Archiv Viewer
Ausgabe im Vollbild öffnen
Zurück zur Übersicht
Bürgermeister von Brixen im Eisack, Dr. Zen G!acomuzzi. Samstag, 14. Mai 1983 Kitzbüheler Anzeiger Seite 5 wurden - vor allem in der Amtssprache - sind heute aus unserem Sprachge- brauch wieder verschwunden. Das entbin- det uns selbstverständlich nicht der Pflicht, über die Reinheit unserer deut- schen Sprache zu wachen, und wir tun das sogar in zunehmendem Maße. Aber es ist falsch wegen jedes italienischen Aus- druckes gleich von einem Identitätsverlust zu sprechen. Wir haben in Südtirol unsere Eigenart bewahrt, wir können heute sogar feststellen, daß sie eine große Ausstrah- lungskraft sogar auf den italienischen Be- völkerungsteil in Südtirol und auf Italie- ner darüber hinaus ausübt. Wir haben die uns aufgezwungene poli- tische Grenze zur Kenntnis nehmen müs- sen und es wäre eine Illussion zu glauben, wir könnten sie unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen in Europa än- dern. Aber wir sind niemals, auch nicht unter dem Druck des Faschismus und erst recht nicht heute bereit gewesen, eine geistig-kulturelle Grenze zum übrigen Ti- rol zu akzeptieren und es wäre ebenfalls eine Illussion zu glauben, daß wir das je- mals tun würden. Wir haben daher weder einen Grund von Entfremdung noch ei- nen Grund von unaufhaltsamen Identi- tätsverlust zu sprechen. Ich glaube, damit haben wir unsere Ausgangsposition abge- steckt, um über das eigentliche Thema »Jeder auf seinem Platz - ein Stück Tirol bauen« sprechen zu können. Kein Reservat für Alpenbewohner Ich meine, daß Tirol für uns nicht ein statischer Begriff sein darf. Denn dann wäre Tirol ja ein riesiges Museum, ein ein- ziger Naturschutzpark oder ein Reservat für absonderliche Alpenbewohner. Nein, das gesamte Land muß an der kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung Westeuropas teilhaben und sich also selbst laufend wei- terentwickeln. In diesem Prozeß sind wir aufgerufen, auch an dem weiterzubauen, was wir unser geistiges und kulturelles Heimatland Tirol nennen. Ja, wir müssen jeder an seinem Platz ein Stück Tirol bau- en. Wir tragen Steinchen auf Steinchen zusammen, jeder in seinem Lebensraum, jeder in seinem Wirkungsbereich, wie in einem Mosaik. Damit das aber ein Bild er- gibt, müssen wir dabei immer das gesamte Tirol vor Augen haben. Das heißt, wir müssen nicht nur eine Art Idealbild von Tirol und vom Tiroler in uns haben, das wäre zu wenig, das wäre zu konservativ, das würde uns zu einseitig an die Tradi- tion binden, so notwendig ein Bewußtsein der Tradition auch ist, das möchte ich schon betonen. Aber wir müssen zugleich unsere Aufmerksamkeit auch auf die Ent- wicklung und auf die spezifischen Proble- me in den einzelnen Landesteilen richten. Erst wenn wir auch diese kennen, kennen wir Tirol, haben wir ein Gesamtbild von Tirol, ist uns Tirol lebendig. Aus dieser Kenntnis erwächst die Abstimmung auf- einander, die Einfügung des eigenen Wei- terbauens an Tirol in eine Gesamtheit und umgekehrt des Gesamten in das eigene Wachstum als ein Teil des Landes Tirol. Dazu, glaube ich, kann diese Tagung ei- nen sehr wesentlichen Anstoß geben. Treffen aller Talschaften Wir müssen also im einzelnen feststel- ln, was ist in den einzelnen Teilen des Landes verschieden und was ist uns allen gemeinsam? Das betrifft