Kitzbüheler Anzeiger

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Zur Erinnerung an Pfarrer Waltl vulgo Huber-Toni zum 2U. 'lodestag - zum 95. Geburtstag Samstag, 9. April 1983 Nun sind Sie am 9. April tatsächlich ein »Hunderter«, wie Sie es sich an Ihrem 99er vorgenommen hatten. Ein ganzes, langes Jahrhundert liegt hinter Ihnen. Wir als Ihre Kitzbüheler Freunde möch- ten Ihnen mit einem offenen Brief zu die- sem ungewöhnlichen Geburtstag von gan- zem Herzen gratulieren. Besonders be- glückwünschen wir Sie in herzlicher Mit- freude, daß Sie diesen Geburtstag in solch erstaunlich guter Verfassung ohne Hör- rohr und Brille erleben können. Wir ha- ben immer wieder einmal das Glück, mit Ihnen zusammenzusein, Ihnen zuhören zu dürfen - und nur, wer das erlebt, weiß, welchen Genuß, ja welch ästetischen Ge- nuß es bedeutet, wenn Sie aus der Fülle Ihres langen Lebens von Begegnungen be- richten oder wenn Sie gar einmal aus dem Nähkästchen der Potentaten plaudern. Die Kunst berichtenden oder dialogischen Formulierens von interessanten Tatbe- ständen ebenso wie von Problemen selbst aktuellster Natur ist Ihnen bis heute ge- blieben. Für uns Jüngere - wobei schon ein um zwanzig Jahre jüngerer als Sie heute ein Achtziger wäre - ist es kaum vorstellbar, was Sie - ganz abgesehen von Ihrer di- plomatischen Tätigkeit und ihrem persön- lichen Leben - alles miterlebt haben. Lassen Sie mich einen Augenblick dabei verweilen, was in dieser Zeit geschehen ist. Schon historisch betrachtet sieht die Weltkarte von heute erheblich anders aus als in Ihrer Jugend. Einunddreißig Jahre Kaiserlicher Monarchie haben Sie noch erlebt und Ihrem Kaiser als Diplomat ge- dient, bevor der erste Weltkrieg ausbrach. Sie sind ein Jahr jünger als Roosevelt, gleichaltrig mit Mussolini, doch älter als Hitler. Im Jahr Ihrer Geburt erfand Daimler den ersten Verbrennungsmotor, Maxim das Maschinengewehr und Nietz- sche schrieb seinen Zarathustra. Als Sie zehn Jahre alt waren, erfand Popow die Antenne, Ehrlich begründete durch die Chemotherapie die moderne Medizin und der Filmprojektor erblickte das Licht der Welt. In Ihrem zwanzigsten Lebensjahr flogen die Gebrüder Wright zum ersten mal mit einem Motorflugzeug. Zwei Jah- re zuvor erfand man die Rasierklinge, ein unentbehrliches Objekt für den Mann, für die Frau dagegen im gleichen Jahr den Staubsauger. Aber auch, wenn Einstein seine »Relativitätstheorie« im Jahre 1905 verkündete, ging der Fortschritt der Wis- senschaft und Technik noch »relativ« ge- mächlich von Statten. Erst mit dem Be- ginn des ersten Weltkrieges erfolgte eine Beschleunigung, die sich seitdem in im- mer schnelleren Touren dreht. 1915 wur- de der erste Tank - heute nennt man das Panzer - gebaut und im gleichen Jahr das erste Metallflugzeug. Fast genau fünf- zig Jahre später flog der erste Sputnik um die Erde. Und was ist seither noch gesche- hen in der Weiterentwicklung technischer Wissenschaften. Kitzbüheler Anzeiger Daß sich jedoch der Mensch nicht im gleichen Maß wie die Technik entwickelt hat, beweist Ihr im Jahre 1929 erschiene- nes Buch, in dem Sie über die politische Situation in Europa berichten und vor den Gefahren und dem möglichen Aus- bruch eines zweiten Weltkrieges warnen. 1939 schlitterte die Welt ja prompt in den zweiten Weltkrieg hinein. In Ihrem 99sten Lebensjahr haben Sie ein Buch abge- schlossen mit dem Titel »Ein Blick in die Geschichte Europas« und noch im ver- gangenen Herbst haben Sie der Uno einen Abrüstungsvorschlag unterbreitet. Ein Mann und ein Mensch wie Sie, sehr verehrter Freund, kann von der Warte ei- nes solchen Lebensalters wohl nur für den Frieden sein. Aber die Kriege, die im Lau- fe allein Ihres Lebens auf der Welt statt- gefunden haben, sind nicht mehr nach Zehnern, sondern schon nach Hunderten zu zählen. So werden Sie wohl kaum noch den Sieg der Vernunft über die Unver- nunft des Menschengeschlechtes erleben, aber Sie sind all denen, die Sie kennen, bis heute ein Vorbild unverwüstlicher Hoff- nung. Jetzt aber hoffen wir für Sie, daß Ihnen noch eine Zeit Leben in guter Ver- fassung geschenkt werde. Bleiben Sie ge- Stumm schläft der Sänger Toni Waltl hat sein Lebensende voraus- gefühlt. Zwei Tage, bevor er den Schlag- anfall erlitt und dann nicht mehr zu sich kam, griff er nochmals zur Feder, um sei- ne lieben Mitmenschen zum letzten Male mit einem »Gsangl« zu erfreuen. »Für den Fall meines Todes« überschrieb er die Verse und vermachte sie dem »Kitzbüheler Anzeiger« zur Ver- öffentlichung. Stumm schläft der Sänger, der zuvor gekitzelt hat so manches Ohr. Wari'm so schweigsam auf einmal? Das war doch früher nicht der Fall. Ja, Gott schloß ihm die A i ,gen zu', er geht jetzt ein zur ewigen Ruih'. Es tat ihm immer herzlich leid, ging einer in die Ewigkeit von seinen alten Freu'nden. Nie wieder fröhlich plauschen, Erinnerung austauschen von Zeiten, die sie einst vereinten. Nun ist er selber fortgegangen, »Hans Mors« hat ihn jetzt abgefangen. Er steht jetzt an des Jenseits Pforte, drum hört jetzt seine letzten Worte: »Die Liebe war es, die mich trieb, daß ich so manches Verslein schrieb. Es war mein Ziel, Euch zu ergötzen, und niemals jemand zu verletzen. Drum bitt' ich Euch, vergeßt mich nicht, dann ist umsonst nicht mein Gedicht.« Seite 7 - Paul v. Hevesy. Foto: Herta Waich, KiLbü hei sund und so humorvjll, wie wir Sie ken. nen. Wir wüns•hen Ihnen eine gute Feier, in Wien und hoffen, Sie zu einer Nachfei-; er wieder bei ins Kitzbühel begrüßen z dürfen. Ihre Kitzbüheler Freunde Pfarfer Tcr Wal:1, geboren am 26. Jänner 1888 beim »Kaiserer« in Obern. dorf. Das Geburtshaus wurde 1903 ein Raub der Flammen. Die Eltern kauften dann das große Huberbauernanesen, daher der Volgoname »Huber-Toni«. Pfarrer WaltI starb am 15. Juli 1962 im Bezirkskrank -ihaus in St. Johann i.T. Pfarrer Ton,Waltl. Fo:o: Max Werner, Ktzbü hei lieber Herr von Hevesy, lieber Freund, lieber Pali Bicsi (Onkel Paul)!
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