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Seite 42 Kitzbüheler Anzeiger Samstag, 29. Oktober 1983 rück. Diese Tauchgruppe, die vom Lan- destauchwart Hermann Schuster (Kitzbü- hei) geleitet wurde, bestand aus den Kitz- bühelern Gerhard Hirsch und Walter Pirchl, den Goingern Alois Resch und Franz Waliner, zwei Tauchern aus Waich- see und Reith im Alpbachtal und einer Taucherin aus Kramsach. Bevor man die Reise antrat, ahnte man schon, daß diese Tauchreise keine alltägli- che sein würde. Die Turbulenzen, mit de- nen dann die Dinge über das Taucherteam hereinbrachen, übertrafen aber bei wei- tem alle gehegten Erwartungen und Be- fürchtungen. Fast ereignislos gestaltete sich die Fahrt und der Flug nach Kairo, obwohl die Tauchflaschen vom Sicherheitsdienst am Flughafen in München beschlagnahmt und auf Giftgas und Sprengstoff unter- sucht wurden - diese Aktion brachte dem Airbus der Egypt Airlines 45 Minu- ten Verspätung - nichts besonderes pas- sierte. Richtig los ging es erst am nächsten Morgen in Kairo, als um 4 Uhr morgens der Muezzin, verstärkt mit 12 Lautspre- chern - Abstand von den weit geöffneten Zimmerfenstern ca. 6 Meter - die ah- nungslosen Tiroler aus den Betten holte, und sie kurz darauf mit ihren Tauchaus- rüstungen und 8 Bustickets am Fernbus- bahnhof in Kairo von einem Taxi abgela- den wurden. Der Reiseleiter hatte sich am Vorabend mit Allah's besten Grüßen auf franzö- sisch empfohlen. Die Besichtigung des Busbahnhofes und der Autobusse verursachte bei den Reiseteilnehmern einiges Bauchweh, aber nachdem die Situation abgeschätzt und als ausweglos befunden wurde, stürmte man kurzerhand den wahrlich schrottrei- fen 54sitzigen Wüstenbus und bereitete sich auf die kommenden Dinge vor, denn es war allen bewußt, daß jetzt 800 km Fahrt durch die Wüste durchgestanden werden mußten, wollte man das geplante Tauchziel im Süden der ostarabischen Wüste erreichen. Und die Dinge kamen von selbst! In kurzer Zeit war der Bus mit mehr als hundert Arabern, die alle nach Süden wollten, besetzt, und fuhr los. 54 Sitze - 8 besetzt von mit Whisky ausgerüsteten Tirolern - und mehr als hundert Araber, die alle sitzen wollten und keine Klimaanlage, die die Gemüter kühlen konnte. Jetzt galt es, Sitzfestigkeit zu beweisen und nach kurzer Zeit hatten die interna- tionalen Verhandlungen, die zwischen Ti- rol und Ägypten abgehalten wurden, den Geräuschpegel eines startenden Jumbo Jets erreicht. Nach mehr als 300 km Fahrt und eini- ges an Whisky mit 50 Grad Celsius Innen- temperatur des fahrenden Busses, fanden sich die mitfahrenden Einheimischen mit ihrem Schicksal ab und die Taucher hat- ten ihre erste Bewährungsprobe glänzend bestanden. In mehr als 16stündiger Fahrt durch die arabische Wüste - der Bus versorgt aus- schließlich die von den Aräbern betriebe- nen Pipelinepumpstationen und die Erd- ölbohrcamps in Ras Gharib und Ras Gemsa, konnten sich die Tiroler an die Sitten, Eß- und Trinkgewohnheiten der Bevölkerung anpassen. Spät in der Nacht wurde das Ziel - Port Safaga -‚ ein kleiner Bergwerksort an der Küste des Roten Meeres, erreicht, und in spartanisch eingerichteten Bunga- lows, nachdem die Räume von Mäusen und Kakerlaken gesäubert waren, Quar- tier bezogen und mit dem Leiter der von einem Franzosen (Jean Francois Ro- chard) betriebenen Tauchbasis ein Fi- scherboot mit einheimischem Kapitän ge- chartert. Am frühen Morgen gingen die Tiroler an Bord und wollten zu den weit draußen im Meer liegenden Riffen auslaufen, was erst nach nachdrücklichen Verhandlun- gen mit Achmed, dem Kapitän, gelang, denn es herrschte starker Wind und hoher Wellengang und er hatte panische Angst um sein Schiff, das er für nicht seetüchtig genug für ein solches Unternehmen hielt. Als jedoch die »Tiroler Gebirgsmarine« den Dieselmotor anwarf und das Steuer übernahm, gab er sich geschlagen und vertraute auf Allah's unerforschlichen Ratschluß. Ein Vorgang, der sich öfters wiederholen sollte. Es waren stürmische Fahrten, bei denen die Brecher über das Schiff schlugen und es sich nur rollend und stampfend - zeitweise sogar unsteu- erbar - über das Meer zu den Riffen hin- bewegte. Aber die Tiroler überstanden Gefahr und