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Das »praderhäusl«, Kitzbühel, Im Gries. Seite 16 Kitzbüheler Aizeiger Samstag, 10. Dezember 1983 VJtibübeler - _qnzei>cjer,' Impressum Verleger: Kitzbüheler Anzeiger Gesell- schaft m.b.H., Kitzbühel, Schlossergasse 10 - auch Inhaber und Herausgeber. Verlags- ort: Kitzbühel, Herstellungsort: Wörgl. Her- steller: Druckhaus Wörgl, Alfred Burgstal- 1er, Wörgl, Peter-Rosegger-Straße 3. Redak- tion: Martin Wörgötter, Kitzbühel, Hinter- stadt 17, Tel. 05356/2236. Bundeshandelsakademie und Bundes- handelsschule Kitzbühel: Autorenlesung Hans Haid Freitag, 9. Dezember, 19.30 Uhr Der kritische Tiroler Mundartdichter liest im Rahmen der Gemäldeausstellung von Wolfgang Schuler in der Handelsaka- demie aus eigenen Arbeiten. Hans Haid ist Mitbegründer des Tiroler Sozialmuseums des Bauerntums, Grün- dungsmitglied der Kulturzeitschrift »Föhn« und Initiator zahlreicher kultur- politischer Veranstaltungen. Neben Mun- dartgedichten und Hörspielen wurde er vor allem mit seinem Roman »Abseits Das östlich des Stadthügels gelegene Gebiet »Im Gries« war seit dem Mittelal- ter von den an dem zweigeteilten Mühl- bach gelegenen Mühlen (Spitalsmühle, Mittermühle, Hirslmühle, Salatmühle, Daimermühle, Tiefenbrunnermühle, Häuslmühle) beherrscht; dazu gab es noch Häuser eines Färbers, eines Rotger- bers, Bäckers, 2 Webers, eines Baders, ei- nes Vassers, Messerschmiedes und eines Schulmeisters. Unserer Zeit ist es vorbehalten, daß auch ein Schneider seine Zelte im Gries aufschlägt - Franz Prader! Er hat das alte Naz'n-Häusl erworben und es mit so viel Behutsamkeit und Ehr- furcht umgebaut, wie er sein Schneider- handwerk ausübt. Als Handwerker hat er natürlich die liebevollen handwerklichen Details herausgeholt, die kleinen Schnit- zereien, das hölzerne Gitterwerk auf der Lab'n, die Malereien nach Altväterma- nier und vieles mehr und hat sie mit den neuzeitlichen Errungenschaften SO ver- schmolzen, daß kein Bruch entstanden ist und den Eindruck wiedergibt, den ein Vorstadt-Häusl eines einfachen Bergar- beiters gegenüber den reichen Bürgerhäu- sern machte (siehe Stadtbuch Kitzbühel, Band III). Er hat sich aber auch getraut mit Farben zu arbeiten und dadurch das ehemalige Naz'n-Häusl weit über den braun-weißen, meist behördlich verordne- ten, Einheitsanstrich der meisten, in der heutigen Zeit gebauten oder restaurierten Häuser hinausgehoben. Das Haus Im Gries 6 dürfte vermutlich vor mehreren hundert Jahren erbaut wor- von Oberlangendorf«, für den er den Peter-Rosegger-Preis erhielt, bekannt. Haid erzählt kritisch, oft ha-t vom ländli- chen Alltag seiner Tiroler Heimat. Die Ausstellung von Wolfgang Schuler ist noch bis Sonntag, den 11. Dezember, zu besichtigen. Mädchenbildnis, 01 auf Leinwand, von Wolfgang Schuler. cen sein, die schöngeschnitzte und bemal- te Firstpfette trägt die Jahreszahl 1826. Das Erdgeschoß ist aus Bachsteinen er- baut, das Niveau ist durch den Straßen- neubau und durch die Zuschüttung der Mühlbäche etwas tiefer abgesunken. Eine kräftige Tramlage mit eir.em »Reamling« (tragender Mittelbalken m:t besonders schöner Schnitzerei) träg Obergeschoß und Dachgebälk. Im Zuge der Renovierungsarbeiten wurden im Erdgeschoß dr Fußboden ab- gesenkt, die feuchten Wäflde saniert, eine vollkommen neue Tramlage eingezogen, Zwischenwände herausgenommen und neue Fensterstöcke samt isolierverglasten Fenstern eingesetzt. So weit es möglich war, wurde der alte Baubestand nicht an- getastet, ebenso die schönen, im Detail er- kennbaren Türen, Verschalungen, Täfe- lungen usw. belassen. Mit einer modernen Elektroheizung versehen, läßt sich das Prader-Häusl bestens beheizen, die sani- tären Installationen und der Anschluß an das städtische Kanalnetz garantieren ei- nen einwandfreien Betriebsablauf. Franz Prader hat für eine von ihm ver- tretenen Weltmarken (Valentino, Lager- feld, Killy, Hechter usw.) einen urgemüt- lichen und für unsere Stadt besonders ty- pischen Rahmen geschaffen, keine Pseu- do-Architektur hingestellt, sondern einen echten Beitrag zur heimatgerechten Denk- malpflege geleistet. Nicht bedenken- und gedankenloses Wegreißen des alten, unverfälschten Kitz- büheler Armenleut-Häusels war seine De- vise, sondern sorgfältiges und einfühlsa- mes Restaurieren und Erneuern zum Wohle des Gesamtbildes, des Ensembles. Apropos Ensemble! Auch der kleine Vorgarten wird keinen importierten Vor- stadtrasen auf »englische Art« aufweisen, sondern als »Gartl« dem Stil des Hauses angepaßt werden, wozu das Beispiel des reizenden nachbarlichen Tiefenbrunner- gartl besten Anschauungsunterricht lei- stet. Alles in allem könnte dieses ehemalige Naz'n-Häusl und heutige Prader-Häusl ein Anstoß für viele Kitzbüheler sein, sich auf die Werte der Vorväter zu besinnen und so manches Bauwerk erhalten, was sonst bedenkenlos dem unüberlegten Ab- bruch zum Opfer gefallen wäre. Ein »Prader-Häusl« wird hoffentlich noch vielen Generationen das Entzücken und Wohlbefinden bringen und über die Nostalgie hinaus ein Bild der Symbiose der Vergangenheit mit der Gegenwart bie- ten. E.St. Ein Alt-Kitzbüheler-1dy11 inmitten der Stadt
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