Kitzbüheler Anzeiger

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Seite 40 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 30. Oktober 1982 Emma Gröhsl geb. Aigner, geb. am 10. April 1892, gest. am 23. März 1979 (Ju- gendbildnis). Ein schöner großer Garten wurde von meiner Mutter arigeleg:, und es war ihr ganzer Stolz, wenn Gemüse, Obst und Beeren unter ihren Händen prachtvoll ge- diehen. Der 2. Weltkrieg stellte hohe Anforde- rJngen an ihre Arbeitskraft. Doch sie be- wältigte die schwierigen Versorgungsauf- gaben meisterhaft. Im Jahre 1945 flüchteten aus nah und fern die im Kriegseinsatz stehenden Töch- ter mit ihren Gatten und Kindern ins El- ternhaus, und meine Mutter legte schüt- zen den Mantel ihrer Liebe um sie. So w.icisen die Enkelkinder im schnen Heim und im herrlichen Garten heran, während alle Töchter und die drei Schwie- gersöhne an der Universität studierten. Naca Beendigung ihrer Studien zogen sie nach und nach von zu Hause fort, um in Wien und Linz als Ärzte ihrem Beruf nachzugehen. Meine jüngste Schwester Erika heiratete in Wien einen Universi- tätsprofessor und nahm ihre Tochte: aus erster Ehe mit, die bei den Großeltern ihr.- Kindheit hre Kinlheit verbrachte. Nur Enkelin Isolde blieb noch im elterl:chen Heim. Als ich meine Studien mit dem Doktorat ab- schloß, habe ich ebenfalls Innsbruck ver- lassen, um in Wien eine Stelle anzuneh- men. So wurde das Haus in Pradl plötz- lich leer, und erst v:el später kamen die Enkelkinder wieder zum Studium zu den Gro3eltern. Der unerwartete Tod meiner Schwester Eri:a im Jahre 1958, sie war erst 35 Jahre alt, traf meine Eltern schwer. Meine Mut- ter trag diesen Schicksalsschlag mit heroi- seher Haltung. Als mein Vater nach 46 Dienstjahren in Pension ging, hatte meine Mutter viel Ge- dulJ aufzubringen, um ihm das Leben oh- ne Schule zu erleich:ern. Das Wohnzim- mer wurde zu einer kleinen Schulklasse, denn es kamen viele Schüler zum Nachhil- fe-Unterricht ins Haus. Als mein Vater im Jahre 1973 starb, war Mutter nicht lange allein. Gisela's Sohn Klaus studierte Medizin und kam von Linz nach Innsbruck. Er half, wo er konnte, und war für meine Mutter eine große Stütze. Als er sein Studium mit dem Doktorat abschloß, heiratete er, und bald schon kam ein Urenkel und später noch eine Urenkelin. Meine Mutter hatte wie- der eine schöne Aufgabe neben all ihrer Arbeit im Garten. Noch mit 85 Jahren sah man sie im Garten Laub rechen und um- stechen. Abends, wenn sie im Bett rag, las sie noch ihre interessanten Bücher. Viele schöne Reisen habe ich mit meiner Mutter unternommen. Wir fuhren bis zur Nord- see, waren in Hamburg, Köln, Heidelberg und Stuttgart. Wir sahen gemeinsam in Verona die »Aida«, ein Erlebnis ohneglei- chen. Venedig sahen wir auch. Ein ander- mal machten wir eine Rundreise durch ganz Osterreich. Vom Neusiedlersee bis zum Bodensee hat Mutter alle Sehenswür- digkeiten mit mir bewundern können. Kurz vor ihrem 87. Geburtstag er- krankte sie an einer Grippe, bekam eine schwere Lungenentzündung und mußte ins Krankenhaus. Ein gütiges Schicksal verschonte sie vor langem Siechtum. Nur zehn Tage hat sie gelitten, dann entschlief sie ruhig und friedlich am 23. März 1979. Ein ausgefülltes Leben in Harmonie mit Gott und Natur erlosch. Meine Mutter war eine hochintelligen- te, außergewöhnliche Frau. Sie las ihr ganzes Leben lang nur wertvolle Bücher: Kant, Schopenhauer, Nietzsche, Heideg- ger, Hartmann, Ortega y Gazet, Leibniz, C.G. Jung, Konrad Lorenz, Hoimar von Ditfurth und Erich von Däniken. Aber auch Geschichtswerke von Ranke, Treitschke, Gregorovius, Mommsen, Les- ky und Schachermayer gehörten zu ihrer Lektüre. Wesentliche Bücher über die Ge- schichte der letzten Jahrzehnte studierte sie