Seekrankheit und erreichten immer ihre Tauchziele. Das war aber der einfachere Teil des Tauchens, denn die bisher an den Welt- meeren gemachten Erfahrungen und die üblichen Tauchpraktiken konnten nicht angewandt werden, denn man konnte bei diesem starken Wind und den hohen Wel- len die Tauchvorgänge nicht von der Lee- Seite der Riffe beginnen und auf die Luv- Seite hineintauchen, wo sich alles Leben befindet. Die Strömungen und die Wellen machten ein solches Unterfangen unmög- lich. Kein Problem für die Tiroler - sie erfanden einfach eine neue »Rifftauch- technik«. Man lief die Rieffe einfach vom offe- nen Meer aus der Luvseite an, die Tau- cher sprangen vorn fahrenden Schiff und ließen sich von den Wellen an das Riff herantragen und tauchten dann ab, wäh- rend das Schiff abdrehte und hinter dem Korallenriff Zuflucht suchte und auf die Rückkehr der Taucher wartete. Im Grunde eine einfache, aber sehr ris- kante Methode, um an die unberührten Teile der Korallenriffe heranzukommen, die aber höchstens taucherisches Können erfordert. Über die Geräusche, die Achmed, der Kapitän, von sich gab und über seine Schweißbäche breiten die Tiroler den Mantel des Schweigens und erzählen nur, daß er jedesmal sein Schiff zerschmettert am Riff liegen gesehen habe und es besser gewesen sei, wenn immer einer von ihnen an Bord zurückgeblieben ist, denn dann hatte man die Garantie, daß das Boot beim Auftauchen noch am Riff verankert war. Von taucherischer Seite waren aber vie- le Dinge auch nicht kalkulierbar, denn man wußte ja nichts über die jeweiligen Strömungsverhältnisse und über die Zahl und Größe der Raubfische, die in jedem Riff verschieden sind. Dafür wurden sie aber mit dem Erlebnis einer vom Men- schen unberührten Natur entschädigt. Daß solche Aktionen nicht immer nach Plan liefen, dürfte verständlich sein und die Wasserrettungstaucher mußten einige Male ihr ganzes Können aufbieten, um bedrohlichen Situationen entkommen zu konnen. So passierte es einmal, daß die 3 Kitz- büheler Taucher von einer so starken Un- terwasserströmung erfaßt wurden, daß trotz Anwendung aller taucherischen Tricks eine Rückkehr zum Schiff unmög- lich wurde und ihnen als einzige Möglich- keit, nachdem ihre Tauchgeräte leergeat- met waren, die Flucht über die Riffplatt- form in die Lagune blieb. Man braucht sicher nicht zu beschrei- ben, was in den Gemütern der anderen Taucher vorging, als sie, ohne Hilfe lei- sten zu können, vom Schiff aus zusehen mußten, wie die Kitzbüheler von den Bre- chern, die das Riff überspülten, immer wieder in die scharfen Korallen hinein- geschmettert oder wie hilflose Bälle hin und her gespült wurden. Doch die drei schafften es und mit eini- gen Materialverlusten und übersäht mit Schrammen und Beulen kehrten sie zum Schiff zurück. Auch »Nachts« wurde an den Riffen getaucht und dabei wurden die beiden Goinger von Riffhaien bedängt und konnten sich nur mit ihren Filmkameras und Tauchermessern verteidigen. Eine nicht ungefährliche Situation, muß man sich nur vorstellen, daß dies al- les in völliger Dunkelheit, nur durch die Strahlenbündel der Taucherlampen durchbrochen, passiert, und es gehört schon eine gehörige Portion Kaltblütig- keit dazu, wenn dabei die Nerven nicht re- voltieren. Das Tiroler Taucherteam kann auf viele weitere großartige Taucherleb- nisse zurückblicken, wie zum Beispiel, als sie sich plötzlich inmitten eines riesigen Barakudaschwarmes befanden, der sie vollkommen eingeschlossen hatte oder wie sie tief hinunter zu den schwarzen Ko- rallen tauchten, wie sie Schildkröten jag- ten und vieles, vieles mehr. Doch nicht nur das Tauchen, sondern auch die alte ägyptische Kultur interes- sierte die Reisenden, die mit einem gemie- teten Kleinbus die Wüste, in der sich Ber- ge mit über 2000 m Höhe befinden, durchquerten, und sich in Luxor in den Touristentrubel der historischen Städte im Tal der Könige, bei den Memmonsko- lossen und dem Totentempel der Königin Hatschepsut, stürzten. Doch auch diese Fahrt verlief nicht oh- ne Aufregungen, denn als sie spät in der Nacht über die Wüstenwege Richtung Port Safage fuhren, fanden sie einen i ,
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