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Würdiges Gedenken an den Dichter Alfons Petzold Gederkfe,er am Grab. Von links: Dr. Erich Schenk, Hugo Bonatti, Hans W!rtenber- ger, Gemeindnrat Friedhelm Caps'[lari. Seite 4 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 23. Oktober 1982 Handarbeiten kontra Streß Immer mehr Leute greifen zu Nadel, Faden, Garn Sie ist wieder »salonfähig« geworden, die »gute alte Handarbeit«. Wer heute mit dem Strickzeug, einer Stickarbeit oder mit Häkelnadel und Wolle bei Freunden oder Bekannten auftaucht, erzeugt dadurch weder besondere Aufmerksamkeit noch wird er belächelt. Man hat sich daran ge- wöhnt, daß gestrickt, gestickt, gehäkelt oder auch geknüpft wird, findet es nor- mal, daß moderne junge Frauen zur Hand- arbeit greifen. Sicherlich sind es nicht immer nur die Ergebnisse - der gestrickte Pullover, die gehäkelte Decke, der geknüpfte Teppich, die bestickten Sets -‚ die uns zu Handar- beits-Höchstleistungen anspornen. Wir könnten dies alles auch kaufen. Auch der praktische Nutzen des fertiggestellten Modells oder gar die Geldersparnis sind es nicht ausschließlich, die uns zum Handar- beiten bringen. Trotzdem gibt es keine sachliche und allgemeingültige Erklärung. Man muß schon selbst zu Nadeln und Wolle greifen, muß sich wieder einmal Zeit nehmen zum Sticken, um die Erfahrung zu machen, wie beruhigend diese Tätigkeiten sein können. Handarbeiten ist ein anspruchsvoller Ausgleich zum täglichen Trott. Die Hand- arbeit fordert die Kreativität des Einzel- nen, ist eine Bereicherung der Sinne und fördert Fertigkeiten, die durch unsere hochtechnisierte Umwelt leider mehr und mehr verkümmern. Sie ist heute mehr als eines von vielen Freizeitangeboten. Sie ist auch Therapie. Selten kann man so gut Aggressionen abbauen wie bei einer Hand- arbeit, nichts befriedigt mehr, als nach vielen Stunden etwas Selbstgeschaffenes in Händen zu halten. Die Handarbeit - Freizeitspaß und Therapie zugleich? Sozusagen Handarbei- ten kontra Streß und Uberforderung? Wer viel handarbeitet, wird dem zustim- men! Was immer man auch macht, eine Handarbeit zwingt den Einzelnen, sich mit sich selbst zu beschäftigen und bietet so die Möglichkeit, zu sich selbst zu fin- den. Vielleicht ist es das, was uns so faszi- niert an der »guten alten Handarbeit«? Passendes Material für Ihre Hand- arbeit finden Sie in großer Auswahl und guter Qualität in Ihrem Fachge- schäft für Wolle und Handarbeiten: Herta Haller, Kitzbühel, Floriani- gasse 7. Feuernotruf - Tel. 122 Rettung (Rotes Kreuz) Tel. 144 Notruf Gendarmerie Tel. 133 Der Dichter Alfons Petzold wäre am 24. September 1982 hundert Jahre alt ge- worden. Der 100. Geburtstag dieses mit Kitzbühel eng verbundenen Künstlers wurde in schlichter, aber eindrucksvoller Art gefeiert. Das Kulturreferat der Stadt lud au Abend des Geburtstages zu einer kleinen Feier in Anwesenheit der Tochter Verena Hpfensberger und ihrer Familie am Gra- be ein. Kulturreferent GR Fniedhelm Ca- pellar. zeigte in einer kurzen Ansprache das Vermächtnis des öffentlich tätigen Mandatars auf, der in der schwierigen Nachkriegszeit nach dem Ersten Welt- krieg als Gemeinderat tätig war, Eugo Bonatti sprach über das dichterische Schaffen und Dr. Erich Schenk sprach Worte der Erinnerung für Frau Hedwig Petzold -jnd las ein Gedicht. An der ein- drucksvollen Feierstunde anläßlich der Niederlegung eines Gebindes nahmen Vi- zebür2ermcister Alfred Gebe:s:erger, Stadtrat OSR Peter Brandstätter, Kustos Martin Wörgtter und Dir. Hans Wirten- berger von der ZwegsteIle der Volkshoch- schale teil. Der »Turmbund<, Zweigstelle Kitzbü- hel. und die Volkshochschcle. Vortrags- referat, iLden für den Abend zu einer Le- sung ein, die im kleinen Saal der Doppel- hauptschule abgehalten wurde. Dazu wurden mit Unterstützung des Kulturrefe- rats der Stadt Dr. Erich Schenk als Rezi- tator und Dr. Gunther Schneider (Gitar- re) verpfl:citet, die dem Abend ein großes Niveau sicherten. Die etnführenden Worte sprach der Schriftsteller Hugc Bonatti. Er wies ein- gangs darauf hin, wie schwer die Eiriord- nung Petzclds fällt. Man könnte natürlich bei der althergebrachten Etikettierung >Arbeiterdichter« bleiben, es wäre zu ein- fach. Damit jedoch wird man, sosehr er's gewesen sein mag, dem »Gesamtwerk« auf keinen Fall gerecht, und aus der Di- stanz vcn immerhin fast 60 Jahren seit seinem Tod oder mehr als 80 Jahren, seit er zu schreiben begann, muß wohl jede derartige AbstempeLing ins Leere gehen; deshalb, weil gerade Petzold, SO relativ kurz sein Leben war tind so widrig die Umstände gewesen sein mögen, welche ihn zum Schreiben :iihrten, eine rasante geistige Entwicklung, die sich besonders stark am Zeitgeschehen Drientierte, durchgemacht hat, und so stand Petzold, der Unruhe der Zeit und ihrer großen Umbrüche gemäß, doch unter sehr ver- schiedenen Einflüsser., durchlief hetero- genst e Perioden (Marxismus, Sozialis- mus, Kirchenhaß und K.rcher.austritt, nach zehn Jahren Wiedereintritt, deutsch- nationales Element, Antisemitismus, mi- denfreindlichkeit, Kriegsbegeisterung und Kriegsverachtung nind selbst religiöse Verzü::kung in der Mystik). Vergessen wir nicht: Alfons Petzold war ein ungemein belesener Mensch, wohl einer der belesen- sten 5sterreichischen Dichter seiner Zeit. Begier.g, alles in sich aufzunehmen, vor allem alles Versäumte nachzuholen, muß- te er so von einem Extrem --ns andere fal- len, bis gegen Ende se:nes Lebens und in Anbetracht der Tatsache, daß er doch nur 41 Jahre wurde, relat:v früh eine starke Hinwendung zum Myshschen erfolgt. Vor allem Franz von Assisi wird ihm zum Ideal. Freilich ist dieser »Franziskus« auch Deckmantel für den verehrten R.M. Rilke. Was Wunder, daß nach dem Tode Pet- zolds die verschiedensten Parteien in ihm einen der Ihren sahen? Diese Verabsolu- tierung von Teilaspekten mag den ortho- doxen Germanisten dazu bewegen, von Petzold als einem zwar hochbegabten, aber doch nicht unbedingt origineilen Dichter zu sprechen. Der unbelastete Lite- raturkonsument aber greift hinein in die- sen Brunnen und entdeckt dort Quellen größter Lebendigkeit, Unmittelbarkeit; entdeckt Tragik ebenso wie Freude und Erlösung. Was von Alfons Petzold tatsächlich bleiben wird? Wer vermöchte das zu sa-
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