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Seite 8 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 19. Juni 1982 Variationen in De-Be-Fm-Lux Eindrücke von der heurigen Klubreise durch Westeuropa Freundschaftsklub Kitzbühel - Rueil-Malmaison (HP) Kitzbühel ist verschwistert mit Rueil-Malmaison. Dieses wiederum hat einen deutschen Bruder: die aufstrebende Kurstadt Bad Soden bei Frankfurt a.M., die als schöne Wohngegend schon zum Ausstrahlungskreis der Mainmetropole gehört. Bad Soden nun (mit einem aus Österreich stammenden Stadtamtsdirek- tor) beobachtete von Anfang an mit gro- ßem Interesse die weiteren Verbrüde- rungsaktionen seiner französischen Schwester. Und als die Rueiler nach Kitz- bühel kamen, um einen neuen kleinen Bruder ans Herz zu drücken, begleitete sie auch eine Abordnung aus Deutschland, um das frischgewonnene Familienmit- glied zu begutachten. Anscheinend ge- wann dieses rasch ihr Herz, denn sie wä- ren gleich bereit gewesen, reinen Fami- lientisch zu machen. Aber der kleine österreichische Bruder war und ist da et- was bockbeinig. Übereilen steht nicht in seinem Vokabular. Und so hat sich im Verlauf der drei Jahre, die man einander kennt, eines der beliebten, weil unver- bindlichen »schlamperten Verhältnisse« entwickelt, auf dessen Boden schon eine Reihe guter persönlicher Kontakte ent- standen sind. Erste Station unserer heurigen Klub- fahrt darum Bad Soden. Wir bringen schönes Wetter und gute Laune mit und werden reizend aufgenommen. Der DE (sprich: Deutschland)-Akkord der Reise erklingt froh und verheißungsvoll und schwillt am nächsten Tag an zu einer Rhein-Mosel-Sonate, die - untermalt von den stets glänzenden geschichtlichen Ausführungen des Reiseleiters Gerhard Resch und begossen von vielen guten Tropfen - uns ein herrliches Stück unse- res nördlichen Nachbarlandes nahebringt. LUX (Luxemburg) - zweiter Akkord: ein freundliches Hügelland, eine alte, schöne Stadt, durchfurcht von zwei tiefen Flußtälern, altväterlich, solide und ein wenig wie vor 50 Jahren. Die Luxembur- ger...? Man bemerkt sie kaum. Das Pro- blem des europäischen Westens zeigt sich schon in dieser sonst so ruhigen Enklave: Italiener, Spanier, Afrikaner auf der Stra- ße, in den Lokalen. Sie kamen als Gastar- beiter, jetzt sind sie da und prägen das Bild der Stadt mit. BE (Belgien) - das dritte Land, der dritte Ton, nicht so klar und hell wie die anderen: freundliche Landschaft zuerst und eine verschlafene Bäderstadt - Spa - berühmt in aller Welt und den Rätsel- lösern wohlbekannt. Hier ist wallonisches Gebiet, man spricht französisch, aber auch hier mit vielerlei Akzenten. Nur die reinen Landgebiete scheinen noch so zu sein, wie man sie sich vorgestellt hat: saf- tige Acker, viel Grün, liebenswürdige, bo- denständige Bevölkerung. - Aber dann kommt Brüssel und drückt diesem freundlichen, wenig aufregenden Belgien- bild seinen faszinierenden, aber auch et- was bedrückenden Stempel auf. Denn wo sich einst, rund um die unvergleichliche »Grande Place«, dieses Prachtstück flan- drischen Bürgerstolzes, eine elegante Me- tropole entwickelt hatte, tummelt sich jetzt auf wenig gepflegten Straßen zwi- schen charakterlosen Hochhäusern ein kosmopolitischer Hexenkessel. Wohl gibt es noch die kleinen Restaurants in den verwinkelten Altstadtgassen, aber man sucht lange nach den Einheimischen. Und Brüssel, das sich gerade als die Haupt- stadt Westeuropas fühlt, läßt seine herrli- che Kathedrale Ste. Gudule, das Wahrzei- chen seiner jahrhundertealten, stolzen Geschichte, einstürzen und verfallen! Wir sagen ihm ohne Schmerz »Ade« und las- sen uns bei kurzer Rast in den Hügelfel- dern von Waterloo durch den Reiseleiter 170 Jahre zurückversetzen, um mit der Kraft der Phantasie