem enttäuschten Teil des Publi- kums (es gab ihn!), nämlich den wenigen Einheimischen, die bereits beste Konzerte gewohnt sind, diese Wahrheit schuldig zu sein; auch im Interesse des Veranstalters, um Abwanderung zu verhindern. Wir ha- ben schließlich in Kitzbühel in jahrelan- ger, mühevollster Arbeit ein anspruchs- volles Konzertleben aufgebaut. - Frei- lich, ich gebe gern zu - und in diesem Punkt danke ich Herrn E. F. für den Hin- weis, nein, den wirklich berechtigten Na- senstüber - etwas dezenter hätte ich wohl schreiben können; d.h., nein, ich hätte besser schweigen sollen. - Im übrigen: Wer Kritik an einer Kritik übt, müßte - dies wäre eigentlich das mindeste - schon so viel Mut haben, seinen vollen Namen unter das Geschriebene zu setzen. Mit un- sichtbaren Gegnern zu kämpfen, ist nicht gerade angenehm. Hugo Bonatti munden-Variationen«): Kann irgendwer irgendwann diese Musik irgendwie schö- ner - noch schöner spielen? Undenkbar! Das lachte mit Schubert, das weinte mit Schubert, das fragte mit Schubert, das klagte und antwortete mit Schubert Verklärung, ja, dies scheint das richtige Wort, lag über dieser Interpretation. Wie perlten die Töne, Läufe, etwa der vorletz- ten Variation - glasklar und doch voll Wärme. Ein Schubert, im Übergriff auf Transzendentes, aber nicht etwa (und dies ist so wunderbar!) im Zurücklassen, im Abstreifen der Dinge dieser Welt, sondern im veredelnden Mitnehmen gänzlich ent- schlackten »Materials«, auf ihre reine Idee reduzierter Materie. Demus spielte dann einige »Lieder ohne Worte« von Mendelssohn - sozusagen Atempause, wenn auch mit gleicher Sorg- falt, gleicher Liebe. Schwelgen in »schö- nen Harmonien«, in musikalischen Far- ben . . . (ein Hauch von Impressionisti- schem liegt darüber) - Atemholen vor den beiden Brahms-Rhapsodien op. 79 (h-moll, g-moll). . . Brahms'sches Dahin- fluten von Tonwogen, Akkordströmen — Stücke, welche alle Konzentration abver- langen; auch dem Zuhörer. Müßig zu er- wähnen, daß er, Jörg Demus, beide brahmsgerecht spielte. Noch einmal, nach der Pause, wird dem Schönklang, dem Klangrausch ge- huldigt: bei Chopins Berceuse op. 57 und der Barcarolle op. 60. Wie glitzerten da gegen Schluß die Re- flexe des Wassers im »Canale grande!« Es war, als wollte Demus in einem nochmali- gen Atemschöpfen Gehirn, Herz und Hände für Schumanns op. 13, die be- rühmten »Symphonischen Etuden«, be- reiten. Was sich da bei Schumann, aber auch in der Interpretation durch Demus aus dem einfachen Andante-Thema - ein nach unten zerlegter Moll-Akkord mit entsprechendem Anhängsel - entwickelt, ist phantastisch. Ja, hier wurde die Souve- ränität dieses Allerwelts-Pianisten so rich- tig klar (nachdem vom Interpretatori- schen her der Beethoven und der Schu- bert, vor allem diese zwei, sosehr beglückt hatten). . . »Etudes symphoniques en for- me de variations« - so der Originaltitel. Ein Werk für Männerhände, ohne Zwei- fel! Trotzdem: es wäre interessant, wie Clara Wieck-Schumann diese Variationen gespielt haben mag. Natürlich ging's nicht ohne vom tram- pelnden Publikum (erfreulich viel Ju- gend!) erzwungene Zugaben ab, und De- mus beglückte nochmals: mit einem hin- reißend gespielten »Fantasie-Impromptu« cis-moll (Chopin) - im Saal Stille, die beinahe zu greifen war - und dem Noc- turne Fis-Dur. Man - gemeint sind die Musikinteres- sierten von Kitzbühel und Umgebung - darf sich freuen: Das jährliche Auftreten von Jörg Demus soll, laut Aussage des Kulturreferats, aber noch mehr laut Ein- verständnis des Pianisten, Tradition wer- den. Hugo Bonatti An alle Wasserrettungsmitglieder! Wie Ihr wißt, führen wir seit Jahren ei- ne Chronik. Diese wurde mit viel Liebe und Geduld zusammengestellt. Nun hat sich jemand von uns diese Chronik ausge- borgt und es vergessen, sie zurückzuge- ben. Da es sich um unersetzliche Fotos handelt, ersuche ich Euch alle, noch ein- mal nachzuschauen, ob Ihr die Chronik habt und diese entweder bei mir oder im Alpenhotel »Moigg« abzugeben. Danke für Euer Bemühen. Anneliese Lindebner, Kassier Herrn Anonymus ins Stammbuch Meta-Reaktionen auf den Artikel »Rezension für einen Clan« vom 24. April Von der Zelebration Beethoven'scher Sonaten und anderem Reflexionen zum Klavierabend Jörg Demus in Kitzbühel
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