nicht nur die herkömmliche Einteilung in Nord-, Ost- und Südtirol sondern alle Landschaften unseres Landes. Es ist sehr erfreulich und wird diesem Ziele gerecht werden, daß am Nachmittag die Vertreter von 24 verschie- denen Bezirken oder Talschaften des Lan- des jeweils zu zweit zusammentreffen, um solche Kenntnisse und gemeinsame Mög- lichkeiten zu besprechen. Ich selbst darf nun im Sinne der mir gegebenen Zielset- zung meines Referates, das allgemeinen Informations- und Motivationscharakter haben soll, aus Südtiroler Sicht auf eInige Detailfragen eingehen. Innertirolischen Verkehr erleichtern Wir müssen dabei auch die Sach- und Lebensgebiete berücksichtigen, die für Südtirol durch den Staat geregelt sind und die sich daher auch einer Abstimmung mit den Verhältnissen im übrigen Tirol entzie- hen. Auf diesen Gebieten können wir nur in kleinen und langwierigen Schritten ver- suchen Gemeinsamkeiten zu schaffen et- wa über die Zusammenarbeit der Univer- sitäten Innsbruck und Padua, auf dem Gebiet der sanitären Betreuung durch Einbeziehung der Universitätsklinik in unser Betreuungssystem und Ähnliches. Ein besonderes Problem ist hier das der grenzüberschreitenden Verkehrswege, der Grenzübergänge und des kleinen Grenz- verkehres. Sie wissen daß wir bezüglich des letzteren eine Lösung anstreben, wie sie zwischen Osterreich und der Schweiz, aber auch schon zwischen Italien und Ju- goslawien besteht. Gerade das wäre dafür wichtig, daß der innertirolische Verkehr, wenn ich so sa- gen darf, erleichtert und gefördert würde Auch hinsichtlich der Eisenbahn würden wir eine raschere und bessere lokale Ve:- bindung wünschen. Heute sind wir einzig auf die normalen internationalen Züge angewiesen. Innsbruck ist mit der Bahr- e-ne ahL e:ne Hin- und Rückreise von mindestens 12 Stunden von Bozen und von 14 Stun- den von Meran entfernt, inbegriffen die Wartezeit auf die Rückfahrtgelegenhei:. Das ist nicht nur wirtschaftlich ein grußes Hindernis, sondern macht eine Teilralme am kulturellen Leben von Innsbruck fast unmöglich, es sei denn, man benützt da Auto, was oft schwierig und auch nicht jedem möglich ist. Mit diesen Fragen kön- nen sich die beiden Landtage, die regel- mäßigen politischen Besprechungen zwi- schen Vertretern aus dem Bundesland Ti- rol ind Südtirol sowie auch die Arbeitsge- meinschaft der Alpenländer befassen. Aber sie sollen doch auch die allgemeine Aufmerksamkeit anregen. Einmalig in Europa Viel näher liegt uns, und vor allem den hier versammelten Vertretern aus den öf- ferilichen Verwaltungen, eine Erörterung dr Möglichkeiten der Zusammenarbe:t auf diesen letzteren Gebieten. Ich kann nur kurz und skizzenhaft darauf einge- hn. Sie werden ja selbst Gelegenheit ha- bn, gerade darüber zu sprechen. Auf Landesebene finden die jährlichen ge- meinsamen Sitzungen der beiden Landta- ge statt. Ich glaube, das ist doch eine fast einmalige Sache in ganz Europa, welche die Zusammengehörigkeit ganz Tirols dDch stark unterstreicht. Wenn natürlich aus verfassüngsmäßigen Gründen in die- sen gemeinsamen Sitzungen keine Maß. nahmen beschlossen werden können, die in teiden Landesteilen Gültigkeit hätten, so fassen die beiden Landtage doch Be- schlüsse, die für eine gemeinsame Aus- richtung der Arbeit beider Landtage und
< Page 4 | Page 6 >
< Page 4 | Page 6 >