Napoleons letztes Aufbäumen gegen seine geeinten Gegner nachzuerleben. FRA (Frankreich) - der letzte Akkord unseres Vierklangs tönt an in Picardie und Normandie: weites, fruchtbares Bau- ernland, Apfelbäume, grüne Hecken, Ci- dre und Calvados an den Straßen feilge- boten, Dörfer an die Hügel geschmiegt und die Städte überragt von ihren goti- schen Kathedralen. Die von Amiens gilt als die größte des Landes, die von Rouen, der alten, reizenden Hafenstadt, rührt ans Herz. Lisieux, im Herzen dieser Land- schaft und Heiligtum der Hl. Thrse vom Kinde Jesu, ist die letzte Station vor Rueil-Malmaison. Nach Lourdes ist es der berühmteste Wallfahrtsort Frankreichs mit allen Vor- und Nachteilen solcher Stätten, von denen man nie weiß, ob ihre Entwicklung dem Wesen der Heiligen ent- spricht, die sie so einträglich für sich be- anspruchen. Von Lisieux nach Rueil-Malmaison ist es im Vergleich zur schon bewältigten Strecke nur mehr ein Katzensprung. So nützen wir den Tag zu einem Abstecher nach Deauville, dem meist superchicen Seebad am Ärmelkanal, das - kokettie- rend mit dem Charme der Jahrhundert- wende - auch heutzutage wieder lebhaf- ten Zuspruch findet. Es hüllt sich vor- nehm in malerisches Grau und läßt uns die Macht des Atlantik nur gebändigt ah- nen, während es bei den Kriegsteilneh- mern alte und nicht immer erfreuliche Er- innerungen weckt. Weit fröhlicher und pittoresker begrüßt uns der kleine Hafen Honfleur. Hier winkten einst viele Auswanderer der Hei- mat zum letzten Mal, hier malten die Im- pressionisten ihre berühmten Meerland- schaften und hier schlemmen wir bei herr- lichen Fischgerichten. Rueil-Malmaison, jetzt schon liebe und vertraute Freundesstadt, ist diesmal der Endpunkt der Reise. Aber ob Beginn oder Ende, immer scheint dort die Zeit zu kurz, um alle Freunde zu begrüßen, allen Einladungen nachzukommen und wo- möglich noch einige neue der tausend Fa- cetten von Paris zu erforschen. Aber viel- leicht ist es ganz gut, immer noch etwas für »das nächste Mal« im Hinterhalt zu haben und sich darauf zu freuen. Denn wir hoffen sehr, daß unsere Klub- reisen, bei denen mitzuhalten jedermann eingeladen ist, allmählich zu einer lieben Tradition werden. Dafür sollte schon die glänzende Planung und Reiseleitung durch den Direktor des TLB und Vizeob- mann unseres Klubs, Gerhard Resch, bür- gen. Ihm und nicht zuletzt unserem groß- artigen Fahrer Fred nochmals herzlich- sten Dank! KLUBNACHRICHTEN Noch einmal möchten wir sehr herzlich uns an alle wenden, die eventuell für einen Sommermonat (bevorzugt Juli) junge Leute aus unserer Partnerstadt Rueil- Malmaison »au pair« bei sich aufnehmen können. Es handelt sich dabei um Schüler des Lyzeums von Rueil, die ihre Deutsch- kenntnisse vervollkommnen möchten und gegen Unterkunft, Verpflegung und ein Taschengeld von ca. 5 2000.— bereit sind, überall zuzugreifen. Die Mädchen und auch ein Bursch sind bereits erfahre- ne Baby-Sitter und würden gerne Kinder betreuen. Die anderen Burschen (insge- samt 4) würden sich keineswegs scheuen, auch in der Landwirtschaft mitzuhelfen. Alle sprechen genügend deutsch, um sich zu verständigen. Wir freuen uns sehr, bereits für 5 Mäd- chen einen Platz gefunden zu haben, wä- ren jedoch sehr glücklich, auch den ande- ren noch helfen zu können. Lassen Sie unseren Appell darum bitte nicht ungehört verhallen! Gerade für Fa- milien mit kleinen Kindern oder berufstä- tige Mütter von Schulkindern sind solche Sommerhilfen oft wirklich eine große Un- terstützung und tragen zudem zur Vertie- fung des Kontaktes zwischen unseren Schwesterstädten bei. Telefonische Anmeldung täglich zwi- schen 17 und 20 Uhr unter den Nummern 05356/5447 oder 4586.
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