eifrig. Besonders interessierten sie Da- vid Hoggan, Peter H. Nicoll, Bardche, Rassinier und David Irving. Sie sprach gerne mit Bauern und Hand- werkern über Lebensphilosophie, ebenso wie sie mit Universitätsprofessoren über Entwicklungsgeschichte, Ökologie, Volkskunde, Physik und Chemie disku- tierte. Zu ihrem Freundeskreis gehörten: Ritter von Klebelsberg, Professor Hei- bok, Professor Karl von Spieß, Professor Mudrak, Professor Kranzmayer, Herbert Böhme, Heinrich Härtle, Professor Knaus, Fritz Stüber und Karl von Sprin- genschmid. Emma Gröhsl war eine starke, ausgegli- chene Persönlichkeit mit edlem Charak- ter, adeliger Lebenshaltung und einem ausgeprägten Sinn für die Harmonie der Natur und ihrer Gesetze. Ihre kosmologi- sche Weltanschauung befähigte sie, weit in die Zukunft zu blicken und viele Dinge voraus zu ahnen, die heute bereits einge- troffen sind. In diesem Sinne lebt sie in den Kindern, Enkelkindern und Urenkeln in schönster Erinnerung weiter, denn Mütter, die man nicht vergißt, sterben nicht. DDr. Margit Gröhsl Im Nachlaß der Mutter fand die Toch- ter Margit einen handgeschriebenen Be- richt über die Prostalm »Alt-Ahorn« in Kirchdorf, datiert mit Sonntag, den 3. Oktober 1915, 9 Uhr abends. Die darin geschilderte Stimmung paßt in den heuri- gen Herbst, genau so wie damals, im Kriegswinter 1915. Lebt wohl ihr sonnigen Weiden, der Sommer ist hin, der Senner muß scheiden Langsam rinnen die Wassertropfen von dem Dache der Almhütte. Verschwunden sind die einst so schönen, farbenprächti- gen Weiden, wo blühende Alpenrosen das Auge erfreuten, wo die weißen Leber- blümchen die Hügel zierten, die dunkel- grünen Tannen einen zauberhaften Hin- tergrund bildeten. Die großen Felsmassen des Steinernen Meeres bedecken undurch- dringliche Nebel, nichts als grau, wo einst solche Farbenpracht herrschte. Des abends, wenn die Sonnte hinter den Kup- peln der Stripsenjochberge verschwand, blüh-,e und glühte das graue Gestein, daß bei dessen Anblick fast die Augen schmerzten. Alles dahin. Weiß der Wald, weiß die Weiden, weiß der Himmel, der einst so tiefblau zur Erde niederlachte. Vers:ummt ist der Sang der Vögel, das Summen der Bienen, das Läuten der Glocken, die lustigen Jodler der Senner, die aus heiterer, zufriedener Brust kamen. Einsam liegen die Sennhütten in den Tal- mulden, dessen Fenster der grimmige Gott Donar oft erzittern ließ. Kein Laut vernehmbar, wo doch so oft ein lustiges Liedi, ein silbernes Lachen ertönte. Merk- würdig wehmütig sieht die Almenland- schaft aus beim Absterben der Natur. Dies machte auch die junge Sennerin nachdenklich, die mit traurigen Augen hinaussieht in die trübe Winterlandschaft. Wäre nicht die Hoffnung auf ein Wieder- erblühen, ein neues, frisches Erwachen der Natur, die Menschen gingen mit ihr zur Ruhe, hinüber ins rätselhafte Jenseits. Aber der Gedanke, daß wiederkommt der Frühling, erhält den Menschen aufrecht, läßt ihn nicht verwelken, wie die armen Blümlein draußen unter der weißen Schneedecke; die Natur sieht ja stets ei- nem Erwachen entgegen, das Menschen- kind aber, wenn es einmal verwelkt, abge- storben, so ist es vorbei, und nie wieder kehr: zurück der wonnige Lenz. Der Tag neigt sich seinem Ende zu. Schon verschwinden die dunklen Massen der Tannenwälder, nichts als eintöniges Grau begegnet dem Auge. Die junge Sen- nerin dort am Fenster bemerkt das nicht, zu sehr ist sie mit der Vergangenheit be- schäftigt. Viel hat sie gesungen, viel gejo- delt, viel gelacht, aber nicht so wie in an- deren Sommern, es war nicht so ganz rein das Metall. Immer war ein Tropfen Wer- muth im Becher, der Gram, die Sorge um die Zukunft. In der sturmbewegten Zeit Fortsetzung auf Seite 42 0 ÄW
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