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Das freigelegte Mauerwerk des Turmes. Samstag, 10. März 1984 Kitzbüheler Anzeiger Seite 5 Die Vorgängerbauten der Pfarrkirche von Reith bei Kitzbühel Von Dr. Wilhelm von Sydow, Archäologe, Bodendenkmalpfleger beim Bundesdenkmalamt für Tirol (Aus: Tiroler Heimatblätter 1 / 1984, Herausgeber: Verband für Heimatschutz und Heimatpflege in Tirol, Innsbruck, Museumstraße 1/111 - Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck) II. Teil Nur im Presbyterium wurde der Boden in einer zweiten Phase um durchschnitt- lich 24 m erhöht. Der neue Estrich hatte eine Rollierung aus großen Steinen und bestand wie der erste aus in dunkelgrauem Mörtel verlegten Rollkieseln und kleinen Steinen. Färbung der Oberfläche gab es weder in der ersten noch in der zweiten Phase. Der jüngere Boden überdeckte die Altarstufe und reichte mit einem Ausläu- fer in den Durchgang zum Schiff. In der Mitte zwischen Ost- und West- und 15 cm vor der Südwand befand sich im Boden ein Loch von 5 cm Durchmesser, dessen glatte Wandung dafür spricht, daß der Holzpfosten in den noch feuchten Mörtel getrieben worden ist. Für die Datierung der ersten Phase ist ein Visitationsprotokoll aus dem Jahre 1673 von Bedeutung, laut dem sich da- mals in der Reither Kirche eine Tafel be- funden haben soll, die als Weihedatum den 5. Juni 1188 nannte. Diese Inschrift wird natürlich nicht im 12. Jahrhundert, sondern viel später, vielleicht nach dem gotischen Umbau entstanden sein, könnte aber durchaus auf alter schriftlicher oder mündlicher Überlieferung beruhen. Zwar ist bei solchen, nicht mehr überprüfbaren Quellen grundsätzlich Vorsicht geboten, im Fall Reith spricht der Grabungsbefund jedoch für deren Echtheit. Der Grundriß und besonders die Mauertechnik, aber auch das Ägydius-Patroziniutit passen gut in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die Veehrung jenes Heiligen, der im 8. Jahrhundert als Abt eines Klosters in St. Gilles (Provence) lebte, verbreitete sich um 1100 im deutschen Sprachraum. Sein Fest wurde zwischen 1071 und 1099 in den Salzburger Kirchenkalender aufgenom- men. Wie die meisten romanischen Kirchen wurde auch die Reither in der Gotik tief- greifend umgebaut. Neben erhöhtem Raumbedarf ist der Grund dafür haupt- sächlich in der damals reicher ausgestalte- ten Liturgie zu suchen, für die größere Presbyterien gebraucht wurden. In Reith behalf man sich damit, daß man den neu- en Chor direkt an die romanischen Lang- hauswände ansetzte und so das alte Pres- byterium ummantelte. Der Westabschluß blieb zwar dort, wo er beim Vorgängerbau lag, die ursprünglich sehr schmale Öff- nung wurde aber beträchtlich erweitert. Der Triumphbogen ist im Süden nur um 80 cm gegenüber dem Langhaus eingezo- gen. Die Stirn ist in einer Kehle erhalten, die vom Estrich in den Wandputz überlei- tete, jene Kehle fluchtet auf die Außen- kante der romanischen Presbyterium- Südwand. Die Breite des gotischen Pres- byteriums ist durch einen Dienst (Säule am Pfeilerkern) gesichert, der in der Ecke vor dem barocken Wandpfeiler vermauert gefunden wurde. Die Innenseite der goti- schen Wand ist gegenüber der barocken also etwas nach Norden versetzt. Sie muß dem romanischen Fundament direkt vor- gelegt gewesen sein und nicht wie im Sü- den einen gewissen Abstand eingehalten haben. Daraus ergibt sich, daß die Einzie- hung des Chores im Süden und Norden ungleich war. Dies wirkt sich hauptsäch- lich in der räumlichen Beziehung von Al- tar und Schiff aus. Während die Achse des Altares mit der des Presbyteriums übereinstimmt, ist sie gegenüber der des Schiffes um etwa 40 cm nach Süden ver- schoben. Diese Abweichung hat der Bau- meister vermutlich dadurch, indem er die Vorderseite des Altares leicht nach Nor- den gedreht hat. Jene Asymmetrie könnte sich dadurch erklären, daß der Turm schon zur Zeit der Erbauung des goti- schen Presbyteriums bestand. Zu dieser Vermutung würde auch passen, daß der Turm die Breite des romanischen Chores hat. Das freigelegte Mauerwerk des Turmes (Foto) zeichnet sich durch besonders gro- ße Eckquader und durch die teilweise Er- haltung von gleich hohen Steinlagen aus. Diese technischen Eigenheiten sprechen eher für eine früh- als eine hochgotische Entstehung, wie sie für die Erweiterung des romanischen Baues anzunehmen ist. Leider konnte an Ort und Stelle kein überzeugender Vergleich des Mauerwer- kes von Turm und gotischer Erweiterung vorgenommen werden, weil von dieser nur Fundamente erhalten sind. Über den erwähnten Dienst in der Nordwand läßt sich auch der Grundriß des gotischen Presbyteriums rekonstruie- ren: Ein kaum mehr als 2 m tiefes Chor- joch leitete zu einem 5/8-Schluß über Das Pendant (Gegenstück) jener Strebe im Süden kann nicht bis zum Boden durchgegangen sein, weil in jenem Be- reich eine gerade, durchlaufende Putz- kehle, die Innenkante der aufgehenden Wand, liegt. Diese Ungleichheit erklärt sich wohl aus einem Vorsprung im goti- schen Fundament, der einen Abstand von 2,10 m bis 3,40 m zur romanischen Lang- hauswand hat. Vermutlich befand sich an jener Stelle ein größerer Aufbau wie etwa ein Sakramentshäuschen, dessentwegen der Dienst nicht bis zum Boden geführt werden konnte. Wenn auch der Ostteil des Presbyteriums wegen Überlagerung durch den barocken Hochaltar und wegen teilweisen Herausreißens beim Bau des letzten Chorschlusses verunklärt ist, las- sen sich die erhaltenen Reste nur auf ei- nem 5/8-Schluß ergänzen. (Fortsetzung folgt!) ARBÖ Kitzbühel: Prüfdienst von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr. Zündungs-, Vergaser- und Abgaseinstel- lung sowie Tests (Ankauf und § 57). Pannendienst täglich von 8 bis 19 Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Ruf-Nr. 053 56/4841. Vorankündigung: Die diesjährige Jah- reshauptversammlung findet am Mitt- woch, den 21. März 1984, 20 Uhr, im Bahnhofhotel »Klausner«, Kitzbühel, statt. Auf der Tagesordnung stehen Eh- rungen langjähriger Mitglieder und ein Vortrag über die neue Aktion des ARBÖ »Kind im Verkehr«. Bitte diesen Termin vormerken. Gute Fahrt, Gurtanlegen und Sturzhelm nicht vergessen. Ihr Obmann: Alfred Gebetsberger
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